Von Peter Hossli und Roman Seiler
Die UBS steht kurz davor, den Steuerstreit mit den USA beizulegen. Während die Bank aufatmet, geht die Jagd auf US-Steuersünder weiter. Bedroht sind neu sogar US-Touristen, die in die Schweiz reisen. «Die US-Einwanderungsbehörde erstellt Listen von Amerikanern, die häufig in die Schweiz fliegen», sagt US-Anwalt William Sharp, der UBS-Kunden vertritt. «Die Daten übergibt sie der Steuerbehörde IRS. Sie prüft, welche Schweizreisende Bankkonten in der Schweiz besitzen könnten.»
Parallel dazu startet das US-Justizministerium (DoJ) eine zweite neue Offensive. Bisher nahm es US-Steuerbetrüger und deren Banken ins Visier. Nun gehen Ermittler auf die Berater der US-Kunden los. Die US-Behörden wollen schweizerische Dienstleister dazu bringen, kein Geld von US-Bürgern ausserhalb der USA zu verwalten. «Wir legen den Sumpf trocken», bestellte der oberste DoJ-Ankläger Kevin Downing jüngst US-Anwälten, die Steuerbetrüger vertreten.
Das erzählt Robert Katzberg, ein angesehener Strafverteidiger aus New York, der insgesamt 16 steuersäumige UBS-Kunden vertritt. «Ich wäre nicht erstaunt, wenn demnächst etliche Schweizer angeklagt werden.»
Mit einer Strafanzeige rechnen müssten Anwälte, Treuhänder und Banker in der Schweiz wie in Amerika, sagt Sharp. «Das DoJ wird demnächst eine regelrechte Klagelawine lostreten.» Das Beweismaterial lieferte die Schweiz im Februar gleich selbst. Damals überstellte sie 280 Dossiers von UBS-Kunden in die USA. Die Daten dienen dem DoJ, Klagen gegen Steuerbetrüger einzureichen. Kooperieren die Missetäter und nennen Namen ihrer Schweizer Komplizen, werden sie weniger hart angefasst.
Das veranschaulicht der Fall des Spielzeugfabrikanten Jeffrey Chernick (70). Der New Yorker gab diese Woche zu Protokoll, acht Millionen Dollar am Fiskus vorbeigeschleust und einen Schweizer Beamten bestochen zu haben. Ein Vergehen, das in der Regel mit bis zu 15 Jahren Zuchthaus geahndet wird.
Chernick muss höchstens drei Jahre hinter Gitter. Dies vereinbarte er beim Geständnis mit dem DoJ. Im Gegenzug nannte er den Behörden die Namen von UBS-Kundenberatern, eines Zolliker Anwalts und einer kleinen Bank, die mit Wissen der UBS unversteuertes Geld transferiert habe. Gemäss den Informationen von SonntagsBlick handelt es sich um die Neue Zürcher Bank (NZB). Dort war Hans-Rudolf Schumacher Berater von Chernick. Dies kommentierte NZB-Sprecherin Franziska Gumpfer mit Verweis auf das Bankgeheimnis nicht.
Schumacher war einer der Vermögensberater der UBS, die ab 2002 zur Finanzboutique Neue Zürcher Bank (NZB) stiessen. Der einstige UBS-Manager leitete ab 2003 als Geschäftsleitungsmitglied der NZB das Private Banking.
Die NZB betreut verschiedene Kunden, unter anderem auch amerikanische. Dabei fungiert die Bank als sogenannter externer Vermögensverwalter, denn die Depotführung liegt bei verschiedenen anderen Schweizer Finanzinstituten.
Franziska Gumpfer bestätigt jetzt erstmals: «Im vergangenen Frühling hat sich die NZB-Geschäftsleitung aufgrund der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen entschieden, das Vermögensverwaltungsgeschäft für US-Kunden aufzugeben.» Diese wurden laut Gumpfer aufgefordert, das bis am 23. September 2009 befristete Angebot der US-Behörden zur Selbstanzeige anzunehmen, sollten sie Steuern hinterzogen haben. Wegen dieses Entscheids gab Hans-Rudolf Schumacher die Leitung des Private Banking auf und trat aus der Geschäftsleitung aus. Er wird die Bank Ende September verlassen.
Derweil versuchen tatverdächtige Schweizer Banker ihre Haut zu retten. «Ich weiss von drei ehemaligen UBS-Managern, die eng mit dem DoJ zusammenspannen», sagt Milliardär und Ex-UBS-Kunde Igor Olenicoff. «Sie verpfeifen ihre einstigen Kollegen, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.»
Eine Auslieferung nach Amerika droht bei einer Anklage kaum. Die Schweiz überstellt ihre Bürger nicht. Allerdings wird ihre Reisefähigkeit massiv eingeschränkt. Bleiben sie nach einer Anzeige dem Prozess in den USA fern, erklärt sie ein Strafrichter sofort als flüchtig. Ein Ungemach, das unlängst dem verzeigten Ex-UBS-Manager Raoul Weil widerfuhr. Bereist er eines der 27 EU-Länder, kann er verhaftet und in die USA überstellt werden.
Die Schweiz wird so zum Gefängnis ihrer Banker. Obendrein finden Privatbanker, die nicht mal mehr in Europa reisen können, kaum mehr einen Job in der Finanzbranche.
Vergleich kurz vor Abschluss
Am Freitag einigten sich die UBS, die Schweiz und die USA, den Steuerstreit aussergerichtlich beizulegen. Offene Fragen wollen die Anwälte diese Woche klären. «Die Entwicklung ist positiv», sagt Bundespräsident Hans-Rudolf Merz (66). Wohl nie bekannt werden die Details. William Sharp, ein Anwalt aus Florida, der steuersündige US-Kunden der UBS vertritt: «Beide Seiten wollen als Sieger vom Platz gehen, deshalb bleibt der Vergleich geheim.» Das Verhandlungsresultat sei ein «Balanceakt zwischen der Wahrung des Bankgeheimnisses und der Pflicht der US-Behörden, gegen Steuersünder vorzugehen». Die Schweiz werde Daten von US-Kunden überstellen, bei denen «Betrug und dergleichen » gegeben sei. Das ist die Voraussetzung, gemäss welcher das gültige Doppelbesteuerungsabkommen von 1996 den Austausch von Bankkundendaten zulässt. Allerdings dürfte eine grosse Anzahl von Kundendossiers in die USA überstellt werden. «Ich gehe davon aus, dass die Schweiz 10000 Kundendaten ausliefert », sagt Sharp. Zudem werden sich voraussichtlich 34000 UBSKunden bis zum Ablauf der Meldefrist für reuige Steuersünder am 23. September selbst anzeigen, schätzt Sharp.