Von Peter Hossli
Als Wesen eines anderen Sterns galt Mitt Romney noch vor Wochenfrist. Ein kalter Kapitalist. Die Haare wesentlicher als das Herz. Ein Typ, der Frauen bändigen will, einer abstrusen Religion folgt, unnahbar ist, hölzern und schlicht zu komisch für das Weisse Haus. Zumal dort noch Barack Obama wohnt. Und der will so rasch nicht ausziehen.
Nun aber beginnen Amerikaner, ihr Bild von Romney zu überdenken. Nach einem erstaunlich wirkungsvollen Parteitag der Republikaner in Florida. Die Liebe seiner Eltern pries dort der Financier, redete von raufenden Söhnen, vergoss Tränen. Wirkte plötzlich wie ein Mensch. Christen könnten Mormonen herzen, sagte seine Gattin Ann. Und erledigte so das Geplänkel um die Religion.
Romneys Trumpf ist sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. Paul Ryan versteht wie kaum ein zweiter amerikanischer Politiker die vielleicht grösste Gefahr der US-Wirtschaft: die hohen, ständig steigenden staatlichen Schulden.
Die bisher dürftigen Argumente für eine Wiederwahl Obamas stellte Romney bloss. Viel mehr als harsche Kritik am geschäftlichen Erfolg des Republikaners trug der Präsident nicht vor. Romney kontert: «In Amerika feiern wir Erfolge, wir entschuldigen uns nicht dafür.»
Sätze, die Obama aufschrecken sollten. Ebenso der Blick in die Wahlkampfkassen. Der Demokrat sammelt weit weniger Geld als der Republikaner. Oft wird aber Präsident, wer am meisten für Werbung ausgibt. Entschieden ist diese Wahl noch nicht. Denn Romney ist soeben vom Sonderling zum Kandidaten aufgestiegen.