“Er hat kein Herz, er ist ein Tier”

Er nahm ihnen die beiden kleinen Kinder, das Haus, den Lebenssinn. Dafür muss er 87 Jahre ins Gefängnis. Jetzt sprechen die Eltern über das Urteil.

Aufgezeichnet von Peter Hossli

ursVater Urs Gabathuler, 33
«Wir waren bei der Bekanntgabe des Strafmasses nicht dabei. Der Polizeiinspektor hat mir das Schreiben des Gerichts auf die Baustelle gebracht. 87 Jahre Haft? Die Strafe ist okay. Frühestens nach 43 Jahren hat er Anrecht auf Bewährung. So lange wird er keinen namibischen Knast überleben. Er ist jetzt 41, wird sicher hinter Gittern sterben, was gut ist.
Todesstrafe? Da bin ich dagegen. Mir ist lieber, er schmort in der Zelle und muss jeden Tag daran denken, warum er dort ist. Zum Glück sitzt er in Namibia. In der Schweiz wäre er nach ein paar Jahren wieder auf freiem Fuss. Das ist hier nicht möglich. Eine Woche vor der Verurteilung habe ich vor Gericht ausgesagt, etwa fünf Minuten lang. Der Richter fragte, ob es meine Kinder seien. Zum ersten Mal seit dem Mord traf ich den Täter wieder. Für mich war es wichtig, ihn nochmals zu sehen, ich wollte ihm in die Augen schauen. Er aber starrte ständig auf den Boden, vermutlich, weil er sich nicht traute, mich anzusehen. Die Begegnung hat bei mir weniger starke Gefühle ausgelöst, als ich dachte. Ich blieb erstaunlich ruhig. Er bereut, was er getan hat, da bin ich mir sicher. Seine Familie hat uns eine Entschuldigung von ihm ausrichten lassen. Darauf fragte uns sein Anwalt, ob wir ihm jetzt vergeben. Zwar schliesst das Urteil einen Teil des Falls ab. Vergeben aber werde ich ihm niemals können. Meine Kinder kann ich nie vergessen.»

anstaMutter Ansta Gabathuler, 35
«Es macht mich wütend, dass am Prozess nur über Eifersucht als Motiv gesprochen wurde. Meine Kinder haben doch nichts mit seiner Freundin zu tun. Als er ins Haus kam, tötete er zuerst das Baby. Das Baby war nicht seine Freundin. Es ist doch nicht möglich, dass er wütend war auf mein Baby – oder auf uns. Wir haben ihm Arbeit gegeben, und wir haben ihm einen Lohn bezahlt. Er aber hat uns alles genommen. Ich will einfach nur wissen, warum er das alles getan hat. Die Antwort auf diese Frage ist mir sehr wichtig. Während der Anhörung habe ich ihn angeschaut. Dabei ist bei mir die ganze Wut nochmals hochgekommen. Da habe ich einfach in den Saal gerufen: ‹Warum hast du das getan?› Bevor er antworten konnte, schritt der Richter ein und stoppte ihn. Das Strafmass entspricht den Gesetzen von Namibia, das akzeptiere ich. Per SMS aus der Schweiz erfuhr ich es. Es wurde am Schweizer Radio vermeldet, bevor wir es wussten. Wäre ich Richterin, erhielte er eine andere Strafe. Ich würde ihm ein Messer geben. Er müsste sich selbst stechen und dann anzünden – sodass er fühlt, wie viel Schmerz meine Kinder empfunden haben. Sie waren ja noch lebendig, als er ihnen das antat. So einer hat kein Herz. So einer ist ein Tier. Vergeben kann ich ihm nie. Ich werde meine Kinder nie mehr in den Händen halten, kann sie nie mehr sehen. Seine Eltern können ihn besuchen, er kann essen und trinken, hat einen Ort zum Schlafen. Das alles haben meine Babys nicht mehr. Nur, wenn ich sehr viel zu tun habe, denke ich nicht an sie. Sobald es ein bisschen ruhig wird, sehe ich die Kleinen. Das Haus, das er abgebrannt hatte, ist wieder aufgebaut. Unser Sohn Xolani ist ein Jahr und acht Monate alt. Es geht ihm gut. Er erinnert mich an Ndele, meinen ersten Sohn. Sie sehen sich ähnlich, er hat die gleichen Augen und Augenbraunen, die Haut ist hell, wie bei Ndele. Er ist ein wenig zarter gebaut.»