Nach unten geschlafen

Wegen einer Liebesaffäre tritt der CIA-Direktor drei Tage nach den Wahlen zurück. Was wusste Obama wann?

Von Peter Hossli

General David Petraeus (60) ist ein brillanter Stratege. Rechtzeitig verstärkte er im Irak die amerikanischen Bodentruppen, um deren Abzug zu beschleunigen. Im unwirtlichen Afghanistan trimmte er die Soldaten auf Guerillakriegs-Taktik und verhinderte so ein Debakel der US-Armee.

Jetzt kostet ihn ein amouröses Manöver Ruf und Karriere.

Ein Manöver, das Washington erschüttert und den eben wiedergewählten US-Präsidenten Barack Obama in eine politisch unangenehme Situation bringt. Zum einen verliert er seinen höchsten Spion. Zudem fragt sich jeder, was Obama schon vor dem Wahltag gewusst hatte.

Erst am Freitagnachmittag war bekannt geworden, dass Petraeus von seinem Posten als Direktor der Central Intelligence Agency zurücktritt (CIA). Seit September 2011 stand er dem US-Geheimdienst vor. Grund für den überraschenden Abgang ist eine aussereheliche Affäre des Vier-Sterne-Generals. 37 Jahre war er mit Holly verheiratet, hat mit ihr zwei erwachsene Kinder.

Betrogen hat er sie offenbar mit Paula Broadwell (39), Mutter zweier Kinder, verheiratet mit einem Röntgenarzt. Sie ist Co-Autorin der Petraeus-Biografie «All In: The Education of General Petraeus». Erstmals traf sie ihn 2006. Ein Jahr lang recherchierte sie 2010 in Afghanistan – und verbrachte viel Zeit mit dem General. Offenbar am Hindukusch verliebte sich das Paar.

Gehen Affären meist nur die Betroffenen etwas an, ist das beim CIA-Direktor anders. Er gebietet über 20 000 Spione, die das Land vor Ungemach schützen. Begeht deren Chef Ehebruch, ist er erpressbar. Was die Sicherheit Amerikas gefährdet. Die Bundespolizei FBI untersuchte diese Gefahr. Sie kam der Affäre vor Monaten auf die Schliche, nach dem sich jemand über verletzende Mails Broadwells beklagt hatte. Das FBI begann, ihre E-Mails zu überwachen – und stiess dabei auf elektronische Liebeleien zwischen Biografin und General.

Gemäss Obama sprach Petraeus am Donnerstag reumütig bei ihm im Weissen Haus vor – und übergab sein Rücktrittsschreiben.

Gut gelaunt war der Präsident von seiner Wahlfeier in Chicago nach Washington zurückgekehrt. Er soll noch versucht haben, den General umzustimmen. Doch der winkte ab. «Mein Verhalten war nicht ehrenhaft», sagte er zu Obama und opferte sich im Stile eines Samurais – «um die Ehre des Amtes zu bewahren».

Alles legte der General auf den Tisch. «Nachdem ich 37 Jahre lang verheiratet war, habe ich sehr schlechtes Urteilsvermögen gezeigt, indem ich eine aussereheliche Affäre hatte», schrieb er in einem Brief an CIA-Kollegen. «Dieses Verhalten ist nicht akzeptabel, weder für mich als Ehemann noch als Chef dieser Organisation.»

Der Rücktritt entspricht dem üblichen Verhalten amerikanischer Offiziere. Gemäss US-Militärgesetz ist Ehebruch strafbar, falls er die «Ordnung und die Disziplin der Streitkräfte gefährdet» oder falls durch eine Affäre eines Soldaten «der Ruf der Streitkräfte verleumdet wird».

Letztlich ist es der tragische Fall eines grossen Kriegers, des bedeutendsten amerikanischen Feldherrn der letzten zehn Jahre. Nach der Attacke vom 11. September 2001 reformierte er die US-Streitkräfte. Von einer Armee, die grosse Kriege gegen grosse Armeen führen konnte, zu einer, welche mit Aufständischen und Guerillas klarkommt. Bei der lokalen Bevölkerung war er beliebt. Erst im Irak, später in Afghanistan versuchte er jeweils, zivile Opfer zu verhindern.

Aufgestiegen war Petraeus unter Präsident George W. Bush. Kaum war Obama im Januar 2009 im Weissen Haus eingezogen, förderte er den Republikaner Petraeus ebenfalls. Wohl aus Eigennutz. Er hatte verhindern wollen, heisst es in Washington, dass Petraeus 2012 für das Amt des Präsidenten kandidiert.

Petraeus-Biografin Broadwell ist keine Unbekannte. Sie pries ihr Buch bei TV-Auftritten an, nannte den General «meinen Mentor», widersprach per Twitter dem Gerücht, Petraeus werde von Mitt Romney (65) als Vizekandidat aufgestellt.

Sie gilt als ehrgeizig – und blitzgescheit. Wie Petraeus absolvierte sie die renommierte Militärakademie West Point. Nur die härtesten Männer und Frauen schaffen die Aufnahme an die Kaderschmiede für US-Offiziere. Danach diente sie 15 Jahre im Militär. Sie war Klassenbeste in der High School und besitzt einen Abschluss der Elite-Uni Harvard, studierte Arabisch. Fit hält sie sich mit Triathlon. In Afghanistan joggte sie mit Petraeus. Einst stand sie Modell für einen Hersteller von Maschinengewehren.

Derweilen kursieren in Washington viele Fragen. Warum kommt der Fall erst drei Tage nach den Wahlen ans Licht? Hätte Obama verloren, wenn das vorher bekannt geworden wäre?

Viel wichtiger: Wann wusste der Präsident, dass sein wichtigster Spion eine Affäre hat? Vor Monaten begann das FBI wegen Mobbing-Mails den CIA-Direktor zu überwachen. Das Weisse Haus müsste das wissen.

Zumal die Spionage-Abteilung jüngst arg in Verruf gekommen ist. Am 11. September 2011 griffen libysche Schergen in Bengasi das US-Konsulat an. Neben dem Botschafter starben drei weitere US-Diplomaten. Zuständig für deren Schutz war auch die CIA.

Der schlimme Verdacht: Petraeus hatte den Kopf bei seiner Geliebten statt bei den Spionen.