Von Peter Hossli
Der Steuerstreit zwischen den USA und der Schweiz ist Chefsache. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf (56) trifft nächste Woche US-Justizminister Eric Holder (61). Traktandum: Wie soll der festgefahrene Konflikt um unversteuerte US-Gelder auf Schweizer Bankenkonten gelöst werden? Ein eingeweihtes Mitglied der US-Regierung bestätigt das Treffen gegenüber SonntagsBlick.
Vorgesehen ist die Begegnung in der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. Voraussichtlich am Donnerstag fliegt die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartments (EFD) in die USA.
Geplant ist die Amerika-Reise der Bündnerin seit einiger Zeit. Sie nimmt Ende Woche an der alljährlichen Frühlingstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) teil. EFD-Sprecherin Nadia Batzig bestätigt lediglich Widmer-Schlumpfs Teilnahme an der IWF-Tagung. Zum anberaumten Gipfel mit Holder will sie nichts sagen.
Bedeckt halten sich die Schweizer, weil die Zusammenkunft keinesfalls scheitern darf. Das Treffen ist zentral für Widmer-Schlumpfs US-Strategie. Zumal Holders Justizdepartement (DoJ) federführend ist im Steuerstreit. Es reicht im Auftrag der US-Steuerbehörde IRS Klagen gegen Banker und Banken ein.
Überdies üben DoJ-Juristen seit Jahren mit Indiskretionen an die US-Presse Druck auf Schweizer Banken und den Bundesrat aus.
Beim Gespräch unter vier Augen will die Bundespräsidentin die Wogen nun glätten. Zerrüttet ist das Verhältnis, seit das DoJ im Winter Strafanzeige gegen die St. Galler Bank Wegelin und drei ihrer Mitarbeiter eingereicht hat – trotz laufender Verhandlungen. Letztlich führte dies zum Notverkauf der ältesten Privatbank an Raiffeisen.
Stinksauer reagierte damals der Schweizer Verhandlungsführer, Staatssekretär Michael Ambühl.
Nebenbei nur werde in Washington der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts von letzter Woche behandelt, weiss eine unterrichtete Person. Das Gericht hiess den Rekurs eines US-Steuersünders gegen die Auslieferung seiner Daten gut.
Widmer-Schlumpf wird vornehmlich versuchen, Holder die von der Schweiz angestrebte Globallösung schmackhaft zu machen. Dabei sollen die Banken den USA weitere Kontodaten steuersäumiger Amerikaner liefern – sowie etliche Milliarden für entgangene Steuereinnahmen abliefern.
Entgegen Medienberichten haben die USA die Verhandlungen mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) nicht auf Eis gelegt. SIF-Chef Ambühl soll einen neuen Verhandlungstermin in Washington haben.
Widmer-Schlumpf wird sich wohl zusätzlich mit US-Finanzminister Timothy Geithner (50) treffen. Er besucht die IWF-Tagung – und dürfte mit Widmer-Schlumpf zumindest einen Tee trinken. Solch informelle Gespräche, sagt eine eingeweihte Person, «sind oft wirkungsvoller als offizielle Treffen.»
Als «sehr hektisch» beschreibt derweil US-Steueranwalt Bill Sharp die Aktivitäten beim DoJ. «Klagen gegen Schweizer Banken und Banker werden eher noch intensiver vorbereitet.» Sobald im Juni die Referendumsfrist zum Doppelbesteuerungsabkommen ablaufe, werde die USA ein neues Amtshilfegesuch an die Schweiz richten, sagt Sharp, «um Kundendaten zu erhalten».
Der Steueranwalt: «Eine baldige Klage gegen eine andere Schweizer Bank ist derzeit aber nicht auszuschliessen.» Genau das muss Widmer-Schlumpf beim Tête-à-Tête mit Holder verhindern.