Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Fotos)
Zwei oxidierte Kupfertore trennen die von Palmen gesäumte Quartierstrasse von der mediterran anmutenden Villa an der Ostküste Floridas. Ratternd öffnet sich die rechte der grünlichen Pforten. Galant winkt Igor Olenicoff den Mietwagen der Reporter auf den Vorplatz des Hauses in Lighthouse Point. Vom Strandstädtchen zwischen Fort Lauderdale und West Palm Beach fahren Millionäre ihre Motorjachten aus.
Olenicoff, 67, ist längst kein Millionär mehr. Auf 1,7 Milliarden Dollar schätzt Forbes das Vermögen des Immobilientycoons, der rund 11 000 Mietwohnungen in Kalifornien, Florida und Nevada besitzt. «Ich habe viel mehr Geld», sagt Olenicoff. Wie viel? Das sagt er nicht.
Er ist client number one im Steuerstreit zwischen der UBS und den USA. Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld hatte ihn 2001 von der Barclays Bank zur UBS gebracht. Mit illegalen Tricks half der Banker dem Kunden, 200 Millionen Dollar am US-Fiskus vorbeizuschleusen. Olenicoff gestand, seine Steuererklärung gefälscht zu haben, und zahlte deswegen 52 Millionen Dollar. Nun hat er die UBS verklagt und will 500 Millionen Dollar Schadenersatz.
Mattblaue Augen leuchten aus dem verschmitzten Gesicht. Die obersten zwei Knöpfe des kleinkarierten Hemds sind offen. Nahezu akzentfrei ist das Englisch des im Alter von fünfzehn Jahren in die USA eingewanderten Russen. Er trinkt Kaffee. Die Wände der Villa sind geschmückt mit Ölgemälden. «Bilder, die es nicht auf meine Jacht oder in das Haus in Kalifornien geschafft haben», sagt der Kunstsammler.
Mister Olenicoff, Sie wohnen in Kalifornien. Kamen Sie im Privatjet nach Florida?
Igor Olenicoff: Nein, ich nahm den Nachtflug von Jet Blue [eine Billig-Airline]. Reisen mit Privatflugzeugen werden masslos überschätzt.
Immerhin haben Sie dabei Ihre Ruhe.
Olenicoff: Alles in meinem Leben ist eine Frage der Zeit und der Bequemlichkeit. Reise ichmit dem Privatjet, muss ich mich umden Piloten kümmern, das Kerosin, die Start- und Landeerlaubnis, das Parkfeld. Für mich ist es einfacher, mit der Handtasche eine Linienmaschine zu besteigen, die Augenbinde überzustreifen und nach ein paar Stunden Schlaf in Fort Lauderdale zu landen.
Ist solche Bescheidenheit der Grund für Ihren Erfolg?
Olenicoff: Nein, es ist mein Erfolgshunger, das Feuer in meinem Bauch.
Neben Donald Trump sind Sie der bekannteste US-Immobilientycoon. Mögen Sie Trump?
Olenicoff: Wir sind verschiedene Typen. Ich bewundere ihn für das, was er erreicht hat. Trump ist wie Phönix. Er baut, baut, baut, dann verglüht er, und dann baut er wieder. Ich baue und kaufe, aber ich verkaufe nie. Trump mag das Rampenlicht. Er nutzt es geschickt.
Sie hingegen scheuen die Öffentlichkeit. Haben Sie etwas zu verstecken?
Olenicoff: Je weniger Leute mich kennen, desto glücklicher bin ich. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Aber mein Vater hat mir früh beigebracht, dass man öffentliche Anerkennung und Ruhm nicht zur Bank tragen kann.
Ihre Geschäfte mit der Schweizer Grossbank UBS haben Sie berühmt gemacht. Sie sind ein geständiger Steuerbetrüger und brachten den Schweizer Finanzplatz ins Wanken. Wie leben Sie damit?
Olenicoff: Erstens: Ich muss damit leben. Zweitens: Ich lebe damit nicht allzu schlecht. Die Medien lieben es, jemanden, der erfolgreich ist, runterzudrücken. Ihre Leser lesen es gerne. Alsdie UBS-Sache bekannt wurde, hiess es schadenfreudig: «Igor Olenicoff ist ein Steuerbetrüger.» Das hat wehgetan, aber ich akzeptiere es. Ich habe gestanden, die Steuererklärung falsch und missbräuchlich ausgefüllt zu haben.
Vollständig akzeptiert haben Sie es nicht. Sie führen eine Vendetta und haben die UBS verklagt. Was wollen Sie damit erreichen?
Olenicoff: Ich kämpfe um meinen Ruf und für meine Rehabilitation. Wenn die Medien schreiben: «Igor versteckte sein Geld, damit er keine Steuern zahlen musste», ist das weit entfernt von der Wahrheit. Ich will das richtigstellen. Die UBS wird oft als Opfer dargestellt. Wenn es ein Opfer gibt, abgesehen von mir, ist es das Schweizervolk.
Sie wurden im Jahr 2001 Kunde der UBS. Warum wechselten Sie überhaupt die Bank?
Olenicoff: Ich war sehr zufrieden, dass ich einen bescheidenen Teil meines Vermögens auf den Bahamas und in London verwalten lassen konnte.
Von Smith Barney und Barclays Bank?
Olenicoff: Richtig. Aus dem Nichts erhielt ich einen Anruf von einem gewissen Bradley Birkenfeld. Ich hatte keine Ahnung, wer er war. Er sagte: «Hallo, mein Name ist Bradley Birkenfeld, ich bin Vizepräsident bei Barclays Bank.» Er wollte mich in Kalifornien besuchen. «Es geht um etwas, das sehr wichtig ist für die Sicherheit Ihrer Investitionen bei Barclays.» Ich bat ihn, es mir am Telefon zu sagen. «Ich muss es persönlich mitteilen», sagt er. Wir vereinbarten ein Treffen in Newport Beach.
Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?
Olenicoff: Er war salonfähig, gross, gutaussehend, gebildet, konnte gut reden.
Das allein reichte, ihm zu trauen?
Olenicoff: Er sagte, Schreckliches würde mit meinem Geld bei Barclays passieren, die Bank ziehe sich aus der Karibik zurück, das Geld ende bei kleinen, unstabilen Bananenrepublik-Banken.
Barclays schloss damals mit den USA ein Qualified Intermediary Agreement (QI) ab und wollte damit amerikanische Kunden mit dubiosem Ruf loswerden. Einer davon waren Sie.
Olenicoff: Das ist komplett falsch. Barclays wollte mich unbedingt halten. Noch heute bin ich mit Barclays-Bankern befreundet. Sie fragen mich, ob ich wieder mit ihnen ins Geschäft kommen möchte. Sie waren verärgert, dass Birkenfeld mich kontaktiert hatte. Er verstiess klar gegen interne Bankregelungen.
Fest steht, dass Barclays 2001 Ihre Millionen nicht mehr wollte. Warum wählten Sie ausgerechnet die UBS als Ihre Bank?
Olenicoff: Birkenfeld sagte, ich solle mein Geld zur UBS transferieren. Er pries die Bank als «grösste und stabilste Bank» der Welt. Geld, das in der Schweiz liege, habe nicht den zweifelhaften Ruf der Bahamas. Dem stimmte ich zu. Allzu viel transferierte ich anfänglich nicht. Es waren 70 Millionen Dollar.
Sie wollten den anrüchigen Ruf der Karibik loswerden und Ihr Geld in die angesehene Schweiz transferieren?
Olenicoff: Heute wünschte ich, ich wäre in der Karibik geblieben. Aber damals war die Meinung weit verbreitet, wer Konten auf den Bahamas, den Cayman Islands oder den Virgin Islands habe, wasche Geld.
Das hat sich nicht geändert. Haben Sie Geld gewaschen?
Olenicoff: Absolut nicht. Ich hatte nichts zu waschen. Das Geld, das ich auf der Bank hatte, war redlich verdient und versteuert. Kein Cent war auf illegale Weise erworben.
Gleichwohl schoben Sie Millionen hin und her und suchten die gute Reputation einer Schweizer Bank.
Olenicoff: Das war mein grösster Fehler. Es ist mittlerweile bewiesen, dass die Leute bei der UBS nicht glaubwürdig waren und illegal handelten. Die alte Garde der Bank ist ja vollständig weg. Keiner, mit dem ich zu tun hatte, ist noch dort. Sie sind entweder wegen Betrugs zu Haftstrafen verurteilt oder haben einen goldenen Fallschirm erhalten.
Sie trafen Birkenfeld ein Mal. Er rät Ihnen, Geld auf eine Bank zu transferieren, für die er nicht einmal arbeitet. Es ist kaum zu glauben, dass Sie nur deswegen die Bank wechselten.
Olenicoff: Zwei Dinge überzeugten mich. Er gab mir Informationen über meine Bank, bevor die Bank selber es tat. Obwohl er nicht bei der UBS arbeitete, pries er die UBS als bessere Bank. Er schien uneigennützig und arrangierte für mich und meinen Sohn ein Treffen mit der UBS in Genf.
War Birkenfeld bei diesem Treffen selbst auch dabei?
Olenicoff: Ja, aber es war nie die Rede davon, dass er bei der UBS anheuern würde.
Es muss Ihnen doch komisch vorgekommen sein, als neuer Kunde beim ersten Treffen mit der UBS einem Barclays-Banker zu begegnen.
Olenicoff: Im Nachhinein, ja. Aber Birkenfeld stellte sich als jemanden dar, der sich um mich kümmert. Er war sehr freundlich. Die UBS-Leute waren ebenfalls sehr zugänglich und zeigten mir zwei ihrer Geschäftsstellen. Sie bewirteten mich üppig mit Mittag- und Abendessen und wiesen mir ein sehr schönes Hotel zu.
Wer zahlte?
Olenicoff: Sie zahlten fürs Essen, ich zahlte fürs Hotel.
Was hatte die UBS Ihnen offeriert, das Sie überzeugte?
Olenicoff: Es war weniger die UBS, sondern die Tatsache, dass die Schweiz einen hervorragenden Ruf für ihr Bankwesen hatte – und für ihre Aufrichtigkeit. Schweizer sind aussergewöhnliche Weltbürger. Die UBS stand exemplarisch für die Schweiz, die Schweiz exemplarisch für die UBS.
Sie weichen der Frage aus. Hat die UBS mit Ihnen über Steuerkonditionen gesprochen?
Olenicoff: Überhaupt nicht. Nie. Null. Über Steuern haben wir nicht gesprochen. Das QI wurde nicht mal erwähnt, obwohl es bereits unterzeichnet war. Ich hatte keine Ahnung davon. Die UBS hätte in der ersten Sitzung sagen müssen, ich müsse die Einkommen aus den Anlagen melden.
Dann hätten Sie Ihr Geld nicht transferiert?
Olenicoff: Es hätte sich nichts verändert, ich hätte mein Geld gleichwohl zur UBS gebracht. Sie verkaufte ihre Dienstleistungen nicht mit Steuervorteilen, sondern mit Sicherheit, Glaubwürdigkeit und Rendite.
Ihre Version ist schwer zu glauben. Sie hatten seit Jahren Probleme mit der Steuerbehörde IRS.
Olenicoff: Das stimmt so nicht.
Die IRS nahm Sie in den neunziger Jahren oft ins Visier. Oft mussten Sie enorme Summen nachzahlen. Regelmässig berichtet die Lokalpresse in Kalifornien darüber. Forbes nennt Sie den «Milliardär mit den leeren Taschen».
Olenicoff: Wenn Sie genau lesen, war die IRS nur an meiner Firma Olen interessiert, nicht an Igor Olenicoff. Die Steuerbehörde hat mich in den fünfzig Jahren, in denen ich mittlerweile in den USA lebe, nie überprüft. Olen, meine Firma, wurde überprüft, weil ein Buchhalter, der entlassen wurde, uns angeschwärzt hatte.
Sie bekannten sich des Steuerbetrugs schuldig und zahlten 52 Millionen Dollar Strafsteuern. Eine Menge Geld für eine reine Weste.
Olenicoff: Leider – oder glücklicherweise – liefere ich solche Beträge regelmässig ans Finanzamt ab. Bevor ich mit Birkenfeld in Kontakt kam, gab es nie Probleme. Ich wurde zum Köder der IRS, mit dem Ziel, die UBS zu überführen. Sie hatte die UBS im Visier, weil sie das QI systematisch umging.
Jahrelang stritten UBS-Manager ab, davon gewusst zu haben.
Olenicoff: Ich traf sie alle.
Igor Olenicoff erzählt en détail, welche UBS-Mitarbeiter er wo getroffen hatte. Um keine Persönlichkeitsverletzung zu begehen, nennt die Weltwoche keine Namen. Aktenkundig ist, dass Olenicoff in Florida im Rahmen der Art Basel Miami Beach verschiedene UBS-Banker getroffen hatte. Konkrete Namen sind in den Gerichtsakten nicht aufgeführt.
Sie dienten Birkenfeld dazu, bei der UBS einen Job zu landen. Wann haben Sie das realisiert?
Olenicoff: Ein paar Monate nach dem ersten Treffen in Genf rief er an und sagte: «Igor, ich bin jetzt bei der UBS, ich komme zu dir und besuche dich.» Wir trafen uns in Miami. Nachher kam er hierher in mein Haus.
Wie oft war er hier?
Olenicoff: Öfter. Er brachte mir ständig Geschenke, Schweizer Schokolade, eine Kuhglocke, wir assen in meinem Haus. Zweimal reisten wir mit ein paar Freunden mit meiner Jacht nach Zentralamerika und besuchten Maya-Ruinen.
Wie nahe standen Sie ihm?
Olenicoff: Wir waren uns sehr nahe, wirklich gute Freunde. Er lud mich und meinen Sohn zu seinem vierzigsten Geburtstag auf den Philippinen ein. Er hatte damals eine ganze Insel gemietet.
Gingen Sie hin?
Olenicoff: Nein. Ich hatte keine Zeit. Rückblickend hätte ich gehen und mein Geld geniessen sollen. Er lud mich, meine Tochter und meinen Sohn auch in sein Chalet nach Zermatt zum Skifahren ein. Ich hatte keine Zeit, aber meine Nichte und mein Sohn gingen.
Birkenfeld ist über zwanzig Jahre jüngerals Sie. Wie war da eine enge Freundschaft möglich?
Olenicoff: Er war ein hervorragender Schauspieler. Er sah gut aus, roch gut, sprach gut. Er konnte über Chinas Wirtschaft ebenso eloquent wie über mein Geschäft sprechen. Er wusste viel, war immer tadellos angezogen. Das Geld seiner Kunden gab er zügellos aus. Mit meinem Geld kaufte er sich einen schönen BMW M5. Damit fuhr er mich von Genf nach Liechtenstein.
Mittlerweile hat Birkenfeld den Betrug gestanden. Er wartet in der Wohnung seines Bruders auf die Festsetzung der Strafe. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Olenicoff: Als wir ihm meine Klage überreichten, empfing er den Zusteller mit einer geladenen Pistole. Er trug einen Vollbart, war nur mit einer Unterhose bekleidet, war übergewichtig. Der Zusteller liess die Klage fallen und eilte davon. Birkenfeld rannte hinterher. Der Zusteller flüchtete über die Feuerleiter.
Hat Birkenfeld Sie denn gut beraten?
Olenicoff: Er wusste genau, wie viele Wertschriften ich bei Smith Barney in London hatte. Er bat mich nach Genf und sagte, ich solle diese Anlagen doch ebenfalls zur UBS bringen. Er würde sie besser anlegen.
Dann hat er Ihnen eine gute Rendite erwirtschaftet?
Olenicoff: Ich habe oft gefragt: «Wie viel Geld habt ihr mit meinem Geld verdient?» Eine Antwort kriegte ich nie. Mittlerweile ist bewiesen, dass Birkenfeld mit meinem Geld betrügerisch umging. Er hatte mich wie eine Kuh gemolken und sich selbst bereichert. Da ich kein Geld wusch und nichts verstecken wollte, verlangte ich Abrechnungen. Die UBS schickte mir keine Abrechnungen mit der Begründung, «es ist Teil der Geschäftspraxis, aber wir bringen Ihnen die Abrechnungen vorbei».
Sie kriegten keine Statements, weil die UBS Sie von der Schweiz aus nicht hätte bedienen dürfen. Es ist schwer zu glauben, dass Sie keine Ahnung hatten, was mit Ihrem Geld passiert.
Olenicoff: Birkenfeld und andere UBS-Mitarbeitertrafen mich in Restaurants, zückten Papierservietten und schrieben ein paar Zahlen drauf. «So viel haben Sie verdient, das ist die Höhe Ihres Portfolios, das ist Ihre Abrechnung.» Bevor ich versuchen konnte, ein Papier zu ergattern, zerrissen sie es vor meinen Augen und steckten die Schnipsel in ihre Taschen.
Wussten Sie, ob Birkenfeld andere amerikanische Kunden betreute?
Olenicoff: An der Art Basel in Miami Beach stellte er mich einem seiner US-Kunden vor.
Wann lieferten Sie Birkenfeld und damit die UBS in die Hände der Behörden?
Olenicoff: Nie. Das schreiben zwar alle. Aber ich habe nicht mit den US-Behörden kooperiert.
Sie tauschten mit Birkenfeld Faxe und E-Mails aus, die das FBI abfing. Die illegale Kommunikation überführte Sie.
Olenicoff: Das ist falsch. Niemand hat unsere Kommunikation abgefangen. Ich habe mit dem FBI erst Monate nach meinem Schuldspruch gesprochen, und das nur während ein paar Stunden. Birkenfeld ging bereits 2004 zu einer Anwaltskanzlei in Washington, die sich auf Steuerbetrug spezialisiert hatte. Er erzählte, was bei der UBS ablief. Sie haben ihm geraten, die Bank sofort zu verlassen und mein Geld zu einer anderen Bank zu transferieren. Hat die UBS mir das erzählt? Natürlich nicht. Erzählte mir Birkenfeld das? Nein. Wir trafen uns weiterhin, er kam auf meine Jacht, wir gingen auf Reisen und assen regelmässig zusammen.
Wenn nicht von Ihnen, woher hatten die US-Behörden die Informationen?
Olenicoff: Von Bradley Birkenfeld. Er plappert ja noch immer wie ein Papagei. Deshalb ist seine Strafe noch nicht festgesetzt. Birkenfeld dachte, wenn er mich und andere Kunden sowie die UBS bei den Behörden anschwärzt, kriegt er eine mildere Strafe. Das ist nach wie vor möglich, obwohl ich es nicht hoffe.
Sie sind jetzt ein geständiger Betrüger und haben die UBS auf 500 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Gefällt Ihnen die Opferrolle?
Olenicoff: Ich möchte in keiner Weise der Tatsache widersprechen, dass ich das Gesetz gebrochen habe. Ich bin schuldig. Ich habe meine Steuererklärung nicht ordentlich ausgefüllt.
Dafür fordern Sie 500 Millionen Dollar?
Olenicoff: Alles Geld, das ich von der UBS in dieser Klage erhalte, verwende ich – nach Abzug der Anwaltskosten – für gemeinnützige Zwecke. Wenn man aber in Betracht zieht, wie viel ich in den letzten zehn Jahren erwirtschaftet habe, übertrifft dies 500 Millionen Dollar bei weitem. Das gelang mir dank gutem Ruf. Mein Handschlag reichte, Kredite zu kriegen. Die UBS hat meiner Glaubwürdigkeit und der Möglichkeit, Geld auszuleihen, schwer geschadet. Meine Familie wird von nun an stets erklären müssen, warum ich ein Verbrecher bin.
Gibt es Umstände, unter denen Sie mit der UBS einen Vergleich schliessen?
Olenicoff: Natürlich, ich bin ein pragmatischer Geschäftsmann. Rechtsfälle müssen durch Vergleiche gelöst werden. Rechtsstreitigkeiten löst man am besten aussergerichtlich.
Wie viel müsste Ihnen die UBS zahlen?
Olenicoff: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Es hängt davon ab, ob die Angeschuldigten bereit sind, mit mir einen Vergleich zu schliessen. Erst dann können wir Verhandlungen aufnehmen.
Wie oft waren Sie in der Schweiz?
Olenicoff: Sechs- oder siebenmal, erstmals vor dreissig Jahren. Als junger Mann reiste ich im VW-Bus durch Europa. Die Schweiz mochte ich, weil sie sauber und ehrlich ist und weil die Leute genau arbeiten. Ich hatte das Gefühl, man könne die Brieftasche verlieren, man kriege sie zurück, und jeder Cent ist noch drin.
Eine Stütze der Schweiz ist das Bankgeheimnis. Was halten Sie von diesem Gesetz?
Olenicoff: Es ist ein nobler Gedanke und ein nobles Gesetz. Ich mag meine Privatsphäre. Allerdings ist der juristische Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung etwas komisch.
Verstehen Sie ihn denn?
Olenicoff: Ich lache darüber. Wer Steuerhinterziehung gutheisst, heisst Betrug gut. Bevor es das QI gab, hatte der Unterschied eine Berechtigung. Ein Amerikaner konnte selber entscheiden, ob er seine Anlagen deklariert. Nachher war es seine Pflicht und die Pflicht der Bank, amerikanische Gesetze einzuhalten. Das tat die UBS nicht.
Es passierte mit Ihrem Mitwissen. Wie oft hat die UBS gesagt: «Igor, es gibt Wege, das QI zu umgehen»?
Olenicoff: Nie. Ich hätte nicht mitgemacht. Ich hatte bei der UBS 200 Millionen Dollar in flüssigen Anlagen und hoffte, eine Rendite von vier Prozent zu erzielen. Das sind 8 Millionen Dollar. Davon hätte die US-Regierung 2 Millionen Dollar gekriegt. Ich hätte ihr auch 50 Millionen gegeben. Für mich ist das kein grosser Unterschied. Ich wollte, dass alles legal ist.
Was bedeutet Ihnen Geld?
Olenicoff: Es ist ein Massstab für Erfolg. Eine Reihe von Werten ist mir wichtig. Zuoberst stehen das Wohlbefinden und die Gesundheit meiner Familie. Dann mein Wohlbefinden, schliesslich das der Firma. Zuletzt kommen meine Errungenschaften, die ich mit Geld messen kann.
Wofür geben Sie Ihr Geld aus?
Olenicoff: Ich gebe es nicht aus.
Sie besitzen Jachten und Flugzeuge.
Olenicoff: Mein Jet stammt aus dem Jahr 1984, ich brauche ihn kaum. Ich besitze ihn seit sieben Jahren und bin in dieser Zeit damit lediglich 300 Stunden geflogen. Seit ich ein kleiner Junge bin, besitze ich Schiffe. Mein erstes war ein Ruderboot am Kaspischen Meer. Ich habe auf Schiffen gearbeitet, auf ihnenGeld verdient. Schiffe sind ein schönes Hobby von mir.
Was passiert sonst mit Ihrem Geld?
Olenicoff: Ich lege es auf die Bank. Und ich investiere es. Seit ich meinen Sohn verloren habe, gebe ich sehr viel in die Wohltätigkeit. Ich fliege Waisenkinder für Operationen in die USA. In Bangladesch baue ich gerade eine Schule für blinde Kinder.
Was denken Sie heute über die UBS?
Olenicoff: Ich bin wütend auf die Manager. Sie hatten ein Geschäftsgebaren entwickelt und umgesetzt, das nicht angemessen war. Insofern ist die gesamte Bank verantwortlich.
Wo liegt Ihr Geld jetzt?
Olenicoff: Bei der U.S. Bank. Damit fühle ich mich sehr wohl. Es ist ein anständiges Institut.
Werden Sie wieder einmal zu einer Schweizer Bank gehen?
Olenicoff: Ziemlich sicher nicht. Es gibt für mich keinerlei Gründe, mit einer Schweizer Bank ins Geschäft zu kommen.
Die Weltwoche konfrontierte die UBS mit den Vorwürfen von Igor Olenicoff. Die Bank schickte folgendes Statement: «Die UBS weist die Vorwürfe von Herrn Olenicoff entschieden zurück. Sie stammen aus einer Zivilklage, die er im vergangenen Jahr gegen die UBS und andere eingereicht hatte. Die UBS erachtet diese Klage und die erhobenen Vorwürfe als völlig unbegründet und wird sie energisch bekämpfen.»