Von Peter Hossli
Gegen Christoph Blocher (71) läuft ein Strafverfahren. Die Zürcher Staatsanwaltschaft untersucht, ob der alt Bundesrat im Fall Hildebrand zur Verletzung des Bankgeheimnisses angestiftet oder Beihilfe geleistet hatte. Der Angeschuldigte pocht auf einen speziellen Schutz vor Strafverfolgung: «Ich habe als Nationalrat gehandelt, da habe ich Immunität», sagte er auf Teleblocher.
Zum Zeitpunkt des mutmasslichen Vergehens war Blocher jedoch nicht Nationalrat. Folglich kann er sich kaum auf die parlamentarische Immunität berufen.
Diese Einschätzung teilt ein früherer Präsident des Schweizerischen Bundesgerichts. «Das Parlamentsgesetz ist in Bezug auf den Amtsantritt äusserst klar», sagt Giusep Nay (69). «Dieser erfolgt erst mit der Leistung des Amtseids.»
Gewählt wurde Blocher am
23. Oktober 2011 – den Eid leistete der Zürcher Nationalrat aber erst am 5. Dezember, an der Eröffnung der Wintersession. «Ein gewählter Nationalrat geniesst für Handlungen vor diesem Zeitpunkt keine Immunität», sagt Richter Nay.
Zumal alles andere «auf eine absolute Immunität hinausliefe, die einem Nationalrat nur für Äusserungen im Rat und seinen Kommissionen zusteht», sagt Nay. Öfter konterte er SVP-Initiativen.
Immunität geniesst Christoph Blocher also nur für Vergehen, die er nach dem Amtsantritt in der Rolle als Nationalrat beging.
Demnach besitzt die Zürcher Staatsanwaltschaft wohl Hinweise, dass Blocher vor dem 5. Dezember zur Verletzung des Bankgeheimnisses anstiftete oder dazu Beihilfe leistete. Und dass die Verletzung nicht im Zusammenhang mit seiner Rolle als Nationalrat steht.
Zumal der Zürcher Staatsanwalt Andreas Brunner in der TV-Sendung «10 vor 10» sagte, es gehe bei der Untersuchung nicht um die Treffen mit Micheline Calmy-Rey.
Dreimal sprach Blocher mit der damaligen Bundespräsidentin über heikle Dollargeschäfte von Philipp Hildebrand. Die Begegnungen erfolgten nach der Vereidigung. Weil Blocher an die Immunität dachte?
Wenn nicht der Gang zur Bundesrätin – was steht sonst hinter dem Strafverfahren?
Wohl ein Frühstück am 3. Dezember. An jenem trüben Samstag lud Blocher als normaler Bürger den Sarasin-Angestellten Reto T. und den Thurgauer SVP-Kantonsrat Hermann Lei nach Herrliberg ZH in seine Villa. Die beiden zeigten ihm drei Blätter – es waren die Auszüge von Hildebrands Konto bei Sarasin. Entwendet hatte sie T.
Wie SonntagsBlick enthüllte, versprach Blocher T. einen Job, falls der seine Stelle bei der Bank verlieren würde. Zudem würde er ihm den Strafverteidiger bezahlen. Zuletzt bot der Gastgeber dem Gast Hilfe an, Interviews mit ihm zu vermitteln. Schon damals schien klar, dass Blocher mit der Geschichte an die Öffentlichkeit wollte.
Mittlerweile liegen der Zürcher Staatsanwaltschaft Aussagen von Zeugen vor, welche die verlockenden Angebote bestätigen.
Beurteilt die Staatsanwaltschaft die Herrliberger-Begegnung als Anstiftung oder Beihilfe zum Gesetzesbruch, so erfolgte dies klar bevor Blocher im Nationalrat sass – und somit keine Immunität hat.
Wütend auf die Zürcher Justiz ist der höchste Schweizer. «Die Staatsanwaltschaft Zürich ist im Fall der Hausdurchsuchung von Christoph Blocher sehr unprofessionell vorgegangen», sagt Nationalratspräsident Hansjörg Walter (SVP/TG).
«Ich war erstaunt, dass ich nicht informiert wurde. Das sieht das Parlamentsgesetz so vor.» Alt Bundesrichter Nay sagt dazu: «Das gilt nur vor der Eröffnung eines Strafverfahrens, nicht aber wenn dieses formell bereits eröffnet war, wie im konkreten Fall.»