“Strom wird in der Schweiz zur Mangelware”

Fünfzehn Jahre prägte der linke Zürcher Moritz Leuenberger die schweizerische Energiepolitik. Jetzt tritt er ab. Und lobt am Ende seiner Amtszeit die Atomkraft als saubere Energie.

Interview: Peter Hossli, Marcel Odermatt, Reza Rafi Foto: Michael Sieber

leuenbergerHerr Bundesrat Leuenberger, wie sparen Sie Strom?
Moritz Leuenberger: Indem ich das Licht ausmache.

Ende November stimmen die St. Galler über ein Geothermiekraftwerk ab. Was halten Sie von Strom aus Erdwärme?
Die Geothermie hat einen groben Rückschlag durch das Erdbeben in Basel erfahren, welches die Probebohrungen auslösten. Ich war aber immer der Meinung, dort liege für die Zukunft sehr viel drin. Das hoffe ich weiterhin.

Geothermie-Anhänger sagen, diese Art der Stromgewinnung sei weitaus effizienter als etwa Wind oder Solarstrom.
Es bringt nichts, die erneuerbaren Energien gegeneinander auszuspielen. Geothermie muss man fördern. Sie ist eine Zukunftsenergie – wie Wind- und Solarenergie.

Erneuerbare Energie reicht kaum, um die drohende Stromlücke zu schliessen. Es braucht Atomkraftwerke.
Das ist auch die Meinung des Gesamtbundesrats. Zumal Strom zur Mangelware wird. Wir verfolgen eine Vier-Säulen-Strategie. Neben Effizienz, erneuerbarer Energie und Auslandabsicherung gehören Grosskraftwerke dazu. Das können Gas- und Kernkraftwerke sein.

Der Streit um die Kernkraft ist heute weitaus weniger ausgeprägt. Warum?
In meiner Amtszeit habe ich das fakultative Referendum für Kernkraftwerke eingeführt. Das hat eine Entspannung gebracht, weil am Ende das Volk das letzte Wort haben wird. Es gibt zwar immer noch einen Glaubenskrieg zwischen Befürwortern und Gegnern. Doch er ist zahmer geworden. Bundesrat und Parlament können sich sagen: «Am Schluss entscheidet das Volk.» Und dieser Entscheid ist endgültig.

Was wird das Volk denn entscheiden?
Wesentlich wird das Ausmass der Stromknappheit sein.

Wird der Strom knapp, stimmen wir neuen Kernkraftwerken zu?
Erst wenn der Nachweis erbracht ist, dass alles Denkbare unternommen wurde, um die erneuerbaren Energien – Sonne, Wind, Geothermie – zu fördern, dürfte ein neues Kernkraftwerk an der Urne eine Chance haben. Darum haben die Kernkraft-Befürworter ein grosses Interesse daran, erneuerbare Energie zu unterstützen.

Wie wichtig ist für die Stromversorgung der Schweiz die Kernenergie?
Wir leben auch heute von Atomstrom. Wenn es um einen Ersatz eines Atomkraftwerks geht, das vom Netz muss, sind die Chancen grösser als für ein zusätzliches AKW.

Gemäss einer Studie der University of California müsste bis 2050 jeden Tag ein neues Kernkraftwerk ans Netz, um bei gleichbleibendem Wirtschaftswachstum den CO2-Ausstoss zu reduzieren.
Weltweit jeden Tag? Das scheint mir etwas gar viel. Aber nochmals: Die Kernenergie ist Bestandteil der bundesrätlichen Politik. Sie produziert nahezu CO2-freien Strom. Das ist klimapolitisch nicht zu unterschätzen.

Die Euphorie für erneuerbare Energie ist kleiner als noch vor einigen Jahren.
Diese Meinung teile ich nicht. Sie können die Euphorie ja nicht einfach an den Zeitungsartikeln messen. Wir hatten einen gewaltigen Schub, nicht zuletzt durch die kostendeckende Einspeisevergütung für Solarstrom, der jetzt immer billiger wird.

Vermehrt unter Beschuss kommt die Windenergie. Menschen, die nahe bei Windkraftwerken leben, werden krank.
Das ist ein klassischer Zielkonflikt zwischen verschiedenen Interessen. Auch Landschaftsschützer protestieren gegen Windmühlen. Trotzdem erkenne ich keine allgemeine Tendenz gegen die erneuerbaren Energien – im Gegenteil.

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