Von Peter Hossli
Wenn Mahmud Abbas (77) nächste Woche vor dem Uno-Hauptgebäude am East River aus der dunklen Limousine steigt, hat er ein Schreiben an Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon (67) dabei.
Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah fordert darin die Aufnahme des besetzten palästinensischen Gebiets in die Uno – als Vollmitglied. Und die Anerkennung «des palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967».
Die diplomatische Gemeinde sieht sich vor eine Zerreissprobe gestellt. «Ein Phantom, das über uns schwebt», nennt der Schweizer Uno-Botschafter Paul Seger das Begehren der Palästinenser nach einem weltweit anerkannten Staat.
Die USA haben bereits ihr Veto im Sicherheitsrat angekündigt, dem Uno-Organ, das über neue Mitglieder befindet. Der Antrag gefährde den Friedensprozess, nie dürfe die Palästina-Frage von der politischen auf die juristische Bühne geraten, sagt Hillary Clinton (63). «Es gibt nur einen Weg für eine andauernde Lösung in Nahost», sagt die US-Aussenministerin, «direkte Verhandlungen.» Dieser Weg«führt von Jerusalem nach Ramallah, nicht nach New York».
Gerade weil diese Verhandlungen gescheitert sind, wenden sich die Palästinenser jetzt an die Uno, sagt Abbas. Schafft er – wie zu erwarten – die Hürde im Sicherheitsrat nicht, will er sein Anliegen in die Generalversammlung tragen. Ein befreundetes arabisches Land wird die Resolution einbringen. Im Jargon der Diplomaten soll das Papier den Status Palästinas von «beobachtender Einheit» zu «beobachtendem Staat» aufwerten. Die Chancen stehen gut. 129 von 193 Mitgliedsstaaten würden Ja sagen, rechnet ein Uno-Mann vor. Es wäre ein Status ohne Stimmrecht.
Weit wichtiger für die Palästinenser ist ohnehin, dass ein Beobachterstaat bei vielen Uno-Organisationen mitarbeiten darf, etwa der Unesco. Vor allem könnte Palästina am internationalen Strafgerichtshof klagen – etwa gegen Israel. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo (59) hat dies bereits angedeutet. Gefährlich für rund 500000 israelische Siedler auf der West Bank. Akzeptieren die UN die Grenzen von 1967, gelten sie als illegale Besetzer. Umgekehrt riskieren die Palästinenser, wegen Raketenangriffen auf Israel vor dem Haager Gericht zu landen.
Szenarien, welche die USA aufschrecken. Der Kongress, droht die Texanerin Kay Granger, Finanzkommissionsvorsitzende im Repräsentantenhaus, würde dann wohl die Finanzhilfe an die Palästinensische Autonomiebehörde stoppen. Für Mahmud Abbas wäre es das politische Ende. Die in Gaza operierende Hamas, laut USA und EU eine «terroristische Organisation», dürfte das Machtvakuum füllen.
Europa zeigt sich gespalten. Zwar verfolgt die EU seit 1980 die «Zweistaatenlösung», ein friedliches Nebeneinander von Israel und Palästina. Angesichts der explosiven Situation in Nahost fehlt vielen Europäern jedoch der politische Wille, den Status der Palästinenser zu ändern. Deutschland und die Holländer dürften in der Generalversammlung Nein sagen. Frankreich und Grossbritannien tendieren zum Ja.
«Die Schweiz ist nicht in die strategischen Diskussionen involviert», sagt EDA-Sprecher Adrian Sollberger, setze sich vielmehr für «sachbezogene Lösungen» ein.
Und schaut auf die EU, wie Uno-Botschafter Seger durchblicken lässt. «Wir sind nicht bekannt dafür, dass wir den Alleingang wählen.»
Seine Vorgesetzte Micheline Calmy-Rey (66) weilt bereits in New York. Setzt die Schweiz wie bisher konsequent auf eine «friedliche Lösung des Nahostkonflikts auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung», müsste die Aussenministerin Ja stimmen.