Von Peter Hossli
Die Tage von Carsten Kengeter (44) sollen gezählt sein. Einen raschen Rauswurf verdiene der deutsche Chef der UBS-Investmentbank.
Schon mehrmals gefordert hat das die NZZ. Ebenso die Anlagestiftung Ethos. «Er hat versagt», notierte die «Aargauer Zeitung» unter dem Titel «Bad Bank, Bad Banker». Der miese Banker? Das sei Kengeter. Mit 9,3 Millionen Franken Vergütung ist er der bestbezahlte UBS-Angestellte. «In seiner Abteilung kann ein Einzelner offenbar fuhrwerken, wie es ihm beliebt.» Gemeint ist der Handelsverlust von 1,8 Milliarden Franken in London.
Dabei ist seine Stelle gesichert, Kengeter eine Art Bruce Willis der UBS.
Der öffentlich Gescholtene hat die Bank vor der Katastrophe bewahrt, wissen CEO Sergio Ermotti und der UBS-Verwaltungsrat. Wie Action-Star Willis in «Armageddon» und «Die Hard», stellte sich Kengeter der Gefahr – und entschärfte sie.
Einen «guten Job als Krisenmanager» habe er nach dem Betrugsfall in London gemacht, sagte VR-Präsident Kaspar Villiger zu BLICK. Es ist eine masslose Untertreibung. «Unermesslich hoch» wäre der Schaden für die UBS ausgefallen, «hätte Kengeter falsch reagiert», sagt der Handelschef einer Schweizer Bank. «Theoretisch unbegrenzt hoch.»
Zehn Milliarden Dollar betrugen die offenen Positionen von Kweku Adoboli, als er am 14. September aufflog, einem Mittwochnachmittag. Diese Summe nannte Ex-UBS-Chef Oswald Grübel letzte Woche erstmals in der «Basler Zeitung». Am Freitag betrug der Verlust 2 Milliarden Dollar. Fieberhaft hatte Kengeters Team die Löcher gestopft.
Nicht bloss acht Milliarden brachten sie ins Trockene. Investmentbanker Kengeter war klar: kennt jemand Adobolis offene Positionen, kann er dagegen wetten und «die UBS plattmachen», erklärt ein Trader.
Fatal, wenn Adoboli vornehmlich offene Leerverkäufe gehabt hätte, «short sales», so der Jargon. Gemeint sind Papiere, die ein Händler zu einem fixen Preis an einem fixen Tag anbietet, ohne sie zu besitzen. Er hofft, sie am Stichtag günstiger zu kaufen als er sie verkaufen kann.
Kennen andere die Preise, spekulieren sie dagegen. Und saugen wie schwarze Löcher riesige Summen weg. Insbesondere, wenn die Leerverkäufe auf Pump – «leveraged» – getätigt waren.
Die UBS schweigt. Details zum Betrug darf sie erst nennen, wenn der Strafprozess gegen Adoboli abgeschlossen ist.
Wie professionell Kengeter gehandelt hatte, zeigt der Vergleich zum Fall des Société-Générale-Händlers Jérôme Kerviel. Der Betrüger bescherte der Bank im Januar 2008 einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro. Als er aufflog, lagen die offenen Positionen lediglich 1,5 Milliarden Euro im Minus. Die zusätzliche Einbusse von 3,4 Milliarden Euro entstand, weil französische Krisenmanager überhastet reagierten. Panikartig wickelten sie Kerviels Geschäfte ab. Prompt riss das hektische Treiben in Paris die europäischen Börsen in die Tiefe.
Nachdem aber Adoboli aufflog, stiegen die Aktienkurse.