Die UBS wehrt sich

Seite 2009 kein deutsches Schwarzgeld mehr. Keine Steuerhinterziehung über Verrechnungs-Konten. Die meisten Steuerspar-Stiftungen sind aufgelöst. Keine Schulungsfilme für Steuerbeschiss.

Von Peter Hossli

Die UBS steht in Deutschland am Pranger. So sollen Schweizer Banker über Verrechnungskonten noch immer deutschen Kunden beim Steuerbeschiss helfen – trotz gegenteiligem Gelöbnis. Auslöser der Vorwürfe seien neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Mannheim.

Razzien bei UBS-Kunden in Bochum würden zudem belegen: Die Grossbank hat nichts gelernt, fördere in Deutschland im grossen Stil die Steuerhinterziehung.

Dagegen wehrt sich nun die UBS. SonntagsBlick weiss: Die Konzernleitung vermutet hinter den Meldungen der letzten Woche ein gezieltes politisches Manöver. Dabei gehe es darum, das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland zu bodigen. Aber nicht nur. Deutsche Sozialdemokraten würden versuchen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble zu blamieren.

Zumal nie zuvor in Deutschland ein von der Regierung unterzeichneter Staatsvertrag nachträglich im Bundesrat scheiterte. Passiert das wie erwartet am Freitag, wäre Merkels Glaubwürdigkeit arg angeschlagen.

Nun liefert die Bank Fakten, die ein solches Komplott belegen.

Fall Mannheim
Bei den vermeintlich anrüchigen Verrechnungskonten handelt es sich um ein seit bald zwanzig Jahren gebräuchliches Verfahren Namens Euroclearing. Deutsche wickeln darüber kostengünstig Zahlungen in die Schweiz ab – etwa, um die Heizungsrechnung der Mietwohnung im Engadin zu berappen. Hellhörig wurde die Mannheimer Staatsanwaltschaft im Frühling, weil über diese Konten Gelder ins Ausland fliessen – obwohl die Transfers aussehen wie Inlandüberweisungen.

Seit Mai dieses Jahres kooperiert die UBS mit den Ermittlern. «Es sind 586874 Transaktionen überprüft worden», sagt UBS-Kommunikationschef Michael Willi. «Mit Steuerhinterziehung hat diese Infrastruktur nichts zu tun. Es gibt keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten.» Diese Konten seien «nicht aufgesetzt worden, um etwas zu verschleiern». Genau angeschaut hätten die Ermittler 34000 Transaktionen im Umfang von 500 Millionen Euro. Sie fanden keinen Fall von Beihilfe zur Steuerhinterziehung, sagt Willi.

Zudem hätten die Mannheimer keine konkrete Person im Visier, sie ermittle gegen unbekannt. «Uns hat die Mannheimer Staatsanwaltschaft bestätigt, dass die Ermittlungen wie seit Monaten nach wie vor gegen Unbekannte gerichtet sind», sagt Willi. Änderungen in den Untersuchungen hätte es keine gegeben. Deshalb sei es wohl kein Zufall, dass der Mannheimer Fall so kurz vor der Abstimmung über das Steuerabkommen ans Licht gekommen ist. «Das sieht wie ein gezieltes Leck aus.»

Trotzdem: Die Bank hat ein Problem mit den Euroclearing-Konten. So prüfe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), ob das System ordentlich aufgesetzt sei. Der Aufsichtsbehörde passt es nicht, dass die Überweisungen nur über Computer in der Schweiz abgewickelt werden. Um Steuern geht es bei dieser Prüfung nicht.

Schulungsfilme
Die UBS soll ihre Mitarbeiter mit Filmen schulen, wie sie Kundengelder am Fiskus vorbeischleusen. Seit Monaten geistert diese Geschichte durch deutsche Medien. Dazu hat die UBS bislang geschwiegen. Mittlerweile hat die Bank ihre Archive durchstöbert. «Wir haben keinen Lehrfilm gefunden, der zeigt, wie man Steuern hinterzieht», sagt Willi. Ein einziges Video erkläre Kunden, dass sie an verschiedenen Orten der Welt bei der UBS Geld buchen können. Eingesetzt wurde dieser Film nie.

Letzte Woche führten Steuerfahnder bei Modehaus-Besitzer Albert Eickhoff (75) eine Razzia durch. Er versteckte bei der UBS über eine Million Euro vor dem Fiskus. Sein Name stand auf einer CD, die das nordrhein-westfälische Finanzministerium kaufte. «Wir haben bei uns keinerlei Angaben über ein Daten-Leck», sagt Willi. Es gebe keine elektronische Spur, die auf ein Absaugen von Daten hindeute. Ob jemand UBS-Konten mit einer Handy-Kamera fotografiert hatte, kommentiert er nicht.

Altlast Stiftungen
2009 erlebte die UBS eine Zäsur. Sie war in den USA der Beihilfe zum Steuerbetrug überführt worden, zahlte 780 Millionen Dollar und lieferte dem US-Fiskus fast 5000 ihrer Kunden ans Messer. Das habe die Kultur der Bank verändert, sagt Willi. «Seit 2009 nehmen wir kein Geld mehr an, von dem wir wissen, dass es nicht versteuert ist.»

Das war vorher nicht so. Das weiss die UBS, und sie gesteht es.

Vor allem über Stiftungen versteckte die Bank mehrere Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld. Vor fünf Jahren betreute die UBS noch rund 2000 solcher deutscher Konstrukte. «Seit 2009 haben wir für Deutsche keine Stiftung mehr aufgesetzt», sagt Willi. Im Gegenteil: Die Bank drängte ihre deutschen Kunden, solche aufzulösen – mit Erfolg. «Heute haben wir knapp über 200 Stiftungen», sagt Willi. Die Hälfte sei gemeinnützig, befreit von Steuerpflichten. Beim Rest handle es sich etwa um «komplizierte Familiensituationen».

Aus Sicht der UBS wichtig: Der Grossteil des Geldes aus den aufgelösten Stiftungen floss nicht exotischen Steueroasen zu. «Es ist zu 95 Prozent bei der UBS geblieben und wartet darauf, regularisiert zu werden», sagt Willi.

Keine Abschleicher
Er kontert das oft wiederholte Gerücht, wegen des Steuerabkommens verschwinde deutsches Geld im grossen Stil, etwa nach Singapur. «Es gibt auch keine Verschiebungen auf exotische Finanzplätze», so Willi. Der Grossteil der Abflüsse ging direkt nach Deutschland, gefolgt von Verschiebungen zu anderen Banken in der Schweiz und in die EU. Weniger als ein Prozent floss in andere Wirtschaftsräume.

Laut «Spiegel» versucht Finanzminister Schäuble nun, die Bundesländer mit drei Milliarden Euro für das Steuerabkommen zu gewinnen. Die UBS setzt ebenfalls auf ein Ja und verzichtet auf einen Plan B. Bei einem Nein müsse die Schweiz alles daran setzen, damit der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat bis zum 14. Dezember eine Lösung finde. Keinesfalls dürfe die Schweiz von einem Freund vorgeführt werden. Sonst verkomme die Schweiz zu einer deutschen Kolonie, heisst es.