Von Peter Hossli (Text) und Bertrand Cottet (Fotos)
Megan Beyer hebt den winselnden Pudel vom Boden auf und legt ihn über die linke Schulter. Breitbeinig stellt sich die zierliche Amerikanerin vor das beachtliche Ölgemälde. Es bildet den zerfurchten Küstenstreifen in Maine mitsamt Segelboot ab. «Höher, höher, stopp, ein bisschen runter», weisst sie zwei Männer in roten T-Shirts an. «Das reicht, perfekt.» Sie stellt den Hund ab, legt die Hände auf die Wangen, strahlt. «Endlich lebt das Haus.»
Beim Umdrehen sieht sie den Gast. «Hallo, ich bin Megan, was zu trinken?» Ohne die Antwort abzuwarten fährt sie mit dem fort, was sie brillant zu beherrschen scheint – den smarten Smalltalk. «War auch einmal Reporterin», sagt die 57-Jährige. Fürs Fernsehen berichtete sie über Politik. «Dann heiratete ich Don, und ich musste damit aufhören.»
Don ist ihr Mann Donald S. Beyer, 59, einst Vizegouverneur von Virginia und seit Sommer Botschafter der USA in der Schweiz.
Zuvor verkaufte er Volvos. Zum begehrten Berner Posten kam Beyer wie viele seiner Vorgänger – er sammelte für den später siegreichen Präsidentschaftskandidaten Geld.
Beyer ist gross, geht gebückt und lässt öfters den trocken Ostküstenschalk aufblitzen. «Hilf mir», weisst ihn Gattin Megan an. Zu zweit tragen sie ein Gemälde vom hellen Salon ins dunklere Esszimmer. «Hier passt es besser». Sie führt ihn ins Wohnzimmer vor ein herbes Bild mit verschneiter Waldlandschaft. Es hängt über einem rosa Sofa. «Toll, nicht? Zuvor war der Raum so feminin.»
Seit August wohnen die Beyers in der im 19. Jahrhundert erbauten Villa Blumenrain. 1947 kaufte die USA das Haus mit Umschwung für 672000 Franken. Oben residieren der Botschafter und seine Familie. Unten empfangen sie Gäste. Möbel, Geschirr und Vorhänge stellt das US-Aussenministerium.
Um in den fremden Mauern dennoch heimisch zu werden, brachten die Beyers Fotos mit, «dazu die Kinder, den Hund, Bücher und Musik sowie unsere iMacs», sagt er.
Heute, an einem bewölkten Novembertag, kommt die Kunst an. Unter mächtigen Kronleuchtern und weisser Stukkaturdecke verstellen wuchtige Holzkisten die Zimmer. Dreizehn Gemälde haben die Beyers aus den USA in die Schweiz schicken lassen. Damit erfüllen sie die Idee des «Art in Embassies Program».
Das US-Aussenministerium ermöglicht Botschaftern seit 1964, während ihrer Amtszeit amerikanische Kunst mitzunehmen und im öffentlichen Bereich der Residenz zu zeigen. Für Amerika werben sollen die Botschafter. «Wir wollen zudem zeigen, wer wir sind», sagt Botschafter Beyer.
Er wandere oft in der wilden Natur, und er möge amerikanische Geschichte. Das drückt er mit Landschaftbildern aus dem 19. Jahrhundert aus. Die Werke stammen aus der Philipps Collection in Washington und dem Virginia Museum of Fine Arts in Richmond.
Ein Gemälde, das auf einer weichen Couch liegt, bildet etwa den Sommersitz von George Washington ab, Amerikas ersten Präsident. «Washington hätte König der USA werden können», sagt Botschafter Beyer. «Er lehnte es ab und entschied sich für die Demokratie – genau wie das die Schweizer einst taten.»
Eine Brücke zur Schweiz schlägt auch «Old Fashioned Circus», ein Ölbild des Kanadiers Ernest Lawson. Megan Beyer wählte es wegen den zahlreichen schweizerischen Schausteller aus. Zumal einige von ihnen in die USA auswanderten und dort Zirkusse gründeten.
Das Küstenbild aus Maine samt Yacht – Alfred Thompson Brichers «Monhegan Cliff» – sei eine Ehrerweisung an den Triumph der Alinghi. «Das ist typisch Schweiz», sagt sie. «Sie übertrifft alle Erwartungen und gewinnt als Binnenland den America’s Cup.»
Draussen ziehen die Wolken weg. Föhn bringt die Alpen nah. Hinter dem Sternenbanner erheben sich Gurten und Schneeberge. Wie auf einer zu kitschig geratenen Postkarte strahlen Eiger, Mönch und Jungfrau. «Als ich die drei Gipfel erstmals sah, schossen mir die Tränen in die Augen», sagt Megan Beyer. «Es kam mir vor wie in einem Märchen.»
Sie führt über die Terrasse in den Garten, in dem sie biologisches Gemüse anpflanzt, «wie Michelle Obama im Weissen Haus».
Hasen und Vögel tummeln sich im abfallenden Wald, der ebenfalls zur Residenz gehört. Ein Vorgänger Beyers hielt hier einst Schafe. Nun sind sieben Füchse die exotischsten Gesellen. Was vor allem dem Pudel zu schaffen macht. «Anfänglich dachte er, er sei der neue Sheriff von Bern», sagt Megan Beyer. «Dann sah er die Füchse, die alle grösser sind als er – seither traut er sich nicht mehr raus.»
An wichtige Posten entsenden US-Präsidenten meist politisch Gleichgesinnte. Etwa nach London, Berlin, Paris und eben nach Bern. Genau wie Beyer sind es oft Geschäftsleute, die zur Krönung ihrer Karrieren noch zu diplomatischee Würden kommen. «Das hat durchaus Vorteile», sagt Beyer, der sein Amt als «bedeutendste Aufgabe meines Lebens» bezeichnet. Fleissig lerne er Deutsch, «um die Schweiz besser zu verstehen». Geschäftsleute hätte überdies lösungsorientierte Ansätze als Beamte. «Jeden Abend frage ich mich, wie ich heute die Welt verändert habe.» Zudem stehe er dem Präsident näher als viele altgediente Diplomaten.
Das belegen Fotos auf Kommoden und dem Fenstersims. Die Beyers mit den Gores. Mit den Clintons. Mit US-Stars aus dem Fernsehen. Und mit Barack und Michelle Obama.
Doch wie nah steht er dem Präsident wirklich? «Wir kennen uns gut, haben uns öfters getroffen, bei uns, im Weissen Haus, aber ich bin kein intimer Freund», sagt er. «An Thanksgiving ruft mich Obama nicht an.»
Wer er sei, wisse Obama. Er schätze das Geld, das Beyer für ihn auftrieb. Daher hat der Präsident ein offenes Ohr für ihn und somit für die Schweiz. «Gibt es ein Problem, kann ich innert 24 Stunden mit ihm reden.»
Die Botschaft Obamas trägt er in Welt, sagt Beyer. «Ich will zuhören, lernen – und die neue amerikanische Story erzählen.» Sie handle von Umweltschutz. Von einem Amerika, das nicht mehr foltere. Das wieder ein Vorbild für die ganze Welt sei.
Mit der Schweiz will er bestehende Banden festigen – und neue knüpfen. So hofft er, die gescheiterten Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen zu beleben.
Probleme sieht er wenige. Gütlich beigelegt sei etwa der Steuerstreit. «Das dauerte zwei Jahre, aber jetzt sind alle zufrieden.» Die US-Steuerbehörde habe Namen von Betrügern. Die UBS entging einer Strafanzeige. Das Bankgeheimnis sei intakt.
An der Schweiz beeindrucke ihn das diplomatische Engagement am meisten, auch für die USA. Kann er denn etwas tun für die beiden Schweizer Geiseln in Libyen? «Erfolg hat Diplomatie nur dann, wenn sie still ist.»
Dann bricht der diplomatische Diplomat auf, um Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf zu treffen. «Ich danke ihr für die Verhaftung Polanskis», lacht und geht. Sein Witz belegt: das Verhältnis zwischen Schweiz und den USA ist entspannter als viele sagen.