Das Arsenal der USA

Die USA werden ein Nein zum UBS-Staatsvertrag nicht einfach schlucken. Ihre Gesetze geben ihnen zwei Möglichkeiten, um gegen die Schweiz und die UBS heftig vorzugehen.

Von Peter Hossli (Text) und Mix & Remix (Illustration)

ubsDie amerikanische Steuerbehörde IRS erwartet, «dass die Schweizer Regierung die Auflagen des Staatsvertrags erfüllt». Das sagte nach dem Nein im Nationalrat ein Sprecher des IRS. Falls aber die Schweiz die Namen von 4450 UBS-Kunden nicht fristgerecht an die USA aushändige, sei der IRS «bereit, alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Schritte einzuleiten».

Die knappe Drohung spricht Bände. Offenbar liegen beim IRS fixfertige Pläne für Vergeltungsmassnahmen. Das unterstreicht das bewusst gewählte Wort «bereit». Eine «spektakuläre Aktion des IRS gegen die Schweiz» stehe «kurz bevor», sagt auch William Sharp, ein Anwalt steuersäumiger UBS-Kunden.

Zwei Möglichkeiten hat der IRS, um die Schweiz anzugreifen:

1. Er kann das US-Justizdepartement (DoJ) bitten, die durch den Staatsvertrag sistierte Zivilklage gegen die UBS zu reaktivieren. Mit der im Februar 2009 in Florida eingereichten Klage wollte der IRS die Herausgabe der Namen von 52 000 UBS-Kunden erzwingen.

2. Der IRS strengt über das DoJ eine weitere Zivilklage gegen eine oder mehrere andere Schweizer Banken an. Das erhöht den Druck auf den Schweizer Finanzplatz.

Fall eins betrifft die UBS und ist langwierig (siehe Box). Er kann in rund fünf Jahren in eine Strafanzeige gegen die UBS münden – mit fatalen Folgen. «Banken überstehen Strafanzeigen nicht», sagt John Coffee, Rechtsprofessor und Bankenexperte an der Columbia University in New York.

Fall zwei betrifft weitere Schweizer Banken.

«Das gesamte Arsenal» werde der IRS auf die Schweiz abschiessen, sagt Coffee. «Der IRS will Kundennamen, deshalb leitet er beide Schritte ein» – falls der Staatsvertrag scheitert.


MÖGLICHKEIT 1
: Wiederaufnahme der Zivilklage

Gemäss US-Rechtssystem läuft dies wie folgt ab:

1. Das Parlament lehnt den Staatsvertrag ab. Die Schweiz liefert an den IRS nicht wie vereinbart 4450 Namen von UBS-Kunden.

2. Das DoJ rollt in Florida die Zivilklage («John Doe summons») im Namen des IRS wieder auf, allerdings nur noch für 4450 UBS-Kunden. Der Richter beurteilt, ob das Gerichtsverfahren angemessen ist. Er akzeptiert die Klage.

3. Die UBS kann keine aussergerichtliche Einigung erzielen.

4. Der Zivilprozess beginnt. Die UBS verliert. Sie muss die Daten innert 30 Tagen herausgeben.

5. Die Bank legt beim Appellationsgericht Berufung ein.

6. Nach zwölf Monaten unterliegt die UBS in zweiter Instanz. Die Bank zieht den Fall weiter.

7. Der Oberste Gerichtshof nimmt ihn an. Er wird innert einem bis drei Jahren behandelt.

8. Die UBS verliert in letzter Instanz. Sie will das Bankgeheimnis nicht brechen und weigert sich weiter, Kundendaten herauszugeben.

9. Der IRS strebt einen Durchsetzungsbefehl an, mit dem er die Herausgabe der Kundendaten verlangt. Die UBS erfüllt ihn nicht.

10. Die UBS verletzt Paragraf 13 des Deferred Prosecution Agreement vom Februar 2009. Sie verhinderte damit eine Strafklage durch die Zahlung von 780 Millionen Dollar, die Herausgabe von rund 250 Kundennamen und die Zusicherung, sämtliche Auflagen der US-Regierung zu befolgen.

11. Das DoJ macht eine Strafanzeige gegen die UBS. Der Bank droht der Ruin.

MÖGLICHKEIT 2: Klage gegen andere Schweizer Banken

Das DoJ reicht gegen weitere Schweizer Banken eine sogenannte John Doe summons ein. Das ist ein Pauschalverfahren gegen namentlich unbekannte US-Kunden, die mit Hilfe der verzeigten Bank den Fiskus hintergangen hatten.

Solche Verfahren akzeptieren US-Gerichte, falls der Kläger einen «hinreichenden Verdacht» darlegen kann. Hoch ist die Hürde nicht. 40 verdächtige US-Kunden pro Bank reichen. «Der IRS besitzt genügend Hinweise, um Zivilklagen gegen weitere Schweizer Banken anzustrengen», weiss Professor John Coffee von der ColumbiaUniversity.

Das Datenmaterial lieferten die Bankkunden direkt an die Steuerbehörde. Reuige Steuersäumer konnten sich letztes Jahr in einem Amnestieverfahren anzeigen. Sie bezahlten eine Busse und nannten dem IRS die Namen von Bank und Bankern, mit denen sie am Fiskus vorbeigeschäfteten. So entkamen sie einer Strafverfolgung.

Insgesamt zeigten sich 16 000 US-Bürger selbst an. Nur rund 4000 von ihnen hatten ein UBS-Konto. Die restlichen versteckten ihr Geld bei anderen Banken, viele in der Schweiz.

Durch die Selbstanzeige liefern die US-Kunden ihre Schweizer Bank ans Messer.