Um 12.06 Uhr steigt Ermotti auf die dunkle Bühne

UBS-Chef Sergio Ermotti verspricht an der Tagung für Investoren in New York, die Schweizer Grossbank UBS zu verschlanken und zu stärken.

Von Peter Hossli (Text) und Michael Mella (Fotos)

sergio_ermotti1Hustend eilt Sergio Ermotti die Treppe hoch, hält die Hand vor den Mund. Zwischen zwei Fingern hält er ein abgebissenes Salzgebäck. Er hat sich daran verschluckt. «Hello, Sir», grüsst ein Wächter und zieht für den UBS-Chef eine Spiegeltüre auf. Sie führt in den Empire Room, einen pompösen Saal mit gewölbter Decke im Erdgeschoss des Waldorf Astoria, des ehrwürdig abgetakelten Luxushotels an der Park Avenue in New York.

Zum «Investor Day» lädt die UBS an diesem trüben Donnerstag, zur Tagung für Investoren. Das tut die Grossbank jedes Jahr. Heuer aber ist alles anders. Erstmals spricht Ermotti als offizieller CEO über die Zukunft und die Strategie der Bank.

Ausgerechnet in New York. Hier in den USA begann der Fall des stolzen Geldhauses. Milliarden verlor die UBS mit faulen US-Hypotheken. Ihre Banker schleusten für reiche Amerikaner Gelder am Fiskus vorbei. Was am Image der UBS kratzte – und das Bankgeheimnis knickte.

Um 12.06 Uhr steigt Ermotti auf die viel zu dunkle Bühne. Über ihm hängt ein defekter Kronleuchter. Wie gewohnt trägt er zum Anzug eine hellblaue Krawatte. Er zieht die Lesebrille an und grüsst charmant auf Englisch mit italienischem Akzent. Alle Stühle sind besetzt. Anleger sitzen vorne, die paar wenigen Journalisten hinten.

Überraschungen habe er keine, sagt er. Die UBS, sagt er optimistisch, agiere «aus einer Position der Stärke». Schrumpfen werde er die Schweizer Bank, damit sie bald wieder wachse.

Es ist ein trockener Vortrag, keine packende Rede, gespickt mit technischen Details, frei von humorvollen Pausen. Etwas gar stoisch liest er ab, selten nur schaut er in den Raum. Das Geschäft mit reichen Kunden stehe bei UBS nun im Zentrum. Fokussierter und weniger komplex werde das Investmentbanking bald aufgestellt sein, sagt Ermotti.

Damit einher gehe ein Personalrückgang von derzeit 18000 Investmentbankern auf 16 000.

Bis 2013 soll die UBS eine Rendite auf dem eingesetzten Kapital von 12 bis 17 Prozent erzielen. Unter Vorgänger Oswald Grübel waren es noch 15 bis 20 Prozent. Für das laufende Geschäftsjahr schlägt Ermotti eine Dividende von 10 Rappen pro Aktie vor.

Ermotti schliesst: «Nichts ist für die UBS wertvoller als ihr Ruf.»

Mit einer Minute Verspätung übergibt er an Finanzchef Tom Naratil. Der legt dar, wie die UBS die Bilanz und die Risiken reduziert hat. «Bezüglich Kapital sind wir der Konkurrenz überlegen», sagt Naratil.

Einen ersten Witz landet ausgerechnet der oft kritisierte Chef der Investmentbank, Carsten Kengeter: «Ich hoffe, sie flicken den Kronleuchter noch heute.» Kurz nur lacht der Saal. Denn: «Für Banken ist die Welt anspruchsvoller geworden», so Kengeter. Er legt dar, wie er die Investmentbank reduzieren und auf Kunden zuschreiben will.

Um 13.30 Uhr beginnt die Fragestunde für Anleger. Ermotti stellt sich zwischen Kengeter und Naratil. Notiert Fragen, die an ihn gerichtet sind – und gibt sie gleich weiter. «Carsten beantwortet die erste und dritte Frage, Tom die zweite.»

Während seine Leute reden, steht er reglos da, das Jackett offen, die Hände in den Hosentaschen, der Blick ins Publikum. Er markiert: Er ist hier der Chef.

sergio_ermotti2Um 14 Uhr ist Pause. Nicht für Ermotti. Im vierten Stock stellt er sich der Presse. Wirkt sichtlich entspannter, lächelt vier Journalistinnen in der vordersten Reihe zu, erlaubt sich gar einen Flirt. Aus den Lautsprechern dröhnt Musik. «Ist das etwa eine Party?»

Ob er zu rasch CEO geworden sei, will eine amerikanische Journalistin wissen. Antwort: «Für mich war das Timing gerade richtig.»

Wie sieht er die Situation in Europa? «Sehr fragil.» Zum Handeln gezwungen seien die Politiker. «Europa muss die Sozialsysteme reduzieren und die Produktivität erhöhen.»

Wie will er seine Star-Banker halten, wenn der Bonus-Pool schrumpft? «Wir zahlen die guten Leute gut.» Überhaupt: «Wo sollen all die Star-Banker denn hingehen?» Selbstsicher: «Vergessen Sie nicht, die UBS ist eine der am besten kapitalisierten Banken der Welt.»

Ein ehrwürdiger Kasten ist das Waldorf, wie das Hotel in New York heisst. Tagsüber checken Touristen ein, darunter viele Russen. Abends eilen Damen in langen Roben durch Gänge, auf der Suche nach dem richtigen Fest im richtigen Ballsaal.

In einen dieser Räume lud die UBS vor den Vorträgen zum Mittagessen. Sushi, Roastbeef und Hühnchen, Salat, Guetzli, Beeren. Einen Tomatensalat mit Mozzarella genehmigte sich Carsten Kengeter. «Pass auf die Presseleute auf», warnt ihn ein Sprecher der UBS, «da kannst du nicht offen reden.»

Um vier endet die Tagung. «Es ist Zeit für Cocktails», sagt Ermotti. Zaghaft ist der Applaus. An den Börsen sind die Kurse abgestürzt. Zur «Networking Reception» ist die Presse nicht zugelassen. Jetzt reden Banker und Anleger offen.