“Ich habe Fehler gemacht, und ich bedauere es”

Hildebrands Botschaft: Rechtlich war alles in Ordnung, aber die moralische Frage habe ich unterschätzt.

Von Peter Hossli, Claudia Gnehm, Thomas Ungricht (Text) und Pascal Mora (Fotos)

hildebrand_philippEin Buffet haben gestern Nachmittag die Mitarbeiter der Schweizerischen Nationalbank am SNB-Sitz in Zürich aufgetragen. Frische Früchte, drei Sorten Kuchen – Rüeblitorte, Tiroler- und Zitronenkuchen. Die SNB feierte nicht etwa ein Fest.

Präsident Philipp Hildebrand (48) musste vor rund 80 Journalisten den schwerwiegenden Vorwurf des Insiderhandels abschütteln.

Nie zuvor musste ein hochrangiger Schweizer Staatsdiener so tiefe Einblicke in seine ­Privatsphäre zulassen.
Pünktlich öffnet sich eine schwere, verzierte Holztüre zum Pressesaal. Vorne geht Hildebrand, hinten der Präsident des Bankrates, Hansueli Raggenbass. Zum dunkelblauen Anzug trägt der SNB-Präsident eine violette Krawatte. Er geht ans Rednerpult: «Ich danke Ihnen, dass Sie unserer kurzfristigen Einladung Folge geleistet haben», fängt er an.

Sagt, warum er die Presse eingeladen hat: «Erst seit zwei Tagen ist eindeutig klar, wie die Vorwürfe gegen mich überhaupt in Umlauf gekommen sind.» Die Angriffe gegen seine Person hätten «einen Punkt erreicht, wo ich mich mit aller Kraft zur Wehr setzen muss».

Das tut er, ohne jene anzugreifen, die ihn angegriffen haben.

Stickig ist die Luft im kleinen Raum, aufgeheizt von den vielen Menschen, ihren Computern. Hildebrand rinnt Schweiss von der Stirn. «Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt nicht nur reglementskonform, sondern auch korrekt verhalten», sagt er.

hildebrand_philipp2Er schildert, dass seine Gattin schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin sei. Dass sie deshalb einen Teil des Vermögens in Dollar, den anderen in Franken halten. Dass sie am 18. Februar letzten Jahres ihr Ferienhaus im Berner Oberland für 3,3 Millionen Franken verkauft haben. Dass sie am 10. März 1,1 Millionen in Dollar umgetauscht haben.

Mal als «starke Frau», dann als «starke Persönlichkeit» beschreibt er seine Gattin Kashya (50).

Fast wäre er über sie gestolpert. Ohne sein Wissen habe sie am 15. August um 13.20 Uhr per E-Mail über ein gemeinsames Konto Dollars für 384 142 Franken gekauft. Er habe am selben Tag nur für das Ausbildungs-Konto seiner Tochter 20 000 Dollar gekauft.

Am nächsten Morgen las er ein Bestätigungs-Mail zum ­Dollar-Kauf seiner Frau. Um 7.36 Uhr teilte er seinem Sarasin-Kundenberater mit, dass seine Ehefrau künftig ohne sein Wissen keine Devisen mehr handeln dürfe.

Diese Schilderung klärt vieles – ein Beweis für Hildebrands Unschuld ist sie nicht. Solange aber die Gegenseite keine Beweise für Insidergeschäfte offen­legt, gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Den 75 000-Fr.-­Gewinn, den er einstrich, als er am 4. Oktober 516 000 Dollar verkaufte, spendete Hildebrand der Schweizer Berghilfe.

Eine halbe Stunde lang beantwortet er Fragen. Mit seinem Anwalt bespreche er, ob er rechtliche Schritte einleite – so wohl gegen Pressetitel, die ihn als «Gauner» bezeichneten.

Betroffen wirkt Hildebrand auf die BLICK-Frage, wie es seiner Frau gehe. «Es ist eine schwierige Situation, wir hatten noch nicht viel Zeit zum Reden.» Wusste er vom Mail, das sie an «10 vor 10» gesandt hatte? Sie schrieb darin, der Dollar sei «lächerlich tief» gewesen. Hildebrand zieht die Augenbrauen hoch, atmet tief. «Ich habe von diesem Mail nichts gewusst», sagt er. «Ich war in Frankfurt.» Er sagt: «Aber ich verstehe es.»

Künftig werde er transparenter über seine Finanzgeschäfte berichten. «In extremen Situationen gibt es sowieso keine Privatsphäre mehr.» Zurücktreten werde er nicht – solange Bankrat und Bundesrat zu ihm hielten.

Zuletzt zeigt er Reue. «Ich habe Fehler gemacht, ich bedauere sehr, was passiert ist.»

Am Abend sah BLICK Familie Hildebrand beim entspannten Abendessen im Restaurant Conti im Zürcher Seefeld.

Versöhnliches Ende eines schwierigen Tages
Ohne Krawatte ging Philipp Hildebrand (48) gestern Abend mit Frau Kashya (50) und Tochter Natalia (11) im feinen Zürcher Seefeld-Quartier bei seinem Stamm-Italiener Conti (14 Punkte von Gault Millau) essen. Er machte einen entspannten Eindruck. Die Familie sprach englisch. Um 21.58 Uhr verliess sie das Restaurant – nachdem Kashya Hildebrand die Rechnung bezahlt hatte.