Text: Peter Hossli Foto: Birgitta Petershagen
Also doch: Es ist ein Bluff. Kein deutsches Bundesland hat in den letzten Wochen eine CD mit aktuellen Daten deutscher UBS-Kunden gekauft. Das sagen gut informierte Regierungspersonen in Berlin und Bern.
Weiter ergaben Recherchen des SonntagsBlicks: Medienberichte, wonach Nordrhein-Westfalen (NRW) jüngst eine solche CD für neun Millionen Euro erworben haben soll, sind falsch. Dazu ein Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin: «Zu den konkreten Fällen liegen uns keine Informationen vor.»
Das ist brisant. Bisher informierten einzelne Bundesländer das Bundesfinanzministerium jeweils, wenn sie eine CD mit neuen Daten mutmasslicher Steuersünder gekauft hatten. Wenn das Finanzministerium nun von «angeblichem Erwerb» und «angeblichem Ankauf» spricht, heisst das: Das Amt von Finanzminister Wolfgang Schäuble (69) hat keine Hinweise auf den Erwerb von Daten in den letzten Tagen und Wochen.
Mit der Aussage des deutschen Finanzministeriums konfrontiert, versteift sich ein Sprecher des NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans (59, Foto) in Wortklauberei. «Wir haben nie zu einzelnen CDs Stellung genommen, das werden wir weiter so halten.» War die Meldung von der UBS-CD ein Bluff? «Wie gesagt, im Einzelfall nehmen wir keine Stellung.» In Walter-Borjans’ Amtszeit seien schon CDs gekauft worden, sagt der Sprecher. Wann? Dazu sagt er nichts.
Das Eis, auf dem sich Walter-Borjans bewegt, ist dünn geworden.
Das zeigt auch das Treffen zwischen ihm und dem Schweizer Botschafter in Berlin, Tim Guldimann (61). Die beiden trafen sich am letzten Dienstag zum Informationsaustausch in der Hinterstube eines Restaurants in Düsseldorf. Guldimann, weiss SonntagsBlick, fragte Walter-Borjans forsch, ob NRW eine CD mit UBS-Daten gekauft habe. «Kein Kommentar», sagte der Deutsche, statt Ja oder Nein. Und antwortete gleich zur Frage, wie alt oder neu die Daten seien.
Zu eindeutigen Aussagen lässt sich der SPD-Politiker nicht hinreissen, Beweise legt er keine vor. Nie hat er den Kauf bestätigt. Stattdessen kokettiert er mit dürren Worthülsen. Ob er bluffe, wollte die «SonntagsZeitung» letzte Woche wissen. Walter-Borjans: «Wer das für einen Bluff hält, muss mit dem Risiko leben, dass es keiner sein könnte.»
SonntagsBlick weiss: Tatsächlich feilgeboten werden derzeit veraltete Informationen. «Die Daten der sich im Umlauf befindenden CDs stammen aus den Jahren vor 2010», sagt eine gut informierte Quelle. «Da diese Daten so alt sind, wird sie kaum jemand kaufen.» Aussagen einer zweiten Quelle stützen diese Einschätzung. «Die deutschen Steuerfahnder sehen etwas. Aber was sie sehen, hat wenig Wert.»
Dabei ist das Alter der Daten zentral. Ebenso wann UBS-Banker deutschen Kunden beim Abschleichen derer Vermögen nach Singapur geholfen haben sollen. Am 21. September 2011 unterzeichneten Schäuble und die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (56) das deutsch-schweizerische Steuerabkommen. Es wäre ein Affront, wenn die UBS selbst danach deutschen Kunden bei der Steuerhinterziehung Hand geboten hätte. Widmer-Schlumpf hätte ihr Gesicht verloren. Zumal die Bundespräsidentin oft betont, Schweizer Banken würden sich an die Abmachungen halten.
Gleichwohl will der Bund genau wissen, was bei der UBS geschah. Letzte Woche befragte das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen den UBS-Chefjuristen Markus Diethelm (54).
Zudem sprach Diethelm bei der Bundesanwaltschaft vor, um über mutmasslichen Datendiebstahl zu reden. Gegen aussen betont die UBS, darauf keine Hinweise zu haben. «Bisher liegen uns keine Erkenntnisse vor, die die Vorwürfe, die wir bisher nur aus der Presse kennen, stützen», sagt UBS-VR-Präsident Axel Weber im «Handelsblatt».
Ein vollständiges Dementi ist das nicht. Aber: Hat ein UBS-Angestellter tatsächlich Daten aus dem System abgezogen, hätte er eine digitale Spur hinterlassen. Die UBS wüsste genau Bescheid.
Doch warum sollte Walter-Borjans bluffen? Er will den Druck auf deutsche Steuersünder aufrechterhalten. Zumal sich immer weniger selbst anzeigen. Vor zwei Jahren waren es monatlich noch Tausende. Die Zahl ist auf rund hundert geschrumpft. Freiwillig Reue zeigten seit 2010 total rund 33500 deutsche Steuersünder.
Dass aus dem Strom der Selbstanzeigen ein Rinnsal wurde, lässt sich mit dem Steuerabkommen erklären. Es soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Ab dann kann ein unentdeckter Steuersünder anonym bleiben, indem sein Vermögen nachträglich besteuert wird – zu happigen Ansätzen. Bevor das möglich ist, muss der deutsche Bundesrat im Herbst noch zustimmen. In der Länderkammer ist der Vertrag umstritten. Zumal eine knappe Mehrheit der Bundesländer rot-grün regiert wird – und diese den Vertrag eher ablehnen.
In der Schweiz hat die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) gegen das Steuerabkommen das Referendum ergriffen. Die Unterschriftensammlung sei gut angelaufen, teilt die Auns mit. Bisher seien 25000 Unterschriften beisammen. Werden es bis Ende der Sammelfrist noch 50000, kommt es am 25. November zur Volksabstimmung.
Es sei wohl problematisch, wenn um den Steuervertrag gleichzeitig ein Abstimmungskampf in der Schweiz und ein Wahlkampf in Deutschland tobe, sagt der deutsche Botschafter in der Schweiz, Peter Gottwald (64). «Dann schaukeln sich die Gegner beider Länder gegenseitig hoch.»
Deshalb setzen sich Politiker wie Banker in Deutschland und der Schweiz für das Abkommen ein. «Der angebliche Erwerb neuer Daten-CDs durch NRW, von denen in Medienberichten die Rede ist, gibt keinen Anlass, die Haltung der Bundesregierung zu dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen zu ändern», sagt der Sprecher von Finanzminister Schäuble. «Im Gegenteil unterstreicht dieser angebliche Ankauf die Notwendigkeit der Ratifizierung des ausgehandelten Steuerabkommens.» Dieses alleine ermögliche eine ordentliche Durchsetzung deutscher Steueransprüche in der Schweiz für «die Zukunft und die Vergangenheit».
Auch die UBS will das deutsch-schweizerische Abkommen, sagt UBS-Präsident Weber im «Handelsblatt». «Es ist der richtige Weg, endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.» Zudem diene es dazu, «dass der deutsche Fiskus mit seinen Steuerbürgern Frieden schliessen kann».
Ein friedliches Deutschland ist für alle immer besser.