Die Queen klagt an

Am 20. Oktober eröffnet der Richter am Crown Court den Prozess gegen UBS-Händler Kweku Adoboli. Dessen Anwälte haben nur ein Ziel: die Grossbank so tief wie möglich in den Sumpf zu ziehen.

Von Peter Hossli

queenDer Verlust ist happig. 2,3 Milliarden Dollar soll UBS-Händler Kweku Adoboli (31) in London verspekuliert haben.

Ebenso happig ist die Strafe, die ihm bei einem Schuldspruch droht. Maximal 40 Jahre muss er hinter Gitter, zehn Jahre für jeden der vier gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Mit angriffslustigen Manövern will nun ein Team von Anwälten das Strafmass minimieren. Ins Visier nehmen sie die UBS. Als Komplizin versuchen sie die Bank anzuschwärzen, als Mitwisser einzelne ihrer Mitarbeiter.

Während Adobolis Verteidiger eisern schweigen, umschreibt der erfahrene britische Strafverteidiger Mark Spragg von Keystone Law ihre absehbare Strategie: «Die UBS sei schuld, werden sie sagen, sie liess Adoboli zu lange gewähren.»

Ein weiteres Argument der Advokaten: «Die internen Kontrollen haben versagt», so Spragg. Der Verteidiger werde vor die Geschworenen treten, ihnen in die Augen schauen und fragen: «Warum gingen nirgends die Warnlichter an?»

Spragg: «Vor allem eine Version wird die Verteidigung beweisen wollen – die Bank habe gewusst, was geschah, und sie habe den Tatverdächtigen nicht gestoppt.»

Wohl weil er anfänglich keine hohen Verluste erzielte.

Von Nachteil sei für die UBS, dass Adoboli die Bank über lange Zeit betrogen haben soll. Laut Anklage begann er am 1. Okt. 2008 – und stoppte erst vorletzte Woche, nachdem er aufgeflogen war.

Den Verlust von 2,3 Milliarden aber, sagt die UBS offiziell, erzielte er in den drei Monaten vor der Verhaftung.

Entweder liegt der Verlust höher, was die UBS nicht kommentiert. Oder Adoboli verbuchte mit unerlaubten Geschäften Gewinne für die Bank – was niemanden störte. Anders lässt sich der Widerspruch kaum erklären. Für die UBS ist all dies «Gegenstand der Untersuchung».

Doch Adobolis Anwälte werden vehement versuchen, so Spragg, der UBS kriminelle Gewinne anzulasten. Ein Vorwurf, den die Grossbank deutlich von sich weist: Bei Ungereimtheiten hätte sie sofort gehandelt. Absicherungsgeschäfte zu fälschen, sei kriminell, egal ob Profite oder Verluste resultieren.

«Das muss die UBS sagen», so der Handelschef einer Schweizer Bank. Die Realität sehe anders aus. Jede Bank könne betrogen werden, insbesondere in Europa, wo die Meldepflichten bei Handelsgeschäften lascher sind als in den USA.

Liefere ein gegen das Gesetz verstossender Trader gute Zahlen, «steigt nicht nur sein Bonus, sondern auch der seines Vorgesetzten». Überschreite ein Trader die Handelslimiten, tadle ihn der Chef. Aber er drücke bei einem Plus schon mal beide Augen zu. «Es menschelt auf Trading Floors.»

Kein Erbarmen hat Königin Elizabeth II. (85). Die Queen ist in England Anklägerin. Im Dienste Ihrer Majestät führt der Crown Prosecution Service die Klage gegen Adoboli.

Zwei Anwälte mit unterschiedlichen Befugnissen verteidigen den Ghanaer, so sieht es das englische Strafrecht vor. Patrick Gibbs vertritt ihn als Barrister. Vor Gericht trägt er die Argumente zu Gunsten des Angeklagten vor, ohne mit ihm zu reden. Diese Aufgabe fällt Louise Hodges als Solicitor zu Veröffentlichen US-Staatsanwälte stets detaillierte Anklageschriften, so fassen sich die Kläger der Krone kurz. Abgesehen von den knapp formulierten vier Anklagepunkten lassen sie nichts an die Öffentlichkeit.

Britische Richter schnauzen Verteidiger an, die mit gezielten Informationen die Presse bedienen. Selbst Reporter ermahnen sie. Publizieren diese wesentliche Informationen, droht ihnen eine Strafanzeige.

Rasch dürfte der Fall Adoboli abgewickelt sein, sagt Jurist Spragg. Zumal der Händler nicht auf Kaution frei ist. Bereits am 20. Oktober eröffnet der Richter am Crown Court den Prozess. «Wie plädieren Sie?», fragt er zum Auftakt. Bei «unschuldig» startet ein Verfahren mit Geschworenen. Bis Ende Jahr soll es abgeschlossen sein. Zumal Ihre Majestät angeschuldigte Untertanen ohne Urteil nicht allzu lange im Gefängnis belassen darf.

Bekennt sich Adoboli «schuldig», legt ein Richter bereits wenige Wochen später das Strafmass fest.

UBS-Banker am Zürcher Paradeplatz hoffen, dass die Höchststrafe verhängt wird. «Neuen Frust» habe der arglistige Händler weltweit in Büros und Kantinen der Bank getragen.

Der Bonus der Investmentbanker für 2011 ist wohl weg, verspekuliert vom Kollegen Kweku. Hier in der Schweiz leiden die Bankangestellten unter dem Reputationsverlust. Noch bis vor kurzem hatten viele gedacht, die UBS sei den Part des Prügelknaben endlich los.

Jetzt rufen UBS-Kaderleute wieder bei der Konkurrenz an und hoffen, neue Stellen zu finden. Aufs Neue verunglimpfen UBS-Kunden ihre Berater. Derweil erfreuen sich andere Finanzhäuser an Geldern, die ihnen von Konten bei der UBS zufliessen. Und deren Chefs erhalten Anrufe von UBS-Bankern, die das Adoboli-Debakel auf Jobsuche treibt.

Just letzten Montag erfuhr die UBS-Belegschaft in der Schweiz dann, wer unter das jüngste Sparprogramm fallen wird. Mit 3500 Entlassungen will die Grossbank zwei Milliarden Franken sparen. Ziemlich genau jene Summe, die Adoboli verloren hat. «Tragisch ist», sagt ein Banker, «dass Leute im Bereich Risk Control entlassen werden – mit dem Argument, dass wir die Risiken ja im Griff hätten.»

Kweku Adoboli belegt das Gegenteil.