Interview: Peter Hossli Fotos: Charly Kurz
Mister Olenicoff, Sie verklagen die UBS auf 500 Millionen Dollar Schadenersatz. Warum?
Igor Olenicoff: Die UBS hat mich betrogen mit dem Slogan «UBS – You and Us». Ich vertraute ihr und dachte, die Bank kümmere sich wirklich um ihre Kunden. Stattdessen bedienten mich skrupellose Manager, die sich nur persönlich bereichern wollten.
Das sind gewagte Worte für einen geständigen Steuerbetrüger.
Meine Vergehen sind im Vergleich zu den Taten der UBS ja geringfügig. Ich habe im Jahr 2002 einen kleinen Zinsbetrag nicht deklariert. Das habe ich zugegeben – und dafür Nachsteuern bezahlt.
Gegen Sie wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Sie mussten eine Busse von 52 Millionen Dollar zahlen. Das ist keine Kleinigkeit.
Leider – oder zum Glück – überweise ich dem Finanzamt öfter Beträge in dieser Grössenordnung.
Sie haben mit Hilfe der UBS enorme Summen an Steuern hinterzogen – und verklagen deswegen die Bank. Das ist absurd.
So argumentierten die Anwälte der UBS. Richter Andrew Guilford hat jetzt aber anders und in meinem Sinn entschieden. Er lässt meine Klage in fast allen Punkten stehen. Damit räumt er das wichtigste Argument der UBS vom Tisch. Für die UBS ist das ein schwerer Schlag.
Nochmals: Sie sind der Verbrecher. Gewisse UBS-Banker waren Ihnen bloss behilflich.
Der US-Staatsanwalt fragte mich: «Herr Olenicoff, haben Sie auf Ihrer Steuererklärung ausländisches Einkommen nicht deklariert?» «Ja», antwortete ich. Damit galt ich als schuldig. Für die USA war die Sache erledigt. Jetzt ist es an mir zu zeigen, wie die UBS mich hereingelegt hat.
Wie bitte, Sie sind das Opfer?
Die UBS hat mir immer gesagt, alles sei regelkonform. Das Abkommen der US-Steuerbehörde mit Auslandbanken, das QI, werde nicht verletzt. Hätte ich gewusst, dass die Bank das ständig tut, wäre ich sofort eingeschritten.
Wie geht es weiter?
Wir verlangen von der UBS alle relevanten Dokumente zu meinem Fall. Gleichzeitig laden wir jetzige und einstige UBS-Topleute zu eidesstattlichen Aussagen ein.
Wen werden Sie vorladen?
All jene, die ich angeklagt habe, und die der Richter jetzt nicht von der Liste der Beklagten strich.
Etwas konkreter bitte.
Ich will, dass Peter Kurer vor Gericht in Kalifornien aussagen muss. Er und weitere UBS-Manager sollen sich den Geschworenen stellen. Dazu zählen Bradley Birkenfeld, Raoul Weil, Martin Liechti. Zudem laden wir UBS-Leute als Zeugen vor, die ohne Lizenz in den USA Kunden besuchten. Viele arbeiten noch immer bei der UBS.
Ex-UBS-Manager bestreiten, gewusst zu haben, dass Ihnen Birkenfeld beim Steuerbetrug half.
Dann haben sie die UBS mit Scheuklappen geführt, was ja nicht gerade im Interesse der Kunden und Aktionäre ist. Die UBS-Leute werden vor Gericht jede Schuld abstreiten. Da ich das Gegenteil belegen kann, begehen sie Meineid.
Wann ist der Fall abgeschlossen?
Das hängt von der UBS ab. Sie hat die Möglichkeit, den Fall rasch zu erledigen – oder sie riskiert ein langwieriges Gerichtsverfahren. Forsetzung von Seite 27Eines bin ich mir aber sicher: Am Schluss werde ich siegen.
Woher die Siegessicherheit?
Wir haben sämtliche Beweismittel, um die Schuld der UBS darzulegen. Täglich erhalten wir neues Material. Es gibt einen Lehrfilm für UBS-Banker, der sie darin schult, wie sie US-Kunden beraten sollen.
Interessant. Kann ich ihn sehen?
Sorry, das geht noch nicht. Der Prozess wird aber viele Fakten ans Licht bringen, die sehr peinlich sind für die Schweiz, die UBS und den gesamten Schweizer Finanzplatz.
Das sind bis jetzt leere Drohungen. Wie soll ich Ihnen glauben, dass Sie etwas Brisantes gegen die UBS in der Hand haben?
Das meiste ist ja schon bekannt. Die UBS täte gut daran, meine Vorwürfe unter Eid nicht abzustreiten. Sonst begeht sie Meineid.
Mit Ihnen begann der Steuerstreit zwischen den USA und der Schweiz. Gefällt Ihnen, das Bankgeheimnis wie kaum sonst jemand geschwächt zu haben?
Das habe ich nie beabsichtig. Die US-Regierung versucht seit Jahren, das Bankgeheimnis und den damit verbundenen Steuerbetrug zu stoppen. Ich war nur der Kieselstein, der eine Lawine ausgelöst hat.
Ihre Zivilklage treibt den Steuerstreit unnötig weiter. Was haben Sie gegen die Schweiz?
Weder will ich der UBS noch dem Schweizer Volk einen Schaden zufügen. Ich bewundere die Schweizer als selbstbewusste und aufrichtige Menschen. Leider hat ein fauler Apfel das System verdorben. Die UBS hat ja nicht nur von ihren Kunden, sondern von allen Schweizern gestohlen. Warum sind die Schweizer nicht wütender auf die UBS? Warum müssen die ehemaligen Manager nicht ins Gefängnis?
Auch Sie entkamen dem Zuchthaus nur, weil Sie bereitwillig aussagten.
Hätte sich das Finanzministerium nicht auf das Schweizer Bankgeheimnis eingeschossen, hätte niemand gegen mich ein Strafverfahren eröffnet. Ich wäre mit einer Busse davongekommen.
Was wollen Sie mit der Klage erreichen?
Meine Ehre wiederherstellen. Der Schaden für meinen Ruf und mein Unternehmen ist ja riesig. Ich glaube nicht, dass ich mich davon jemals wieder erholen kann.
Dann bringt Ihnen ja auch eine hohe Schadenersatzzahlung nichts.
Es geht mir nicht ums Geld. Der Schaden lässt sich nicht in Dollars aufrechnen. Jeden Cent, der mir vor Gericht zugesprochen wird, werde ich wohltätigen Organisationen spenden. Indem ich Geld für gute Zwecke auftreibe, stelle ich meine Ehre wieder her.
Sie scheinen eher einen Rachefeldzug gegen die UBS zu reiten.
Ich offeriere der Bank, sich mit mir sofort aussergerichtlich zu einigen und eine entsprechende Summe in ihrem Namen an eine Organisation ihres Willens zu spenden. So kann die UBS die Gabe sogar von den Steuern absetzen.
An wen soll die UBS spenden?
Ich persönlich helfe behinderten Kindern und unterstütze Forschung gegen Sehschwäche. Zudem setze ich mich gegen Missbrauch und die Ausrottung bedrohter Tiere ein.
Sie sind Milliardär. Wo liegt Ihr Geld heute?
Bei amerikanischen Banken.
Unter welchen Bedingungen würden Sie es wieder in der Schweiz anlegen?
Damals ging ich zu einer ausländischen Bank, weil ich meine Investitionen über die USA hinaus diversifizieren wollte. Ich kann mir vorstellen, das dereinst wieder zu tun. Aber erst, wenn die Schweizer Banken von Banditen und Betrügern gesäubert sind.
Die UBS nimmt Stellung: «UBS erachtet diese Klage und die erhobenen Vorwürfe als völlig unbegründet und wird sie energisch bekämpfen.» Peter Kurer lässt ausrichten, er habe von Olenicoffs Vorhaben «noch keinerlei Kenntnis».
Igor Olenicoff (68) ist gebürtiger Russe, US-Staatsbürger und mehrfacher Milliardär. Er lebt in Kalifornien und Florida. Sein Vermögen machte er mit Häuserbau. Er bekannte sich schuldig, mit Hilfe der UBS 200 Millionen Dollar vor dem Fiskus versteckt zu haben. Sein UBS-Berater war Bradley Birkenfeld (45). Der sitzt mittlerweile wegen Beihilfe zum Steuerbetrug im Zuchthaus. Die Strafverfahren gegen Birkenfeld und Olenicoff gelten als Auslöser des Steuerstreits zwischen der Schweiz und den USA.