“Die Schweiz ist eine Insel im kranken Europa”

Der Liechtensteiner Unternehmer Fritz Kaiser ist seit Jahren überzeugt: Nur die Verwaltung versteuerter Gelder hat Zukunft. Das sei ein lukratives Geschäft.

Interview: Peter Hossli und Roman Seiler Bild: Sebastian Derungs

kaiser_webHerr Kaiser, die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat 13 deutsche Filialen der Credit Suisse durchsucht. Wie interpretieren Sie diese spektakuläre Aktion?
Fritz Kaiser: Deutschland braucht dringend Geld und hat bereits 2008 bewiesen, dass es in Steuerfragen gerne auch spektakulär vorgeht. Dies wird zum Merkmal der deutschen Erziehungskampagne. Für betroffene Kunden und Banken kann dies leider sehr ungemütlich werden.

Die Deutschen kopieren offenbar die Amerikaner. Alle wollen unser Bankgeheimnis knacken.
Es geht nicht nur um Konflikte zwischen Deutschland, den USA und der Schweiz. Das Bankgeheimnis als Schutz bei Steuerhinterziehung wird rund um den Globus nicht mehr toleriert. Wegen der Finanzund Wirtschaftskrise hat sich der Druck verschärft und die Konflikte spitzen sich zu.

Das führte zu Angriffen auf Liechtensteiner und Schweizer Banken. Hat die Vermögensverwaltung noch Zukunft?
Ja, mit versteuerten Vermögen. Europa und die USA sind krank, einzelne Länder sogar todkrank. Wohlhabende Menschen in diesen Ländern überlegen sich daher, wie und wo sie ihr Vermögen langfristig für die nächste Generation sichern können. Da hat die Schweiz eine Riesenchance.

Warum?
Die USA und Europa sind enorm verschuldet. Es herrscht ein Klima der Verunsicherung. Reiche werden wegen dem Steuerthema verfolgt und an den Pranger gestellt. Die Schweiz ist im Vergleich dazu ein Paradies. Sie ist politisch stabil, hat den Haushalt im Griff, ein liberales Klima, professionelle Banken und akzeptable Steuergrössen. Ähnliches gilt für Liechtenstein. Kein Wunder, ist die Schweiz bei Ausländern hoch im Kurs.

Obwohl sie jetzt kein unversteuertes Geld mehr in die Schweiz bringen können?
Der Wunsch nach Privatsphäre wird weltweit wachsen. Wer Steuern zahlt und sich auch sonst legal verhält, soll ein Anrecht auf die Diskretion seiner Finanzdaten haben. Dies kann das Bankgeheimnis – minus Steuerhinterziehung – gewähren. Für die Schweiz und Liechtenstein bleibt ein überarbeitetes Bankgeheimnis zentral.

Wenn diese Länder kein Schwarzgeld akzeptieren, fliesst es halt nach Panama und Asien.
Längerfristig wohl kaum. Das lassen die vereinten Schuldennationen Europas und der USA nicht mehr zu. Diese Länder benötigen dringend Einnahmen und akzeptieren nicht mehr, dass Vermögende keine Steuern zahlen. Hongkong und Singapur akzeptieren die OECD-Standards und auch Panama wird dem Druck nicht standhalten. Aus solchen Ländern fliesst bereits wieder Geld in die Schweiz – vermutlich versteuertes.

Tönt gut. Aber auch Sie verlieren Kundengelder. 2009 waren es immerhin drei von 28 Milliarden Franken.
Wir stellen uns der Veränderung im Markt, seit ich 2006 die Verantwortung als Unternehmer für die Gruppe übernommen habe. Wir erklären unseren Kunden die neuen Realitäten und weisen auf deren Risiken hin. Und wir helfen mit neuen Lösungen. Die meisten Kunden sind dafür dankbar.

Nochmals: Das führt zu Abflüssen von betreuten Vermögen.
Geschäfte, die nicht zu uns passen, bauen wir ab. Das ist ein normaler Prozess. Er wird weitergehen. Die Schweiz wird in den nächsten Jahren eine schmerzhafte Bereinigungsphase durchmachen – wie auch Liechtenstein und andere Finanzplätze, die Gelder von Kunden im Ausland verwalten.

Weniger Vermögenswerte heisst weniger verdienen.
Nicht unbedingt. Wir werden in Liechtenstein in Zukunft mit weniger Kunden bessere Geschäfte machen. Nach unseren Szenarien wird sich unsere Philosophie auszahlen. Die ersten kritischen Jahre haben wir bereits sehr gut gemeistert. Nicht umsonst schliessen sich uns immer mehr namhafte Persönlichkeiten an. Auch daher sind die von der Bank der Gruppe verwalteten Vermögen 2009 um 25 Prozent gewachsen.

Ein Kunde, der Steuern zahlt, ist kostensensitiver und will eine bessere Rendite. Ihre Marge sinkt.
Den Druck auf die Margen wird es geben, denn ein Kunde ohne Steuervorteil wird kostensensibler. Er verlangt in der Schweiz die gleichen Konditionen, die er in seiner Heimat hätte. Gleichzeitig wird das Bankgeschäft wegen der zunehmenden Überregulierung teurer. Wir müssen uns in der Schweiz und in Liechtenstein dem internationalen Wettbewerb stellen. Und wir sollten das Selbstvertrauen haben, diese Herausforderung gut meistern zu können.

Immerhin schläft besser, wer seine Steuern bezahlt. Auch Sie wollen nur noch versteuertes Geld verwalten, um gut zu schlafen.
Ich schlafe gut, weil wir unsere Hausaufgaben laufend machen.

In der Branche heisst es, Sie hätten sich für die Weissgeldstrategie entschieden, weil die USA Ihnen auf die Füsse treten wollten.
Alle Banken hatten dieses Risiko – viele sogar noch heute. Wir haben die Lage sauber analysiert, die Risiken rechtzeitig erkannt und vorbeugend gehandelt. So haben wir für US-Kunden gangbare Lösungen entwickelt und bauen damit ein neues Geschäft auf.

Wie wird man die unversteuerten Altlasten vieler Kunden los?
Indem man sich den Realitäten stellt und zukunftsgerichtete, nachhaltige Lösungen für Kunden entwickelt. Dazu braucht es den Schulterschluss von Staat und Finanzindustrie. Und man muss proaktiv mit Lösungen auf andere Staaten zugehen.

Mit welcher Strategie?
In Liechtenstein haben wir eine gute Lösung mit England gefunden. Die Kunden sind nun bereit, ihr altes Steuerthema zu regeln, und die Engländer erhalten ihre Steuern. Die Banken und Treuhänder haben das Risiko der strafrechtlichen Verfolgung reduziert und obendrein sind mit diesem Abkommen bereits in den letzten Monaten Hunderte neue Kunden nach Liechtenstein gekommen.

Braucht es eine Amnestie?
Amnestien sind oft mit der Bedingung verknüpft, dass das Geld ins Land zurückgeführt werden muss. Italien hat dies grade so gemacht. Die Kunden wollen dies nicht wirklich und die Schweiz auch nicht. Schliesslich will man das Geld weiterhin in der Schweiz verwalten. Mit klugen bilateralen Vereinbarungen kann man mehrere Interessen unter einen Hut bringen.

Wäre die Abgeltungssteuer eine solche Lösung?
Die Idee der Abgeltungssteuer ist eine alte Abwehrstrategie, die allenfalls als Übergangslösung tauglich wäre. Ich befürchte jedoch, dass es dafür zu spät ist. Vermutlich fehlt dazu auch die Vertrauensbasis in den wichtigen Staaten. Sie löst das Problem der Altlasten nicht wirklich.

Wir Schweizer müssten Deals abschliessen wie Liechtenstein mit Grossbritannien. Doch im Ländle ist das einfacher: Es hat einen Fürsten und einen Kaiser.
Die Schweiz hat viele kluge und mutige Menschen und ist eine gesunde, vertrauensvolle Private-Banking-Insel im kranken Europa. Sie hat alle Voraussetzungen, um die Führerschaft zur Lösung des globalen Problems der nicht versteuerten Vermögen zu übernehmen. Dies ist eine einmalige Chance zur Profilierung des Bankenplatzes.

Ihre Vermögensverwaltungs-Gruppe befindet sich in Vaduz. Sie loben die Schweiz. Wann kaufen Sie eine Schweizer Bank?
In unserer Strategie spielt die Schweiz eine wichtige Rolle für die Vermögensverwaltung. Wir glauben an diesen Standort und wollen in den nächsten Jahren verstärkt auch von der Schweiz aus international tätig werden. Liechtenstein wird mit den Stiftungen international seinen Platz behaupten.

Wann erfolgt Ihr Markteintritt?
Wir haben bereits einen kleinen Vermögensverwalter für US-Kunden in Zollikon und betreiben da unser Kompetenzzentrum für verantwortliches Investieren. Wir stellen dort auch laufend Leute für andere Märkte ein. Zudem sind wir an Partnerschaften mit Gleichgesinnten interessiert. Auch der Kauf eines Vermögensverwaltungs-Instituts könnte Sinn machen.

Seine ersten Karriereschritte machte Fritz Kaiser (55) in der Präsidialanstalt des Treuhänders Peter Ritter (72) in Vaduz, FL. 2006 fusionierte er sein Unternehmen mit dem von Ritter. Heute ist er Mehrheitsaktionär und Verwaltungsratspräsident von Kaiser Ritter Partner Gruppe. Zuvor war Kaiser Inhaber von Diners Club in der Schweiz und in Liechtenstein sowie Miteigentümer des einstigen Formel-1-Teams von Red Bull-Sauber. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und Vater von vier Kindern.