Von Peter Hossli und Matthias Pfander
Als «normalen Vorgang» bezeichnet der Finanzminister des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen den Kauf von entwendeten Bankdaten aus der Schweiz. Prompt wurde die Aussage Norbert Walter-Borjans als Bestätigung für den Erwerb weiterer Daten-CDs gedeutet.
Anders sieht es Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf: «Seit Unterzeichnung des Steuerabkommens mit Deutschland vor einem Jahr wurde noch nie der Kauf einer CD offiziell bestätigt», sagte sie der «Aargauer Zeitung».
Beide können nicht recht haben. Einer lügt. «Es geht um psychologische Kriegsführung. Die deutsche Seite baut eine Drohkulisse auf», sagt Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern. Meldungen über mögliche CDs mit neuen Daten schüren stets Ängste. Eine Strategie, die aufgeht. Seit 2010 haben sich 40 000 deutsche Steuersünder selbst angezeigt.
Weitere Fakten stützen Kunz. Vor eineinhalb Jahren empfahl die Schweizerische Bankiervereinigung den Banken, Kunden keine Beratung in Steuerfragen zu erteilen. Zudem sollen sie keine Vermögen an ausländische Zweigstellen transferieren. Alle Banken haben die Empfehlungen übernommen. Nun überwacht die Bankenaufsicht Finma, ob die Weisung eingehalten wird. Und ahndet Verstösse.
Gegen die neuerliche Behauptung aus Deutschland, Schweizer Banken würden Vermögen deutscher Kunden von Schweizer Filialen an jene in Singapur transferieren, spricht einiges:
• «Das ist eine reine Behauptung», sagt Kunz. «Weshalb legt die deutsche Seite denn keine Beweise vor?» So sagen die deutschen Steuerfahnder nicht einmal, wann die Anleitung erstellt worden sei. Vor sechs Jahren zirkulierten in Bankenkreisen solche Papiere – heute nicht mehr. «Die UBS hat seit 2008 die Rahmenbedingungen für das Geschäft mit gut 60 Ländern einer genauen Prüfung unterzogen und wo nötig angepasst oder erweitert», sagt UBS-Sprecher Yves Kaufmann. Dass Banken heute offizielle Anleitungen zur Steuerumgehung via Singapur anfertigen, schliesst Kunz aus: «So dumm kann keine Bank sein.»
• Der Schweizer Finanzplatz verzeichnet derzeit keine Vermögensabflüsse ins Ausland. Die UBS hat seit Ankündigung des Steuerabkommens keine Zunahme von Anfragen nach Vermögenstransfers ins Ausland festgestellt, wie sie ausrichtet. Will ein Bankkunde sein Vermögen von Zürich nach Singapur verschieben, muss er das Schweizer Konto schliessen. Erst wenn er in Singapur bezeugt, sein Geld versteuert zu haben, wird ein neues Konto eröffnet, so die UBS.
• Um von der OECD nicht auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden, verfolgt Singapur eine strikte Weissgeldstrategie.
• Letztlich würden Transfers nach Südostasien das Steuerabkommen mit Deutschland gefährden. Dieses ist gut für das Geschäft der Banken. Fällt die vorgesehene Abgeltungssteuer weg, verliert die UBS weit mehr Geld, als wenn ein paar deutsche Steuersünder abspringen.
Trotz dieser Fakten lassen sich Verstösse nicht gänzlich ausschliessen. Zumal Banken gegen kriminelle Energie einzelner Banker meist machtlos sind.