Von Peter Hossli
Am Dienstag trifft sich die mächtige Finanzkommission des US-Senats. Zur Debatte stehen zwei Gesetze, mit denen Amerika gegen Steuerhinterziehung in Offshore-Finanzplätze vorgehen könnte. Eines würde den Finanz- und Wirtschaftplatz Schweiz schwer treffen. Geleitet wird die Kommission von Senator Max Baucus (67), einem kühnen Demokrat aus Montana. Er allein kann festlegen, welche Finanzgesetze im Parlament zur Abstimmung kommen.
Baucus ist wütend, heisst es in Washington. Nicht auf die Schweiz, sondern auf Senator und Parteikollege Carl Levin (74). Als Retter der amerikanischen Schatzkammer hatte sich Levin in den letzten Wochen aufgespielt. Vor den Augen der Weltpresse lancierte er den Stop Tax Haven Abuse Act. Mit dem Gesetz will er Steueroasen wie die Schweiz trockenlegen und die Reichweite der US-Gesetzeshüter markant ausbauen.
Levin, der das Schweizer Bankgeheimnis als «cash cow» beschimpft, will den «totalen Informationsaustausch» bei Bankdaten. Ausserhalb der USA eingetragene Firmen, die von Amerika aus geführt werden, müssten künftig in den USA besteuert werden, verlangt er. Dafür hätte er die «volle Unterstützung der US-Regierung», sagte Levin unlängst zu «Sonntag».
Derweil regt sich Widerstand. «Levins Ansatz widerspricht dem amerikanischen System», sagt Alan Appel, ein Rechtsprofessor der New York Law School und Anwalt für internationales Steuerrecht bei der Kanzlei Bryan Cave. «Die Levin-Bill entspricht europäischer Denkweise, sie ist nicht durchdacht, und sie hat negative Auswirkungen auf den amerikanischen Finanzplatz», sagt Appel.
So würde ein Grossteil der Hedge Funds aus den USA abziehen. New York könnte die Stellung als Zentrum der Private-Equity- und Hedge-Fund-Industrie an London und Hongkong verlieren. «Ich stufe die Chancen der Levin-Bill als gering ein», sagt Appel. Zumal «sich die Lobbyisten der Finanzindustrie jetzt mit aller Macht auf das Gesetz einschiessen».
Und weil nicht Levin sondern Baucus der mächtige Senator bei Finanzfragen sei. Der lancierte unlängst einen eigenen Vorschlag, der diametral in eine andere Richtung zielt. Baucus greift nicht Länder, ausländische Firmen oder Banken an. Er will der US-Steuerbehörde mehr Macht einverleiben und die Vorschriften für US-Steuerzahler verschärfen. Geht es nach ihm, müssten Geldtransfers über 10’000 Dollar von den USA ins Ausland künftig dem Fiskus gemeldet werden. Von Amerikanern im Ausland gehaltene Wertgegenstände wie Schmuck oder Kunst dürften steuerlich gleich behandelt werden wie Aktien und Obligationen.
Will Levin amerikanische Gesetzeshüter zu Weltpolizisten umschulen, verlangt Baucus von US-Steuerzahlern mehr Transparenz und stärkt die Vollstreckung bestehender Gesetze. «Es ist ein Vorschlag, der in den USA auf weit mehr Konsens stösst als die Levin-Bill», sagt Jurist Appel. Zumal Baucus ausdrücklich betont, er wolle US-Firmen ermutigen, in den USA zu bleiben.
Wirft Levins Vorschlag vor allem in der Schweiz hohe Wellen, findet er in den USA wenig Beachtung. «Kaum jemand im US-Kongress interessiert sich für Levins Gesetz», sagt der ehemalige US-Kongressabgeordnete aus Maryland Robert Bauman. «Von 100 US-Senatoren haben bisher nur gerade deren vier Levin die Unterstützung zugesagt.» Zudem glaubt Bauman, der jüngste bundesrätliche Entscheid, das Bankgeheimnis zu lockern, «erledigt die Levin-Bill komplett». Levin beteuert, das Gesetz voranzutreiben. Mit kargen Aussichten. «Baucus, nicht Levin ist bei Steuerfragen der starke Mann», so Bauman.
Zuversicht herrscht in diplomatischen Kreisen der Schweiz. Die Kompetenz liege nun klar bei Baucus, heisst es. Der gebe das Heft keinesfalls aus der Hand. Abgesehen von Levin spreche in den USA niemand von einer schwarzen Liste, auf welcher die Schweiz erscheinen soll. Die Zeit von Levin sei abgelaufen, glauben die Diplomaten.