Steve Jobs

Kein Wirtschaftsführer beeinflusst uns mehr als der visionäre Apple-Chef. Computer hat er vermenschlicht, dem Mobiltelefon die Musik und das Internet einverleibt. Jetzt soll er den Journalismus retten – vielleicht sein letzter Akt

Von Peter Hossli

jobsKlar ist nur, was Steve Jobs am Mittwoch in San Francisco tragen wird: einen dunklen Rollkragenpulli, der in abgewetzten Jeans steckt, dazu Turnschuhe. Was der Apple-Chef aber vorstellen wird, darüber rätseln Blogger wie Medienmogule seit Monaten. Ein grösseres iPhone? Oder doch einen ­Tablet-Computer, der gedruckte Bücher, Zeitungen und Magazine obsolet macht? Heisst er iSlate? Erfolgt die Eingabe ­mittels virtueller Tastatur oder über Spracherkennung? Kostet er 400 oder 1000 Dollar?

Eine Aussicht verzückt die Verleger: Präsentiert Steve Jobs, 54, gleichzeitig zum Tablet eine Plattform, über die sie journalistische Inhalte profitabel vertreiben können? Erneut soll er nämlich zum Heilsbringer einer gebeutelten Branche werden. Mit dem iMac rettete Jobs Apple. Der iPod krempelte die Musikindustrie um. Das iPhone revolutionierte die mobile Telefonie. Das Tablet, so hoffen Journalisten, bringt den Medien endlich ein neues Geschäftsmodell und sichert ihre Existenz.

Jobs ist gern der Retter. «Ich verändere die Welt», versprach der Adoptivsohn von Hippies. Er hielt Wort. Technologie, einst Sache von Eierköpfen, befreite er vom Grau und machte sie sexy. Weltweit ahmen Designer seine Produkte nach. Hollywood wie das Silicon Valley hören auf ihn. Wie ein Popstar lässt er sich feiern. Für Manager verkörpert er das Ideal des amerikanischen Selfmademan, der klein anfing, tief fiel und wieder aufstand. Apple gründete er 1976 in einer ­Garage. Der von ihm ausgeheckte Macintosh war 1984 der erste Rechner mit menschlichen Zügen. Ein Computer, der beim Aufstarten ­lachte und der Zeit weit voraus, aber viel zu teuer war. Das Gerät floppte. Jobs musste gehen.

Zwölf Jahre lang suchte er nach Gründen für den Flop. Er startete die Computerfirma NeXt, kaufte das obskure Filmstudio ­Pixar. Dessen erster Hit «Toy Story» legte 1995 den Grundstein für den Siegeszug computer­animierter Trickfilme. Pixars Börsengang bescherte Job eine erste Milliarde. Apple holte ihn zurück. Für einen Dollar Jahreslohn übernahm er 1997 den Chefposten. Er machte die marode gewordene Computerfirma zum globalen Trendsetter.

Jobs verfährt nach einem einfachen Prinzip: Er übernimmt die Ideen anderer, veredelt und bietet sie zum richtigen Zeitpunkt an. Das Mac-Betriebssystem guckte er bei ­Xerox ab. Der iPod war nicht der erste, sondern der erste gute ­digitale Musikplayer. Lange vor dem iPhone gab es smarte Mobiltelefone. Tablets existieren seit geraumer Zeit.

Nur Jobs gelingt die Dreifaltigkeit aus betörendem Design, bestechender Technologie und besonnenem Marketing. Schöne, einfache und nützliche Maschinen fordert er von seinen Ingenieuren. Da er überzeugt ist, solche seien nur möglich, wenn Soft- und Hardware harmonieren, gibt er im Gegensatz zu anderen die Kontrolle über beides nie ab. Er ist ein Kontrollfreak. Einstige Mitarbeiter schelten ihn als ehrgeizigen Despoten. Sein Personal führt er diktatorisch. Wer ausplaudert, woran er gerade tüftelt, fliegt raus. Blogger, die geheime Apple-­Produkte enthüllen, verklagt er.

Der Erfolg gibt ihm recht. Kein CEO der Welt arbeitete in den Nullerjahren einträglicher. Um 3226 Prozent oder 150 Milliarden Dollar steigerte Jobs Apples Börsenwert. Apple-Aktien, die im Jahr 2000 einen Wert von 10 000 Dollar hatten, werden jetzt für 3,3 Millionen Dollar gehandelt. Er selbst hat ausgesorgt, obwohl sein Salär bei einem Dollar geblieben ist. Pixar wurde 2006 von Disney geschluckt. Seither ist Jobs grösster Aktionär des Mickey-Mouse-Konzerns. Auf über fünf Milliarden Dollar schätzt «Forbes» sein Vermögen. «Als ich 23 war, hatte ich mehr als eine Million Dollar, mit 24 waren es zehn Millionen und mit 25 über hundert Millionen – es war mir egal», sagte er. «Ich habe nie etwas wegen des Geldes getan.»

Zumal Geld nicht unsterblich macht. 2004 wurde seine Bauch­speicheldrüse von Krebs befallen. Um das bösartige Geschwür zu ­bekämpfen, liess sich Jobs Gallenblase, Zwölffingerdarm, Teile des Magens und die befallene Drüse entfernen. Er magerte merklich ab. Letztes Jahr erhielt er eine Spenderleber. Sechs Monate setzte er aus. Seither fragen sich seine Fans nicht nur, was Jobs anpreisen wird, ­sondern sie zittern, ob er überhaupt noch auftritt.