Von Peter Hossli
Recherchen des BLICK ergeben: Der von der «Weltwoche» am 5. Januar veröffentlichte Kontoauszug von Philipp Hildebrand existiert in dieser Form nicht.
Das bestätigt die Bank Sarasin. Über sie hatten die Hildebrands problematische Dollarkäufe abgewickelt. «Das in der ‹Weltwoche› veröffentlichte Dokument ist kein Bankkontoauszug der Bank Sarasin», sagt Sarasin-Sprecherin Franziska Gumpfer-Keller.
Der Auszug gilt als zentrales Beweismittel gegen Hildebrand. «[Hildebrands] Transaktionen lassen sich dank eines Kontoauszugs eindeutig belegen», schrieb die «Weltwoche» am 4. Januar in einer Vorabmeldung. Das veröffentlichte Dokument aber ist konstruiert worden – digital zusammen- geschnipselt, an gewissen Stellen sogar gefälscht, weiss BLICK.
Das System von Sarasin sieht nicht vor, dass auf dem Bildschirm gleichzeitig der Name des Kunden sowie Kontobewegungen ersichtlich sind. Bei dem in der «Weltwoche» veröffentlichten Dokument hingegen sind die Transaktionen und Hildebrands Name auf derselben Seite zu sehen.
Die Personalien von Hildebrand sind hinzugefügt worden – ausserhalb der Bank. Das sagen zwei unabhängige Quellen mit genauen Kenntnissen.
Grobe Fehler enttarnen die Manipulation. Bei den Personalien Hildebrands sind die Sprachen Englisch und Deutsch vermischt. Das von der Bank Sarasin verwendete System sieht das nicht vor.
Die Hauptsprache des Dokuments ist Englisch. Das Geburtsdatum Hildebrands ist in einer im Deutschen üblichen Reihenfolge aufgelistet: «18. 07. 1963» – hinter dem englischen Betreff «Date of Birth». Englisch korrekt wäre «07/18/1963».
Auffallender noch sind die sprachlichen Wirren bei Hildebrands Wohnort. Hinter dem Betreff «Domicile» (Domizil) steht «Schweiz», nicht wie gewohnt «Switzerland».
Zwar führt die Bank die Konten in vielen Sprachen. Bei den Personalien sind die Versionen sprachlich stets einheitlich. Merkwürdig: Der Name des früheren SNB-Präsidenten steht hinter dem Betreff «Address», nicht hinter «Name».
Auf den Bildschirmen der Bank Sarasin erscheinen die Positionen Schweiz, USA und Aktien. Im veröffentlichten Auszug sind sie vereint.
Für Philipp Hildebrand ist das keine Wende. Über das Konto bei Sarasin sind Dollarkäufe abgewickelt worden – im Umfeld geldpolitischer Entscheide. Es lässt sich nicht belegen, dass seine Frau Kashya die Aufträge ohne sein Wissen angeordnet hatte. Deshalb trat er zurück.
Dazu «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel: «Alle offiziellen Berichte und Stellungnahmen, die nach unserem Artikel erschienen sind, entsprechen zu 100 Prozent den von uns veröffentlichten Transaktionsdaten.»
Die Manipulation wirft aber Fragen auf: Wer hat das Dokument angefertigt? Wie ist es wirklich zur «Weltwoche» gekommen?
BLICK weiss: Der bei der Sarasin tätige IT-Experte Reto T.* hat im Oktober 2011 in der Bank drei Screenshots erstellt – nicht mit einer Kamera, wie es bisher hiess. Diese Printscreens importierte er in ein Word-File, druckte sie aus und trug sie weg. Insgesamt drei Seiten.
Am 11. November traf T. seinen damaligen Anwalt Hermann Lei, einen Thurgauer SVP-Kantonsrat. Lei schlug vor, die Dokumente bei ihm aufzubewahren. Er steckte sie in ein markiertes Couvert, legte es zur Aufbewahrung weg. Kopien gab es bis dahin nicht.
Am 3. Dezember trafen sich Lei und T. in Herrliberg ZH mit alt Bundesrat Christoph Blocher. Sie informierten ihn über die Dollar-Geschäfte. Das Couvert hatten sie dabei, öffneten es in Blochers Villa. Der SVP-Stratege studierte die drei Seiten. Nach dem Treffen nahm Lei das Couvert wieder mit.
Drei Tage später verlangte T. die Dokumente zurück. Das belegt ein Mail, das BLICK vorliegt. «Kann ich das Couvert um 8 Uhr abholen?», heisst es im Betreff. Am 6. Dezember um 04.55 Uhr hatte T. dieses Mail an Lei gesandt. «Ich ziehe mich zurück, o.k., und lasse mich nicht mehr zu Weiterem hinreissen», schrieb er. «Ich will nichts mehr mit der Sache zu tun haben, seit gestern Nachmittag ist sie nichtig.»
Er stellt eine klare Forderung an Lei: «Danach bitte ich um keine Anfrage und keine Aufforderung mehr, solches zu tun, wie es von mir verlangt wurde.» Zuletzt teilte er Lei mit, was er über eine Weitergabe der Dokumente denkt: «Das ist ein Verbrechen, o.k.» Wie es zum Sinneswandel kam, weiss BLICK nicht. Lei willigte ein. «Schick dir das Zeugs», schrieb er zurück.
Am 6. Dezember erhielt T. die Dokumente zurück. Am selben Tag vernichtete er sie. Und ging fortan davon aus, dass ausserhalb der Bank Sarasin keine weiteren Auszüge von Hildebrands Konten mehr existieren.
Ein Irrtum. Seine Screenshots blieben im Umlauf. Lei schickte sie an Christoph Blocher, wie er in einem BLICK-Interview sagte. Blocher zeigte sie um den 15. Dezember Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.
Der Verdacht liegt nahe: Lei öffnete das Couvert ohne das Wissen seines Mandanten – und stellte Kopien der ihm anvertrauten Dokumente her. Das geschah entweder zwischen dem 11. November und dem 3. Dezember oder aber unmittelbar nach dem Treffen mit Blocher.
«Diese Informationen sind total falsch, in jeder Beziehung», sagt der Anwalt von Hermann Lei, Valentin Landmann, zu den BLICK-Recherchen. «Sie decken sich nicht mit dem, was sich in der Untersuchung ergeben hat.»
Letzte Woche hat T. gegen seinen ehemaligen Anwalt Lei einen Strafantrag wegen Verletzung des Anwaltsgeheimnisses eingereicht. Die Zürcher Staatsanwaltschaft untersucht, ob Lei die ihm von T. anvertrauten Daten gestohlen hat.
Wer aber hat das in der «Weltwoche» veröffentlichte Dokument erstellt? Wer hat die Personalien nachträglich und eher stümperhaft eingefügt? Ein Verdacht fällt auf Lei. Landmann streitet das im Namen seines Mandanten ab.
Am 4. Januar liess die «Weltwoche» das Dokument von der «Rundschau» filmen. «Das ist die Originalschrift», sagt der stellvertretende Chefredaktor Philipp Gut und zeigt auf den Namen Hildebrand. Eine Analyse ergibt: Auf dem Ausdruck werden mehrere Schriftarten verwendet. Zumindest eine war nicht das Original.
* Name der Redaktion bekannt