Von Peter Hossli
Gleichauf seien die beiden Kandidaten für das Amt des amerikanischen Präsidenten, vermeldeten letzte Woche die Agenturen. Der republikanische Herausforderer Mitt Romney (65) vereine 47 Prozent der Wähler hinter sich, so viele wie US-Präsident Barack Obama (50), ein Demokrat. Sechs Prozent aller Amerikaner seien unentschlossen.
Nur: Über den Ausgang der Wahl vom 6. November sagen die neusten Umfrageergebnisse wenig. Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zu reden, wäre zu einfach. Denn amerikanischer Präsident wird nicht derjenige, der landesweit am meisten Stimmen holt. Im Weissen Haus schlafen darf von 2013 bis 2017, wer am meisten sogenannter Elektoren auf sich vereinen kann.
Jeder der 50 US-Bundesstaaten vergibt eine feste Anzahl solcher Wahlmänner, proportional zur Einwohnerzahl. Drei Stimmen hat zudem die Hauptstadt Washington. Seit 1964 sind es total 538 Elektoren. Wer am Wahltag mehr als 270 davon erhält, ist als Präsident der Vereinigten Staaten gewählt.
Verteilt werden die Elektoren nach dem Prinzip «the winner takes it all»: Der jeweilige Sieger bekommt in fast jedem Bundesstaat sämtliche Elektoren. Nur Maine und Nebraska vergeben ihre Wahlmänner nach den Resultaten in den einzelnen Bezirken.
Auf sicher hat Obama derzeit
185 Stimmen (dunkelblau auf Karte). 32 zusätzliche wird er wahrscheinlich erhalten (hellblau), also total 217. Um sich die Wiederwahl zu sichern, braucht Obama demnach 53 zusätzliche Stimmen.
Romney hat 158 Elektoren (dunkelrot), 48 weitere sind ihm kaum mehr zu nehmen (hellrot). Total hat er 206. Für den Wahlsieg braucht Romney zusätzlich 64.
Warum ist das bereits klar? Weil sich die USA kaum verändern wird. An der Westküste und im Nordosten siegen jeweils die Demokraten. Staaten wie Kalifornien und Washington im Westen, New York und New Jersey im Osten sind Obama nicht zu nehmen. Deshalb wird er dort kaum Wahlkampf betreiben.
Republikanische Hochburgen im Süden wie Texas, Georgia und Alabama können Romney und sein Wahlkampftross getrost umfahren. Siegen wird er dort auf jeden Fall.
Sinnvoller ist es, jene Orte zu besuchen, die mal demokratisch, mal republikanisch wählen. Neun sogenannter «Swing States» sind dieses Jahr umkämpft – Bundesstaaten, in denen der Wahlausgang bis zuletzt ungewiss ist (gelb). Entscheidend sind die drei bevölkerungsreichsten unter ihnen: Florida mit 29 Elektoren, Pennsylvania mit 20 und Ohio mit 18. Heftiger tobt der Wahlkampf nirgends.
Wobei die Wirtschaft den Ausgang beeinflusst. Sie dümpelt, verbessert sich aber dort, wo es dieses Jahr zählt. Die Ausgangslage:
• Ohio. In den letzten 12 Wahlen hat Ohio stets für den Präsidenten gestimmt. Nie ist ein Republikaner Präsident geworden, ohne in Ohio zu gewinnen. Romney hofft, die Krise bringe ihm die nötigen Wähler. Für Obama spricht, dass die Arbeitslosigkeit in Ohio seit August 2010 zurückgegangen ist – und sich Ohios Wirtschaft schneller erholt als im Rest des Landes.
• Pennsylvania wählt in der Regel demokratisch. Zudem wächst der Staat vor allem in den liberal gesinnten Vorstädten um Philadelphia, wo Obama stark ist. Romney kann auf die Protestwähler zählen, die von Obama enttäuscht sind.
• Florida. Wegen der Zuwanderung verändert sich die Demografie ständig. Vor vier Jahren gewann Obama dank Stimmen der Latinos. Seither hat sich die Wirtschaft verschlechtert, die Immobilienblase ist geplatzt, Latinos sind enttäuscht. Für Obama spricht: Die Arbeitslosigkeit hat sich von über 11,4 im Februar 2010 auf 8,6 Prozent verringert. Romney hofft, sein Colgate-Lachen gefalle vielen zugewanderten konservativen Rentnern.
Das wahrscheinlichste Szenario: Von den gelben Staaten gewinnt Obama in Wisconsin, Iowa, Virginia und Pennsylvania. Er käme auf 266 Elektoren. Romney holt Nevada, New Hampshire, Colorado und Ohio. Er hätte 243 Elektoren.
Wie so oft vergibt dann Florida das Wohnrecht im Weissen Haus.