Interview: Peter Hossli und Fibo Deutsch; Fotos: Nik Hunger
Herr Schloter, wann bietet Swisscom das neue iPhone an?
Carsten Schloter: Das möchte ich auch gerne wissen.
Sie wissen nicht, wann das begehrteste und wichtigste Produkt Ihrer Branche erhältlich ist?
Wüssten wir es, würden es andere Anbieter und die Medien wissen. Es wäre kein Geheimnis mehr.
Seit es das iPhone gibt, diktiert Apple Ihr Geschäft.
Das sehe ich anders. Apple hat die Branche mit fundamentalen Neuerungen vorangebracht. Vor kurzem war mobiles Internet noch ein Exotenprodukt. Das iPhone hat es demokratisiert. Klar, Apple hat Macht. Aber die kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie ist verdient.
Wegen Apple verdienen Sie nichts mehr an einzelnen SMS.
Das war unabhängig von Apple absehbar. Dienste wie SMS, Sprachtelefonie und bald auch das Fernsehen
haben sich technologisch so entwickelt, dass man nicht mehr einzeln dafür Geld verlangen kann. Deshalb müssen wir uns neu erfinden. Geld verdienen wir künftig mit pauschalen Zugangsgebühren.
Fakt ist: Die Mobiltelefonie wächst kaum mehr.
Falsch. Es werden bald viele neue mobile Anwendungen hinzukommen. Denken Sie an Sensoren und Schalter, die heute noch an Kupferkabel hängen, etwa für Temperaturmessung und Lichtsteuerung. In den nächsten zehn Jahren rechnen wir mit 100 Millionen neuen mobilen Geräten auf unseren Netzen.
Swisscom setzt neuerdings vor allem auf das Fernsehen als Wachstumsmarkt. Wann zerstört Apple auch dieses Geschäft?
Ob Apple es zerstört, weiss ich nicht. Sicher ist: Fernsehen sieht in fünf Jahren radikal anders aus.
Wie denn?
Die Netze werden so leistungsstark sein, dass man kein eigenes Netz mehr braucht, um per Internet gute Fernsehangebote zu offerieren. Das Angebot an linearem, herkömmlichem Fernsehen und einzeln abrufbarem Video-on-Demand wird explodieren. Es wird ohne Qualitätsverlust internetbasiert sein.
Auf welchen Geräten schauen wir dann fern?
Auf allen. Der Konsument hat Zugriff auf Programme und Daten auf sämtlichen Endgeräten – also Fernseher, Tablet, Smartphone und Computer. Einzelne Kunden verwenden jeweils gleiche Betriebssysteme.
Wer bietet diese an?
Drei Firmen: Ich wette drauf, dass wir künftig über Fernseher und andere Geräte mit Apples iOS, Googles Android und mit Microsoft fernsehen werden.
Und was können diese Geräte?
Mit dem Fernseher wird man all das erledigen, was Mobiltelefone, Computer und Tablets tun. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Fernsehen wird intuitiver. Fernbedienungen mit 40 Knöpfen verschwinden.
Das tönt nach höheren Preisen für die TV-Zuschauer.
Falsch. Weil immer mehr Internetanbieter lineares Fernsehen anbieten, wird Fernsehen kostenlos sein. Wie bei der Mobiltelefonie bezahlt man bald nur den Zugang zum Netz. Es kommt die Zeit, wo wir Fernsehen über jeden Internetanschluss empfangen. Den Kabelanschluss kann man dann wegschmeissen …
… wie die Swisscom-TV-Gebühr.
Richtig. Breitbandprodukt und Fernsehen werden integriert.
Es gibt keinen Grund mehr, Kunde der Swisscom zu sein?
Doch, weil wir ihm genau das bieten, was er will: über seinen schnellen Breitbandanschluss ohne Zusatzkosten lineares Fernsehen sowie gegen Gebühr Filme auf Abruf und Sport. Bei den Filmstudios erkennen wir sogar den Willen, dass sie ihre Filme dann anbieten, wenn diese im Kino laufen – oder noch früher. Die kosten dann aber mehr.
Die Piraterie gefährdet dieses Geschäft. In der Schweiz ist es nicht untersagt, Filme vom Netz herunterzuladen.
Piraterie wird es immer geben. Die Schutztechnologien entwickeln sich aber weiter. Zudem gehen die Behörden verstärkt gegen Unternehmen vor, welche illegal geschützte Inhalte verbreiten.
Was unternimmt die Swisscom?
Wir sind nicht Polizisten. Aber wir sorgen dafür, dass Inhalte, die wir für unsere Kunden einkaufen, gut geschützt sind.
Youtube von Google lanciert dieses Jahr 100 Spartenkanäle. Jeder kann in Topqualität genau das sehen, was er will. Swisscom TV braucht es da nicht mehr.
Google kann zwar in den Hauptsprachen viele gute internationale Inhalte anbieten. Bei lokalen Inhalten geht das nicht. Es wird kaum einen schweizerdeutschen Spartenkanal auf Youtube geben.
Dann behauptet sich, wer über Lokales berichtet?
Lokales, Sport und das Gesamtpaket entscheiden über den Erfolg.
Hat es da Platz für öffentlich-rechtliche Sender der SRG?
Die SRG produziert lokale Inhalte und strahlt Vollprogramme aus. Wer Abnehmer für Inhalte findet, hat eine Existenzberechtigung. Ein Fragezeichen setze ich langfristig hinter Vollprogramme. Deren Chancen sind unsicher.
Die SRG hat den Auftrag, mit vollständigen Programmen auch Minderheiten zu bedienen.
Gerade in einem offenen Markt werden Minderheiten besser berücksichtigt als bisher.
Hat die SRG noch eine Chance?
Wenn sie erfolgreich sein will, muss sie qualitativ hochwertige Inhalte produzieren – und über möglichst viele Kanäle anbieten. Das Internet ist absolut erfolgskritisch. Die SRG braucht den Online-Kanal und Werbung, um ihre Inhalte online zu vertreiben. Sehr wichtig ist eine etablierte Marke, als Anker in der Informationsflut.
Die Verleger wollen verhindern, dass die SRG online Werbung schaltet – zusätzlich zu den heutigen Gebühren.
Aus Sicht der SRG ist die Frage existenziell. Darf sie nicht online werben, geht sie auf lange Sicht unter. Denkbar sind verschiedene Modelle, etwa Werbung zu erlauben und Gebühren über die Zeit zu kürzen.
Es gibt kaum mehr TV-Ereignisse, die das ganze Land bewegen.
Solange Roger Federer Tennis spielt, gibt es solche.
Wie wichtig ist Live-Sport für Swisscom?
Nichts verbindet die Zuschauer mehr als Sport. Seine Bedeutung wird weiter steigen.
Cinetrade und damit Swisscom halten exklusiv die Rechte an Fussball und Eishockey. Wie viel haben Sie dafür bezahlt?
Im Vergleich zum Gesamtgeschäft ist es ein kleiner Betrag in zweistelliger Millionenhöhe.
Fussballfans müssen am Sonntag schon um 13.45 Uhr ins Stadion, damit sich die Übertragungen von Teleclub und SRG um 16 Uhr nicht überschneiden.
Als es noch keinen Wettbewerb um Fussballrechte gab, zeigte die SRG wenig Fussball. Seit um diese Rechte gefeilscht wird, zeigen sowohl freies Fernsehen wie auch Pay-TV viel mehr Fussball. Verständlich ist, dass Sponsoren für Werbespots gute Sendeplätze wollen.
Es ist problematisch, wenn Swisscom die Fussball- und Eishockeyrechte exklusiv hat.
Wer diese Meinung vertritt, richtet sich gegen den Schweizer Fussball und das Eishockey. Beide Sportarten verlören ohne Exklusivität ihre Einnahmen. Zudem haben wir der SRG trotz Exklusivität Rechte in hohem Umfang abgetreten. Damit ist das Sportangebot auf den SRG-Kanälen so breit wie noch nie.
Die Schweiz ist zu klein für echten Wettbewerb?
Ohne Fernsehen kann sich keine Fussballliga der Welt finanzieren. Die Liga hat die Rechte im Wettbewerb ausgeschrieben und exklusiv vergeben. Exklusivität ist die einzige Möglichkeit für Klubs, mit Fernsehrechten Geld zu verdienen. Wer das unterbindet, versetzt Klubs den Todesstoss.
Sie haben mehr Digital-TV-Abonnenten als Cablecom. Wie halten Sie den Vorsprung?
Wir bauen das inhaltliche Angebot weiter aus. Und wir bieten auf allen Endgeräten alle Programme an.
Wann haben wir zu viele Informationen?
Schon heute. Der Mensch hatte immer zu viele Informationen. Ständig ist er auf der Suche nach Hilfsmitteln, um sie zu verarbeiten. Hat er ein Mittel gefunden, produziert er aber zugleich auch mehr Informationen und speist diese in den Kreislauf ein. Diese Spirale dreht sich immer weiter.
US-Autor Nicholas Carr sagt, zu häufiger, zu sprunghafter Konsum von Medieninhalten mindere die Hirnfähigkeit. Sind wir am Punkt, wo wir aus der Spirale aussteigen sollten?
Der Zugang zu Wissen ist dank dieser Technologien demokratischer geworden. Das ist fantastisch. Durch die Vielfalt der Information besteht aber die Gefahr, dass man sich nur noch oberflächlich mit ihr auseinandersetzt.
Wer ständig am Smartphone hängt, konzentriert sich nicht, liest keine langen Texte, merkt sich keine Telefonnummern.
Die permanente Ablenkung ist ein Thema. Muss man alle fünf Minuten aufs Smartphone schauen? Oder ist es nur ein nervöser Reflex? Alle gehen damit anders um.
Wie gehen Sie damit um?
Chefs müssen ein Vorbild sein.Gegenüber den Mitarbeitern erwecke ich nie den Eindruck, sie müssten sieben Tage die Woche rund um die Uhr online sein. Täte ich das, wäre mein Leben die Hölle. Dann würden meine Mitarbeiter es auch von mir erwarten. Abends und am Wochenende schicke ich nur E-Mails, wenn sie wirklich wichtig sind.
Wie viele Telefonnummern kennen Sie auswendig?
Keine. Mein iPhone speichert alle.
Sie sagen, Videogames würden bei Kindern die Kreativität einschränken. Trifft das auch auf Fernsehen und Internet zu?
Es ist eine Frage der Menge. Wenn Kinder zu viel fernsehen, zu viele Games spielen, so erzeugt dies künstliche Stimulation. Darunter leidet die Fantasie.
Sie leben getrennt von Ihren drei Kindern. Wie überwachen Sie deren Medienkonsum?
Das bespreche ich mit der Mutter der Kinder. Statt zu kontrollieren, versuchen wir sie zu sensibilisieren – etwa dass sie ihre E-Mail-Adresse nicht überall hinterlassen.
Sie sehen Ihre Kinder im Zwei-Wochen-Rhythmus. Was, wenn sie lieber mit dem iPad spielen als mit Ihnen in den Wald gehen?
Kindern sollte man stets Wege und Möglichkeiten aufzeigen, zu sich selbst zu finden. Ab und zu muss man ihnen deshalb sagen: Jetzt legen wir das Gerät weg und gehen.
Cablecom wirbt witzig damit, schnellere Internetzugänge zu offerieren als Swisscom. Vergleichende Werbung war hier lange verpönt. Warum so ruppig?
Fernsehen ist das Stammgeschäft der Kabelanbieter. Sie wissen: Es wird bald kostenlos sein. Deshalb drängen sie ins Breitband-Internetgeschäft. Weil sie das tun, müssen wir unseren Internetkunden attraktives Fernsehen anbieten. Beim Wechsel vom analogen zum digitalen Fernsehen gibt es einen zeitlich befristeten harten Verteilkampf.
Der wie lange dauert?
Über eine Million Schweizer Haushalte haben heute noch einen analogen TV-Anschluss. Jährlich wechseln 500 000 zum digitalen Fernsehen. Demnach ist der Verteilkampf nach zwei Jahren vorbei.
Swisscom kontert Cablecom im neusten Spot mit Schattenfiguren. Eine komplizierte Botschaft.
Ich lasse mich nicht auf die Diskussion ein, was gute und was schlechte Werbung ist.
Sie haben den Spot abgesegnet?
Ich habe den Spot gesehen, aber nicht abgesegnet. Nicht alles, was bei Swisscom geschieht, läuft über mich.
Auf der Mediensite «Persönlich» hiess es, der Swisscom-Spot benötige eine Erklärung.
Wenn man versucht, kreativ zu sein und eine etwas vernetzte Botschaft zu übertragen, erreicht man nicht alle. In der Tendenz sind wir weniger direkt als die Konkurrenz. Allenfalls müssen wir unsere Vorteile konkreter betonen.
Zumal Konsumenten die angeblichen Vorteile nicht kennen.
Sie wollen mich sagen lassen, wir sollten klarer kommunizieren? Sie haben ja recht, das sollten wir.
Warum ist es teurer, ein Mobiltelefon als eine Nummer im Festnetz anzurufen?
Es ist aufwendiger und kostspieliger, eine mobile Verbindung sicherzustellen. Die Preisdiskussion ist müssig geworden. Heute kann man bei uns unbegrenzt telefonieren, SMS verschicken und im Internet surfen – für Fr. 2.50 täglich. Dafür bekommt man nirgends mehr eine Tasse Kaffee.
Etwas bringen die Fr. 2.50 nicht: einwandfreie mobile Telefonie im Zug.
Der Zug ist ein Faradayscher Käfig. Das Signal kommt nicht überall rein. Von einem Punkt aus wird es im ganzen Zug verteilt. Gleichzeitig benutzen sehr viele Menschen ihr Handy. Das erzeugt einen gigantischen Bedarf an Bandbreite.
Und die kann Swisscom nicht zur Verfügung stellen?
Es gibt heute keine Technologie, mit der sich diese Bandbreite in fahrende, 200 Stundenkilometer schnelle Züge bringen lässt.
Das Problem ist nicht lösbar?
Wir unternehmen mit den SBB enorme Anstrengungen und testen ständig neue Technologien. Trivial ist das Problem nicht. Bin ich aber im Ausland, verzieht sich das schlechte Gewissen. Neulich war ich mit dem TGV unterwegs. Da funktioniert so gut wie nichts.