So rettet sie das Bankgeheimnis

Die Liste steht: Bern weiss, welche amerikanischen UBS-Kunden Steuerbetrüger sind. Zeigen sie sich nicht selbst an, gehen ihre Daten im Herbst an die USA.

Von Peter Hossli

Regelrecht «frustriert» seien die amerikanischen Steuerfahnder, sagt der frühere US-Staatsanwalt Peter Hardy. Seine Begründung: «Die Schweiz hat sie ausgetrickst.» Per Zivilklage wollten die US-Beamten von der UBS gerichtlich die Herausgabe von 52 000 Kundennamen erzwingen. Vergangenen Montag stoppte Richter Alan Gold das Verfahren. Er ordnete an, dass die Schweizer und die US-Regierung einen Vergleich schliessen sollen.

Das ist ein Triumph für die Schweiz und für Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (53). Die Drohung ihres Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), bei einem für die UBS negativen Verdikt diese Kundendaten zu sperren, hat offenbar funktioniert. «Richter Gold war dadurch klar geworden, dass sich der Fall nicht im Gerichtssaal lösen lässt», sagt Hardy, heute Anwalt und Steuerexperte in Philadelphia.

Mit Widmer-Schlumpfs Finte hat der David Schweiz den Goliath USA überrumpelt. Nun ist auch die UBS dort, wo sie seit Anfang März hinwill. Nur diplomatisch lasse sich der Fall lösen, sagte der Finanzchef ihres Vermögensverwaltungsgeschäfts, Mark Branson, damals bei einer Anhörung vor dem Senats-ausschuss in Washington. Kein Richter, sondern die beiden betroffenen Staaten müssten über den Informationsaustausch entscheiden.

Das ist eine schmerzliche Niederlage für den Internal Revenue Service (IRS), die US-Steuerbehörde. Sie hatte die UBS-Klage zum Musterfall erklärt und wollte sie bewusst spektakulär vor Gericht verhandelt sehen. «Erhält der IRS nicht mindestens 10 000 Kundennamen, ist das ein Misserfolg», sagt Hardy.

Doch es dürften weit weniger werden, wie der Rechtsprofessor und Bankenfachmann John Coffee von der New Yorker Columbia University sagt. Rund 2500 Namen werde die Bank wohl preisgeben. «Die US-Regierung will die spektakulären Steuerbetrüger.»

Angst zu haben brauche nur, wer nicht deklarierte Vermögenswerte von mehr als zehn Millionen Franken durch die UBS verwalten lasse. Dies gelte aber auch für US-Amerikaner, die mit Hilfe der UBS Gelder in Scheingesellschaften in Drittländern versteckt hätten, sagt der Anwalt William Sharp. Er vertritt amerikanische Kunden der Gross-bank: «Gefährdet sind auch Klienten, die sich in den USA mit Schweizer UBS-Kundenberatern trafen.» Das ist laut US-Gesetzen ein illegaler Akt.

Mittels Amtshilfeverfahren dürften nach Abschluss des Vergleichs Daten von Kunden an die USA geliefert werden, bei denen «Steuerbetrug und dergleichen» glaubhaft gemacht werden kann. Das ist die Voraussetzung, gemäss welcher das gültige Doppelbesteuerungsabkommen von 1996 den Austausch von Bankkundendaten zulässt.

Ob die Bedingung für Amtshilfe erfüllt ist, entscheidet die Eidgenössische Steuerverwaltung. Pikant: Das ist wohl bereits geschehen. Denn die Steuerexperten arbeiten derzeit neue Doppelbesteuerungsabkommen aus, die dann OECD-Steuerstandards entsprechen.

Eine Liste, die den USA geliefert werden kann, braucht es. Denn bei einem Vergleich, weiss Anwalt Sharp, werden den USA die Kundendaten von Steuerbetrügern «innert Stunden» übergeben. Daher liegt der Schluss nahe, dass die Steuerverwaltung längst weiss, welche UBS-Kunden betrogen haben. Ein Heer von Steueranwälten hat das im Frühling offenbar präventiv ermittelt.

Bleibt es bei 2500 zu überstellenden Kundendossiers, wäre das ein PR-Coup für die UBS, den Finanzplatz Schweiz und Justizministerin Widmer-Schlumpf, wie auch US-Rechtsprofessor John Coffee sagt: «Die Schweiz kann dann sagen, sie habe die Identität von 95 Prozent ihrer Kunden geheim gehalten.» Werden nur Steuerbetrüger ausgeliefert, bleibe das Bankkundengeheimnis gewahrt.

Am 29. Juli will Richter Gold wissen, ob die Unterhändler den Vergleich bis am 4. August schaffen. Der Fall werde aber kaum vor dem 23. September erledigt, prognostiziert UBS-Kundenanwalt Sharp. Bis dann können sich Steuerschuldner selber anzeigen. Daher würde ein vorschneller Abschluss Bankkunden die Chance rauben, sich zu melden, eine hohe Busse und Nachsteuern zu bezahlen – und so einem Strafprozess zu entkommen.

Seit März registriert der IRS in einem kargen Büro in Philadelphia alle US-Steuerzahler, die sich selbst anzeigen. Daher ist die Behörde genau im Bild, wie viele amerikanische UBS-Kunden sich bisher freiwillig gemeldet haben. Ist die Zahl der Reumütigen hoch genug, steht von US-Seite einem Vergleich wenig im Weg. Dann kann auch der erfolgshungrige IRS-Kommissär Douglas Shulman sein Gesicht wahren. «Das ist wichtig», sagt Sharp. «Beide Seiten müssen am Schluss als Sieger dastehen.»

Noch hält der IRS die Zahl bisheriger Bussgänger geheim. Sharp ist zuversichtlich: «Es melden sich genügend an, der Vergleich kommt zustande.» Dank Widmer-Schlumpfs Finte.