Von Peter Hossli
Gestern in der Früh. Sanft taucht der Airbus 330-300 der Swiss in den dichten Nebel ein, der Zürich verhüllt. Mit einem kurzen Ruck setzt der Jet um 7.25 Uhr auf der Rollbahn auf. Aus New York gelandet ist die LX 17.
Auf einem der besseren Plätze sitzt UBS-Chef Sergio Ermotti. «Eine perfekte Landung», sagt der Pilot. Sie erfolgte automatisch. «Unter solch schwierigen Bedingungen kann man nicht ohne Hilfe aufsetzen.»
Rasch passiert Ermotti die Passkontrolle und eilt ins wohlverdiente Wochenende. Schwierig seien die Bedingungen auch für Investmentbanker, sagte er zwei Tage zuvor an der Tagung der Investoren in New York. Deshalb schrumpfe die UBS jetzt diese Sparte. Es ist ein Trend, den die ganze Branche erfasst hat. «Die letzten Jahre waren eine Anomalie. Das Investmentbanking wird auf das Niveau der Neunzigerjahre zurückfallen», sagte Ermotti im Herbert-Hoover-Raum im vierten Stock des Waldorf-Astoria. Ex-US-Präsident Hoover wohnte einst im ehrwürdigen Hotel, ebenso die Gangster Bugsy Siegel und Lucky Luciano.
Mit seiner Prognose trifft Ermotti den Nerv des weltweit wichtigsten Finanzplatzes. Besonders heftig darbt die Branche in New York. Passé sind die Jubeljahre 2003 bis 2007, als astronomische Bankenprofite die Stadtkasse mit Steuergeldern füllten. Als schicke Restaurants voll waren mit BoniBankern, die Kriminalität niedrig – und der Handel mit Porsches und Luxuswohnungen florierte.
Für eine unterkühlte Stimmung sorgte an der UBS-Tagung daher nicht nur die surrende Klimaanlage. Unweit des Waldorfs betreten Banker meist gebückt die verglasten Bürotürme. Demonstranten stempeln sie seit Monaten zu Bösewichten. Ständig stottern die Börsen.
Weitere 10000 Stellen gehen nächstes Jahr im New Yorker Finanzsektor verloren, prophezeit der staatliche Rechnungsprüfer. Bereits über 32000 Jobs haben New Yorks Banken und Versicherungen seit 2008 gestrichen. Immens die Steuerausfälle, angesichts des durchschnittlichen Banker-Gehalts von 361330 Dollar pro Jahr.
Kein Wunder, liegen bei New Yorks Finanzjongleuren die Nerven blank. Zur selben Zeit, als Ermotti (51) das düstere Bild der Investmentbanken zeichnet, demonstrieren sechs Kilometer entfernt, im Süden Manhattans, Banker in Anzug und Krawatte – gegen die «Occupy Wall Street»-Bewegung.
Handbemalte Schilder halten sie hoch. «Get A Job» (Such dir Arbeit) steht auf einem, «Occupy A Desk» (Setz dich ans Pult) auf einem anderen. Leid seien sie es, auf dem Weg zur Arbeit täglich angepöbelt zu werden, sagt einer in die Mikrofone der Journalisten. «Wir arbeiten und zahlen Steuern, damit die Stadt die Abfälle der Protestler wegräumen, die Polizei die Sicherheit aller gewährleistet.»
Eine Passantin spendet Beifall. «New York kann sich nicht mehr lange solche Demonstrationen leisten.» Abends steht die Polizei erneut im Einsatz, dämmt in der Nähe der Brooklyn Bridge Scharmützel ein, verhaftet Leute.
Zumindest ein Problem lindert die Bankenkrise – die von ständigen Wechseln angeheizte Lohnspirale. Auf die Frage, ob die UBS trotz angekündigter Schrumpfkur ihre teuren Top-Banker halten könne, meinte Ermotti im noblen Waldorf trocken: «Wo sollen all die Star-Banker denn hingehen?»