Von Peter Hossli und Daniel Meier
Das wird der Börsengang des Jahres, der grösste und sicher der spannendste. Denn mit Glencore wagt sich ein Imperium an die Öffentlichkeit, von dem man sich viel erzählt – aber wenig weiss.
Genau wie von Marc Rich (76), der die Firma 1974 in einer Vierzimmerwohnung in Zug gegründet hatte. Was sagt die lebende Legende Rich dazu, dass Glencore am 19. Mai an die Börse geht und damit ein neues Kapitel aufschlägt?
«Ich freue mich für Glencore», antwortet Rich im schriftlich geführten SonntagsBlick-Interview. «Dem Börsengang wünsche ich viel Erfolg.» Ein solcher Schritt wäre zu Richs Zeiten undenkbar gewesen. «Das stand damals nicht zur Debatte», sagt er. Künftig wird Glencore offener über sein Geschäft informieren müssen. Welche Geheimnisse werden gelüftet? Rich kann nichts sagen. Er ist nicht involviert.
Wer ihm begegnet, trifft einen scheuen Mann mit kräftigem Händedruck. Er hört zu. Spricht in kurzen Sätzen. Sagt weniger als die Menschen, die um ihn herum sitzen. Fragen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann, beantwortet er jeweils knapp mit Ja oder Nein.
Nicht kommentieren will er, warum der weltgrösste Rohstoffhändler ausgerechnet jetzt den Schritt an die Börse wagt. «Das müssen Sie Glencore fragen», sagt Rich. Er habe mit seinen Nachfolgern nicht über den Plan gesprochen. «Ich bin nicht der Berater von Glencore.»
Die Glencore-Aktien werden an den Börsen in London und Hongkong gehandelt, in Zürich sind sie nicht kotiert. Ist der Baarer Konzern überhaupt noch schweizerisch? Rich entgegnet klipp und klar: «Glencore ist so schweizerisch wie Nestlé, Roche und Novartis.» Und das dicke Lob: «Die Schweiz ist eine ausgezeichnete Basis für ein global tätiges Unternehmen.»
Der Mann ist eine Fabelfigur, ein mysteriöser Kaufmann, der einst mit Fidel Castro geschäftete. Geboren wurde er 1934 im belgischen Antwerpen. Die Familie flüchtete vor den Nazis über Marokko nach New York. 1983 wurde er in den USA der Steuerhinterziehung und illegaler Geschäfte mit Iran bezichtigt. Er zog im selben Jahr in die Schweiz. Zu einem Prozess kam es nie. 2001 begnadigte ihn US-Präsident Bill Clinton und sprach ihn von den Vorwürfen frei.
Und was, Herr Rich, hat Glencore noch gemein mit der einstigen Marc Rich + Co? «Die Geschichte ihrer Entstehung – und einige der führenden Köpfe im Unternehmen.» Die Glencore-Chefs gelten bis heute als «Rich-Boys». Das schürt Gerüchte, er halte nach wie vor engen Kontakt zur Firmenspitze. Wahr? Rich, der in Meggen LU und St. Moritz GR lebt, sagt es so: «Soweit noch Verbindungen da sind, sind sie rein privat.»
Am Geschäft ist er nach wie vor interessiert. Arbeit bedeute ihm alles, so Rich, der täglich bis zu vier Cohibas raucht. 2003 verkaufte er seine Anteile der Marc Rich + Co Investment. Heute sagt er: «Ich habe kein emotionales Verhältnis zu Rohstoffen.» Noch handelt er weltweit mit Liegenschaften, ist am Finanzmarkt tätig. Welche Ziele hat er noch? «Dass ich so lange wie möglich beruflich aktiv bleiben kann.»