Krieg der Karten

Apple wirft Googles Karten vom ­iPhone. Zwischen den Technologie-Riesen tobt ein Wettstreit um die Orientierung.

Von Peter Hossli

apple_starbucksAls Steve Jobs 2007 im Januar 2007 das erste iPhone vorstellte, sprach er von einer «echten Revolution». Er drückte auf den Bildschirm des Telefons, öffnete die Karten-App, tippte das Wort «Starbucks» ein. Sofort sah er, wo es in nächster Nähe heissen Filterkaffee und schaumigen Cappuccino gibt.

Seither weist das iPhone Suchenden den Weg. Die Karten-App orientiert Stadtwanderer wie Alpinisten, sie findet Pizzerias, Coiffeursalons, das Kino, gibt Tram- und Zugsverbindungen preis. Bevor eine iPhone-Besitzerin eine neue Wohnung besichtigt, erkundet sie auf ihrem Telefon das neue Quartier – mit Hilfe von Street View.

Die kartografischen Daten dazu liefert der Suchmaschinen-Konzern Google. Erst als Google brauchbare mobile Karten umsetzen konnte, hätte er ein Telefon lanciert, sagte Jobs vor fünf Jahren. Er lobte: «Das iPhone bietet die beste Version von Google Maps.»

Nette Worte sind passé. Google und Apple sind jetzt Rivalen. Apple-Chef Tim Cook stösst Google Maps vom iPhone – und ersetzt es ab Herbst mit Karten von Apple.

Was nach einer Sache für Tüftler klingt, ist wegweisend. Es geht um die Vorherrschaft im derzeit wertvollsten Technologiebereich – um die mobile Telefonie.

Die smarten Geräte in Hosensack und Handtasche sind zum Mittelpunkt vieler Menschen geworden. Wir lesen damit, informieren uns, kaufen ein, kommunizieren, lassen uns von Werbung berieseln.

apple_mapsNur der Musikplayer ist bei Nutzern mobiler Geräte beliebter als die Karten. Daher gelangt das Smartphone jener Anbieter rasch in Handtasche und Hosensack, die gute Orientierung offerieren.

Umso heftiger tobt zwischen Apple und Google ein Krieg der Karten, vergleichbar mit dem Browserkrieg in den Neunzigerjahren um Netscape und den Internet Explorer von Microsoft.

Riskant taktiert Apple, wirft raus, was Google auf dem iPhone bisher bot. Das war einfach zu bedienen, funktionierte fehlerfrei, führte stets ans Ziel. Apple Maps muss ebenbürtig oder besser sein. Erweist es sich als schlechter, dürften viele statt zum iPhone zum Android-Phone greifen, gesteuert von Googles Betriebsystem An­droid, versehen mit Google Maps.

Noch ist Google besser. «Apple hätte mit dem Alleingang zuwarten sollen», wertete diese Woche das Tech-Blog «Gizmodo» einen Test der beiden digitalen Karten. Apple Maps finde weder Bahn- noch Busverbindungen. Street View entfalle. Google-Karten seien weit
detailreicher als jene von Apple.

Was nicht überrascht. Mehrere Milliarden Dollar hat Google seit 2005 investiert, um die Welt zu vermessen, mit Autos zu fotografieren, von Satelliten zu erfassen. Jährlich eine Milliarde Dollar kostet es, diese Karten instand zu halten.

androidGleichwohl muss Google bangen. Allzu lange hatte der von Larry Page gelenkte Konzern bei mobiler Orientierung quasi ein Monopol. Nun verbessern neben Apple auch Microsoft und Yahoo ihre Kartensysteme. Bald soll Amazon folgen und mobile Orientierungshilfen für das Lesegerät Kindle offerieren.

Apple will sich steigern. So hat der weltgrösste Konzern kleinere Firmen gekauft, die dreidimensionale Karten entwickeln. Die Daten dazu liefert die holländische Navi-Firma TomTom. Wie bei ­einem herkömmlichen Navi-Gerät liest beim iPhone künftig eine digitale Stimme jede Abzweigung einer eingeschlagenen Route vor.

Apples Rauswurf kostet Google wertvolle Daten – von 365 Millionen iPhone- und iPad-Besitzern. Nur noch bis im Herbst lassen sie bei Google Maps Spuren: Was sie suchen, wo sie hingehen, was sie essen, wo sie einkaufen. Diese Daten sind essenziell für Googles Kerngeschäft: den Anzeigenverkauf.

Darauf hat es Apple letztlich abgesehen – und verknüpft Karten mit Siri, dem Spracherkennungsdienst. Apple hofft, man sage beim Suchen «frag Siri» statt «google es». Es wäre der Anfang von Googles Ende.