Kleinkunden sind den Banken ausgeliefert

Der Banken-Ombudsmann tritt ab. 20 Jahre lang half er Geprellten. Dabei hat er 35000 Beschwerden behandelt – und liess sich nie beeinflussen.

Von Peter Hossli (Text) und Daniel Winkler (Fotos)

Hanspeter Häni (63) mag es altmodisch. Wer sich beim Banken-Ombudsmann beklagen will, muss ihm einen Brief schreiben. E-Mails akzeptiert er nicht. Dokumente legt er in Sichtmäppchen ab. Behandelte Fälle enden in etikettierten Bundesordnern.

Seit 1993 hat Häni 35000 Beschwerden von Schweizer Bankkunden abgewickelt. Jetzt tritt er ab, will endlich mehr Freizeit. Zurück bleibt eine «fundamental gewandelte Branche». Als er anfing, boten Schalterbeamte zehn Dienstleistungen an. Erst nach drei Jahren hatten sie alleine direkten Kundenkontakt. Heute muss einer fünfzig Sachen können – nach drei Monaten.

Das Bankgeheimnis galt als unumstösslich. «Heute liegt es auf dem Sterbebett», sagt Häni. Kreditkarten waren rar. Bei der Post zahlte man Rechnungen bar. Heute sei jeder Privatkunde, «haben Krethi und Plethi einen Kundenberater».

Hänis Amt gibt es seit 1993. Damals merkten die Banken: Viele ihrer Kunden fühlen sich ohnmächtig, den Finanzkolossen ausgeliefert. Für diese Unzufriedenen schufen sie die Ombudsstelle. Häni übernahm die Geschäftsführung. 1995 wurde er Ombudsmann. Heute verwaltet er ein Budget von drei Millionen Franken, hat sieben Stellen. Im ersten Jahr füllten die Fälle ein paar Ordner. 2011 gingen 1889 Beschwerden ein. Ihre Ordner belegen im Archiv zehn Meter Regal.

Klagen nähmen zu, weil das Geschäft komplexer geworden sei. So verführen Banken die Kunden etwa zum Kauf von Barrier Reverse Convertibles. Obwohl viele so etwas nicht verstehen. «Es ist für Kleinkunden unsinnig, derartige Finanzprodukte zu halten», so Häni. «Sie sind den Banken ausgeliefert.»

Verlieren sie Geld mit solchen Produkten, beschweren sich Kunden. Oder wegen Wucherzinsen. Weil sich Hypotheken nicht auflösen lassen; Gauner ihnen wertlose Schecks andrehten. Amerikaner kamen, weil Banken sie rauswarfen.

Zurzeit beschweren sich Franzosen, da Schweizer Banken sie nicht mehr wollen. Was kann Häni für sie tun? «Nichts», gibt er zu. «Die Banken haben ihr Geschäftsmodell geändert, das ist ihre Sache.» Er helfe aber, es ordentlich abzuwickeln.

Ein 80-Jähriger warf seiner Bank Diebstahl vor. Diese verneinte und beschuldigte den Kunden, eine Limite nicht eingehalten zu haben – sie buchte ihm ein Prozent des Kontostandes ab. Prompt reichte er Strafanzeige ein und wandte sich an den Ombudsmann. Häni merkte rasch: Bank und Kunde hatten sich missverstanden. Er vermittelte, bis sich die Bank entschuldigte, Geld überwies und der 80-Jährige die Strafanzeige zurückzog. All das gelingt ihm jeweils ohne richterliche Gewalt. «Ich muss überzeugen, damit beide Parteien einlenken.»

Häni studierte Ökonomie, träumte davon, Pilot zu werden. «Das ging mangels Talent nicht», sagt
er und lässt trockenen Humor aufblitzen. «Ich habe versucht, in eine Hochspannungsleitung zu fliegen.»

Statt ins Cockpit kam er zur Bankiervereinigung, wechselte nach sieben Jahren zur Zürcher Kantonalbank, ging dann zur Ombudsstelle. Sie ist letztlich ein PR-Instrument der Finanzbranche. «Die Banken leben von ihren Kunden: Je zufriedener sie sind, desto besser geht es der Bank», erklärt Häni.

Zumindest war das lange so, meint Häni im Basler Dialekt. «Heute sagt das Management: ‹Geht es uns gut, kommen die Ak­tionäre halbwegs gut weg – zuletzt schauen wir dann noch, dass die Kunden uns nicht davonlaufen.›»

Schlecht ist der Ruf von Banken und Bankern. Hat Häni als PR-Mann versagt? «Völlig.» Wehmut schwingt im Witz mit. «Auch bei mir hat sich ihr Image verschlechtert.» Warum? «Das Bankgeschäft ist entmenschlicht worden.» Praktiker gingen, Manager kamen. «Viele hetzen Leute ins Burnout, vom Bankwesen verstehen sie wenig.»

Was abgedroschen klingt, sei leider wahr. «Bei vielen ist der Bonus oft die einzige Motivation», sagt Häni. Banknamen nennt er nicht. Nur: «Je mehr eine Bank angelsächsisch geprägt ist, desto eher sind Manager statt Fachleute am Werk.»

Was trieb ihn an? «Keinen ungerecht zu behandeln.» Klar, Fehler seien bei 35000 Fällen nicht zu vermeiden. Er betont: Nie habe eine Bank versucht, ihn zu beeinflussen. «Ich hätte es nicht zugelassen.»

Von seinem geräumigen Eckbüro sieht er die Zürcher Sihlpost, den Hauptbahnhof, den verschneiten Hönggerberg. An der Wand hängt ein abstraktes Gemälde. An Banker alter Schule erinnert der drahtige Basler. Zum grauen Nadelstreifenanzug passt die gestreifte Krawatte. Ein Schnauz prägt sein Gesicht.
Auf dem Pult steht ein Computer. Briefe schreibt Häni aber nicht. Er diktiert – «beim Reden denke ich besser» – und bestellt die Sekretärin zur Abschrift. Wie er es einst bei der Bankiervereinigung lernte.

Zur Pension erfüllt sich Häni einen «pubertären Traum». Er kaufte sich einen Töff. Welche Marke? «Es gibt nur einen richtigen Töff», sagt er. Es ist eine Harley-Davidson.

Nachfolge nächste Woche klar
Hanspeter Häni arbeitet noch bis Ende Juli als Banken-Ombudsmann. Nächste Woche wird sein Nachfolger bekanntgegeben. Es müsse ein «Fanatiker für Gerechtigkeit sein», sagt Häni. «Sich hartnäckig für Schwächere einsetzen wollen – und von Banken etwas verstehen.» Eine Lösung erziele der Ombudsmann dann am ehesten, wenn er «eine Bank an die Ansprüche gemahnt, die sie ihren Kunden versprochen hat».