Von Peter Hossli (Text) und Robert Huber (Bild)
Mit elf Kugelschreibern kritzelte Barack Obama Ende Januar die Buchstaben seines Namens unter den «Fair Pay Act». Es war das erste Gesetz, das der frisch gewählte Präsident verabschiedet hatte. Möglichst viele Frauen sollten einen Stift als Erinnerungsstück erhalten. Zumal sie jahrelang dafür gekämpft hatten, sich vor Gericht gegen ungerechte Bezahlung wehren zu dürfen. Dieses Recht erteilt ihnen nun Obama.
Damit will er den Gang der Konjunktur vor weiterem Ungemach bewahren. Denn immer mehr amerikanische Familien sind, so weiss er, abhängig vom Einkommen der Mutter. Erstmals in der Geschichte der USA leisten Frauen die Hälfte der bezahlten Arbeit, so das statistische Amt. Bei der ersten Erhebung 1870 machten Frauen nur 15 Prozent der Arbeiterschaft aus. In der Schweiz bewältigen die Frauen laut Bundesamt für Statistik 36,5 Prozent der Erwerbsarbeit.
Amerikanische Frauen unterrichten an Universitäten, handeln mit Wertschriften, bauen Autos, fabrizieren Bomben in Oklahoma, oder sie verdingen sich in New York als Reporterinnen. Ein Bereich ist nach wie vor eine Männerdomäne – die Baustelle. Das sei der Hauptgrund, warum die Rezession zur Männerkrise werde, sagt Ökonomin Heather Boushey von der Denkfabrik Center of American Progress. Vier von fünf der abgebauten Stellen hätten Männer besetzt, sagt sie, viele davon auf dem Bau. «Das Ende des Immobilienbooms stellte viele Bauarbeiter kalt, nicht aber Frauen.»
Frauen bilden sich öfter weiter
Alle zehn Jahre würde in den USA der Frauenanteil bei der bezahlten Arbeit zwischen 2,5 und 4 Prozent steigen, sagt der Präsident der ResearchFirma Job Search Intelligence, Paul Hill. Der Trend halte an. «Frauen bilden sich besser aus als Männer», sagt Hill. «Sie treffen ihre Berufswahl analytischer, und sie besetzen derzeit Berufsfelder, die gefragter sind › Jobs, die einen hohen Bildungsgrad erfordern.» Bereits in 10 bis 15 Jahren, glaubt er, würde es in den USA mehr Ingenieurinnen als Ingenieure geben, mehr Mathematikerinnen als Mathematiker, mehr Ökonominnen als Ökonomen. Männer seien träge, sagt Hill. «Sie wählen falsche Berufe und bilden sich kaum weiter.»
Folgen habe dieser Wandel für Familien. «Verlieren Frauen ihren Job, leisten sie mehr Hausarbeit, geraten Männer in die Arbeitslosigkeit, trinken sie vor dem Fernseher Bier», sagt Ökonomin Boushey. Da die jetzige Rezession lange dauere, erwartet sie «einen Umbau der Gesellschaft».
Als «Nation der Frauen» beschrieb letzte Woche die First Lady Kaliforniens, Maria Shriver, die USA. Mit der University of California und dem Center for American Progress will die Nichte von Präsident John F. Kennedy die Folgen des steigenden Frauenanteils auf die amerikanische Gesellschaft studieren.
Rund «20 bis 30 Jahre» werde es etwa dauern, bis zwischen den Geschlechtern absolute Lohngleichheit eintrete, sagt Statistiker Hill. Vollbeschäftigte Frauen erhalten in den USA bloss 78 Cents für jeden Dollar, den Männer kriegen. «Frauen werden bestraft, weil sie Kinder kriegen können, und sie werden nochmals bestraft, wenn sie Kinder haben», sagt Hill. Zahlen geben ihm recht. Unverheiratete kinderlose Frauen verdienen 96 Prozent dessen, was Männer in ähnlichen Arbeitssituationen erhalten. Wohingegen verheiratete Mütter, die arbeiten, nur 69 Cents für jeden Dollar kriegen, den Männer erhalten. Alleinerziehende Mütter tragen knapp die Hälfte eines Männerlohnes nach Hause.
Wo die Frauen sogar mehr verdienen
Dabei schadet solche Lohnungleichheit der Wirtschaft, stellte der Ökonom Kevin Daly von Goldman Sachs vor zwei Jahren fest. Würden Männer und Frauen gleich viel verdienen, wäre das Bruttoinlandprodukt der USA um 9 Prozent höher, jenes der Euro-Zone um 13 Prozent, das von Japan gar um 16 Prozent. Da bei Lohngleichheit das jährliche Einkommen der amerikanischen Familien um 200 Mrd. zunähme, könnte die Armutsrate halbiert werden, hat die National Organization for Women berechnet.
Je höher der Ausbildungsgrad der Frauen, desto mehr würden sie verdienen. Das sei besonders in Zentren der Fall. So verdienen junge, gut ausgebildete Frauen in New York bereits 17 Prozent mehr als Männer, in Dallas sogar 20 Prozent, geht aus einer Studie des Queens College hervor. Als Hauptgrund wird die höhere Studienabgangsrate unter Frauen angegeben. Im Jahr 2005 hatten 53 Prozent der Amerikanerinnen zwischen 20 und 30 einen Studienabschluss, während nur gerade 38 Prozent der Männer derselben Altersklasse eine ähnlich gute Ausbildung vorweisen konnten.
Weniger Kinder bedeutet das nicht. Im Gegenteil: Je geringer die Kluft zwischen Männern und Frauen sei, desto eher kriegen Frauen Kinder, sagt Ökonom Daly. Der Grund: Wo Frauen öfter arbeiten, gibt es gute Angebote für externe Kinderbetreuung.