Ist sie der bessere Obama?

Mit einer rührenden Liebeserklärung warb die First Lady am Parteitag der Demokraten für die Wiederwahl von Barack Obama.

Von Peter Hossli

michelle_standingDas ärmellose Kleid betörend, die Arme muskulös, die Ausstrahlung umwerfend. First Lady Michelle Obama hatte das amerikanische Fernsehpublikum auf ihrer Seite, bevor sie ein Wort sagte.

Ihre Rede am Parteitag der US-Demokraten in Charlotte geriet zur rührenden Liebeserklärung an US-Präsident Barack Obama. Und zum Appell, ihn trotz unerreichter Ziele wiederzuwählen. Ihr rhetorischer Kniff: Demut.

Zweifel habe sie gehabt, als sie vor vier Jahren das Weisse Haus betrat. Zweifel, dass ihre beiden Töchter im Rampenlicht geerdet bleiben. Furcht, dass das hohe Amt Barack verändere.

Vier Jahre später entwarnt sie: «Barack ist der Gleiche geblieben.» Fast jeden Abend esse er mit der Familie, bespreche mit den Mädchen aktuelle Ereignisse, ihre Freundschaften. «Heute liebe ich meinen Mann noch mehr als vor vier Jahren», schwärmte sie – unter tosendem Applaus. «Liebe ihn mehr als vor 23 Jahren, als wir uns trafen.»

Die Liebe wuchs, weil sie die Politik ihres Gatten bewundere. Weil er ein Präsident sei, dem man vertrauen könne. Er bringe Demokraten und Republikaner zusammen, höre auf Ideen anderer, bleibe unter Stress ruhig. «Und ich liebe ihn, weil er nicht vergessen hat, wo er anfing.»

Hochgerappelt habe er sich, den amerikanischen Traum gelebt. Ein Traum, der derzeit ­vielen versagt bleibt. Michelle Obama (48) weiss: Die «Yes, we can»-Revolution, die ihr Mann versprach, der wirtschaftliche Aufschwung, die nötigen Jobs – all das ist nicht eingetroffen.

Über 23 Millionen Amerikaner sind arbeitslos. An ihre Geduld appellierte die First Lady. «Es dauert immer länger, bis alle Veränderungen da sind», sagte sie. «Es gelingt nie alles auf einmal, aber es wird uns ­gelingen.»

michelle_talkinhEtwas monoton las sie die Rede vom Teleprompter ab. Geschickt fing da die Kamera strahlende Gesichter im Publikum ein – Latinos und Schwarze, Alte und Junge. Ein Kontrast zu den Republikanern, bei denen fast nur Weisse zu sehen waren.

Befremdlich wirkte der Wettstreit bezüglich einstiger Not, auf den sich die First Lady einliess. Multimillionärin Ann Romney hatte vorige Woche davon geschwärmt, wie sie und Mitt auf einem Bügelbrett gegessen hätten. Was Multimillionärin Michelle Obama noch überbot. Auf «einen Kaffeetisch, den er in der Abfallgrube fand», sei Barack besonders stolz gewesen. Im «verrosteten Auto» fuhr er sie zum Rendez-vous, an den Füssen «seine einzigen anständigen Schuhe, die eine halbe Nummer zu klein waren». Als ginge es bei den US-Wahlen da­rum, welcher der beiden reichen Kandidaten einst ärmer war.

Gekonnt verschleiert zeichnete sie Mitt Romney (65) als ruchlosen Financier – ohne seinen Namen zu nennen. Stattdessen pries sie Obama als das pure Gegenteil. Als einen, der die Wahrheit sage, nie Erfolge zu Lasten anderer feiere, die Gesellschaft nicht spalte. Der Frauen «selbständige Entscheide über ihren Körper» zumute. Dafür erntete sie reichlich Applaus. Denn Romney will Abtreibungen verbieten.

Mit ihrer Familie schloss die First Lady. «Meine wichtigste Rolle ist die der Mutter», sagte sie. Für ihre Töchter wolle sie eine bessere Welt – und «für alle amerikanischen Töchter und Söhne». Und wer soll die Welt verbessern? «Mein Mann, unser Präsident, Barack Obama.»