Michael Bloomberg

Am Dienstag wählt New York den Milliardär zum dritten Mal zum Bürgermeister. Die Metropole besiegelt damit dessen Wandel vom mutigsten Politiker der USA zum selbstsüchtigen Machtmenschen.

Von Peter Hossli

bloombergMichael Bloomberg ist kleiner, als er auf Fotos aussieht. Flau der Händedruck, verklemmt das Lächeln, spitz die Stimme – an Macht und Einfluss gemahnen nur der feine Stoff seiner Roben und seine Selbstsicherheit. Dass er davon strotzt, ist verständlich. Bloomberg regiert die Metropole New York fast absolutistisch. Keiner zweifelt an seiner Wiederwahl, welcher er sich am Dienstag stellt. Während die Wirtschaftskrise riesige Vermögen vernichtete, wuchs seines um vier Milliarden Dollar.

Bloomberg, 67, kaufte sich die Macht, erblindete aber nicht an ihr. 2001 gab er 73 Millionen aus, um Bürgermeister zu werden. Da das Geld ihm gehörte, war er niemandem mehr verpflichtet. Der Politiker tat nur noch, was er richtig fand. Als guten König sah sich der reichste New Yorker. Ein Pragmatiker, dem das Wohl der Städter über alles ging. Um die Schulen zu verbessern, erhöhte er die Löhne der Lehrer und die Anforderungen an Schüler.

Er kittete das von Vorgänger Rudolph Giuliani zerrüttete Verhältnis zwischen Schwarz und Weiss. Früh erkannte er den Klimawandel und fing an, die Stadt zu begrünen. Da Rauchen tötet, verbot er es in Bars und Beizen. Schusswaffen und nicht Homo-Ehen sind gefährlich, also bekämpfte er Ersteres und unterstützte Letzteres. Er stellte mehr Polizisten auf die Strasse und machte New York zur sichersten Grossstadt der Welt. Das hob den Wert der Immobilien und befreite die Staatskasse von Defiziten.

Einen Dollar Jahreslohn bezieht er. Muss er irgendwohin, fliegt er im eigenen Jet. Pilot und Kerosin zahlt er. Zuweilen verschwindet er ohne Abmeldung ins Wochenendhaus auf Bermuda. Erzürnt dies die Politikerkaste, zuckt er nicht mal mit den Schultern. Parteien sind ihm zuwider. Als Unternehmer war er Demokrat, was ihm am vernünftigsten schien. Fürs Bürgermeisteramt kandidierte er als Republikaner, weil nur die den willigen Aussenseiter kandidieren liessen. Später trat er aus der Partei aus. Seither politisiert er als das, was er stets war – als strammer Unabhängiger.

Bloomberg ist ein Selfmademan. Seine Milliarden, laut «Forbes» sind es sechzehn, hat er sich hart erarbeitet. Nach der Harvard University verkaufte er bei Salomon Brothers Anleihen, stieg zum Partner auf, verkrachte sich, bekam beim Abgang zehn Millionen Dollar Abfindung. Er nahm eine simple Weisheit mit: An der Wall Street hat nichts mehr Wert als Informationen. Er gründete eine Firma, die über noch reichlich krude Computer präzise Finanzdaten an Börsenhändler lieferte.

Selbstbewusst nannte er die Terminals «Bloomberg». Wer an der Wall Street etwas galt, hatte einen auf dem Pult. Der Bloomberg sicherte börsenrelevante News und Wettbewerbsvorteile. Zum Terminal kamen Radio- und Fernsehsender, Websites und Magazine. Der Konzern verzeichnete in Boomjahren zweistellige Wachstumsraten. Selbst in der gegenwärtigen Medienkrise wirft er Gewinne ab. Wohl weil der Gründer eine kreative und experimentierfreudige Firmenkultur hinterlassen hat. Einen Stil, den er ins Stadthaus trug. So setzte sich Bloomberg sofort in die Mitte eines neu geschaffenen Grossraumbüros, das eher einem dynamischen Trading Floor gleicht denn einer muffigen Amtsstube.

Bloomberg wurde so zu einem Mythos – der seit einem Jahr bröckelt. Wie manchen Mächtigen packte ihn die Angst, seine Macht zu verlieren. Wegen der Amtszeitbeschränkung darf ein Mayor in New York nach zweimal vier Jahren nicht mehr zur Wahl antreten. Als Jude kann er kaum US-Präsident werden, weiss er. Sein Freund Barack Obama gab ihm kein angemessenes Amt. Gouverneur vom Staat New York will er nicht sein. Denn der sitzt in Albany, eine Ämterstadt miefiger als Aarau.

So verkam der selbstlose Pragmatiker zum durchtriebenen Politiker, der Angst schürt. Derart gravierend sei die Krise, dass New York ihn weiter brauche, verkündete er. Mit rüden Methoden drängte er das Parlament, ihm eine dritte Amtsperiode zu gewähren. Für seinen dritten Wahlkampf zahlt er rund 130 Millionen Dollar – in der US-Politik ein Rekord. Statt wie vorgesehen als grossmütiger Gestalter, wird Bloomberg als willkürlicher Machtverteidiger in die Geschichte eingehen.