Von Peter Hossli
Die Krise der UBS wirkt sich offenbar auf den Alltag in Zürich aus. Am Dienstag veröffentlicht die Personalberatungsfirma Mercer ihr alljährliches Ranking der Städte mit der höchsten Lebensqualität. Die noch gesperrte Studie, die dem «Sonntag» vorliegt, birgt Brisantes: Zürich und Genf, letztes Jahr noch Nummer eins und zwei, fallen je einen Platz zurück. An erster Stelle steht neu Wien, die charmante Hauptstadt Österreichs.
Untersucht wurden insgesamt 39 Kriterien, um die Lebensqualität einer Stadt zu bestimmen. Dazu zählen politische, soziale, wirtschaftliche und ökologische Faktoren. Auch die persönliche Sicherheit der Bewohner, die Gesundheitsversorgung, das Bildungswesen und Verkehrsangebote flossen in die Bewertung mit ein.
Einer der Gründe für die Verschiebung an der Spitze sei die Finanzkrise, gibt Mercer an. Während die Schweizer Top-Städte auf der Punkteskala stagnierten, legte Wien kräftig zu. Wacker an neunter Stelle in der von sieben europäischen Städten dominierten Top Ten hält sich Bern. Insgesamt hat Mercer 215 Städte nach politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien bewertet.
Für die Zwinglistadt ist der Rückschlag bitter. Siebenmal in Folge kürte Mercer Zürich zur Stadt, in der man sich am wohlsten fühlt. Zürich: «Seriensiegerin bei der Mercer-Studie», steht auf der offiziellen Webseite des Kantons Zürich. Zürich – das war fast ein Jahrzehnt Weltklasse. Downtown Switzerland, die Tourismusorganisation von Zürich, schrieb noch im letzten Juni stolz: «Gäste schätzen in Zürich vor allem die erstaunliche kulturelle und gastronomische Vielfalt sowie die zahlreichen Möglichkeiten für Genuss, Erholung und Entspannung für alle Sinne.»
Banker am Paradeplatz prahlten damit bei Kunden. Hipster im Schiffbau trugen auf abgewetzten T-Shirts stolz Züri-Slogans. Zürcher Medien trugen es in die Regionen. Stadtpräsident Elmar Ledergerber erzählte es bei selbstsicheren Auftritten an der Park Avenue in New York.
«Da können wir stolz drauf sein», meinte Stapi Elmar Ledergerber. «Ein tolles Resultat – das nicht selbstverständlich ist: Wir arbeiten ständig an der Lebensqualität», so Ledergerber
Nun ist das alles nicht mehr wahr. Wenige Tage vor seinem Rücktritt muss er die Schmach des Abstiegs hinnehmen. Am Donnerstag übergibt Ledergerber die Schlüssel zum Stadthaus an Nachfolgerin Corine Mauch. Für eine Stellungnahme waren der amtierende Stadtpräsident und seine Nachfolgerin am Samstag nicht zu erreichen.
Als Wirtschaftsplatz hätte Zürich nicht an Stärke eingebüsst, betont die Standortpromotionsagentur Greater Zurich Area (GZA). «Zürich ist hervorragend positioniert im globalen Standortwettbewerb», sagt GZA-Sprecher Marc Neumann. «Die Lebensqualität im Raum Zürich ist nach wie vor exzellent und dient als wichtiges Argument, um internationale Unternehmen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte mitsamt ihren Familien anzuziehen.» Zürich sei nicht schlechter, sondern Wien einfach besser geworden.
Recht gut stehen die kanadischen Städte da, vor allem wegen der Sicherheit. In Europa kommen auch die Deutschen auf gute Noten. Bei einer speziellen Bewertung, die gezielt auf die Gesundheitsversorgung und Umweltaspekte abzielte, schneiden die deutschen Städte im Schnitt jedoch schlechter ab als bei der Lebensqualität im Allgemeinen.
Deutlich abgeschlagen sind Metropolen wie Paris, London und New York. Nicht verändert hat sich die letzte Position. Das Schlusslicht trägt nach wie vor die irakische Hauptstadt Bagdad. Nur wenig besser ist die Lebensqualität in Bangui (Zentralafrikanische Republik), Brazzaville (Kongo) und Khartum (Sudan).
Geht’s ein wenig präziser?
Wien, das positiv erwähnt wird, ist von der Systemkrise ja auch betroffen …