Von Peter Hossli
Der Zune, schrieb das «Wall Street Journal» unlängst hämisch, sei auf dem besten Weg, von «geringem zu keinem Marktanteil» abzusacken. Eine Schmach für Microsoft. Der Software-Gigant hoffte, mit dem digitalen Musikplayer Zune ähnliche Erfolge zu verbuchen wie Konkurrent Apple mit dem iPod. Microsoft, sonst übermächtig, scheiterte damit aber kläglich. Von 185 Millionen auf 85 Millionen Dollar fiel zuletzt der Quartalsumsatz beim Zune. Gleichzeitig setzte Apple mit iPods 3,37 Milliarden Dollar um.
Müder Koloss
Der Zune-Flop ist eines der vielen Anzeichen, wie müde der Koloss geworden ist. Jahrzehntelang bescherte die Microsoft-Aktie Anlegern und Angestellten deftige Renditen. Seit dem Ende der IT-Blase bewegt sie sich jedoch hauptsächlich seitwärts. Im letzten Jahr brach sie regelrecht weg, zuletzt auf unter 17 Dollar und somit auf den tiefsten Stand seit elf Jahren.
Der jüngste Quartalsgewinn von 4,1 Milliarden Dollar enttäuschte Analysten. Erstmals in seiner Geschichte veranlasst Microsoft Massenentlassungen. 5000 der total 94 000 Angestellten müssen in den nächsten 18 Monaten den Konzern verlassen. Zudem friert Microsoft Löhne ein, kürzt Reisebudgets und verkleinert den geplanten Neubau am Hauptsitz in Redmond bei Seattle.
Verpasst hat Microsoft viele Trends. Der Riese unterschätzte die Bedeutung von Suchmaschinen, Netzwerken wie Facebook, Online-Musik und Werbung. Zu lange dauert die Neuausrichtung. Das jahrelang erfolgreiche Geschäftsmodell – Betriebssysteme und Geschäftssoftware für Computer zu verkaufen – läuft aus. Zunehmend verlegt sich Software vom PC ins Internet. Nicht mehr Computer stehen im Zentrum – und somit Windows von Microsoft –, sondern die Information, die online abgelegt wird. Erfolg hat, wer sie sortieren kann. Daher bevorzugen Investoren internetbasierende Technologiefirmen wie Google.
Zumal Google zunehmend das Kerngeschäft von Microsoft aushöhlt. Kostenlos offeriert die Firma online Programme, die können, was Microsoft-Klassiker Word und Excel erledigen. Gratis vom Netz laden lässt sich zudem das Programm Open Office. Wohl daher verzichtet Microsoft vorerst auf eine frische Version des einstigen Goldesels Office.
Googles Server-Farmen
Nur eine Frage der Zeit ist es, bis auch Betriebssysteme online liegen, wohl gesteuert von Googles Server-Farmen. Mit Android hat der Suchmaschinenkonzern bereits ein Betriebssystem, das smarte Mobiltelefone betreibt. Schon bald soll es auf den so genannten Netbooks zum Einsatz kommen. Das sind kleine Laptops, die wegen ihres günstigen Preises mächtig an Popularität zulegen. Versprechen die Netbooks Google Wachstum, schaden sie Microsoft. Stattet der Software-Riese ein Netbook mit Windows aus, bringt das die Hälfte des Umsatzes eines herkömmlichen Computers.
Ohnehin trifft die Wirtschaftskrise Microsoft. Sinkt die Nachfrage nach Rechnern, sinkt der Umsatz mit Windows. Um satte 24 Prozent soll der PC-Verkauf dieses Jahr schrumpfen, prophezeite unlängst Morgan Stanley. Eine rasche Erholung erwartet Microsoft-Chef Steve Ballmer nicht. «Die Wirtschaft wird während relativ langer Zeit relativ schwach sein», sagte er letzte Woche zu Analysten.
Defizit bleibt bestehen
Die Zukunft von Technologiefirmen liegt nicht bei Software, sondern bei Werbung, die durch Software effektvoll platziert wird. Schon vor drei Jahren gelobte Konzernchef Ballmer, jede Abteilung werde online Werbegelder generieren. Zudem müsse die Internet-Suche forciert werden. Nun tönt er ernüchtert. Die Chance, zu Google aufzuschliessen, sei «unglaublich gering», warnte Ballmer Investoren. «Es ist unmöglich, den Marktanteil innert Jahresfrist von 4 auf 25 Prozent zu steigern.»
Wettmachen will Microsoft dieses beträchtliche Defizit seit langem mit dem Kauf der Internetfirma Yahoo. Bisher mit wenig Erfolg. Trotz lukrativem Angebot wies Yahoo-Gründer Jerry Yang Microsoft öfter zurück. Der neuen Chefin Carol Bartz bot er an, nur den Suchdienst abzukaufen. Auch sie lehnte ab. Yahoo sei als Ganzes weit stärker, als «zerstückelt den Hühnern verfüttert zu werden».
Derweilen droht Microsoft juristisches Ungemach. Letzte Woche schloss sich
Google einer kartellrechtlichen Klage der Europäischen Union gegen Microsoft an. Die EU wirft dem Software-Konzern vor, widerrechtlich den Browser Internet Explorer an das Betriebssystem Windows zu knüpfen. Dadurch entstehe für andere Browser-Anbieter ein klarer Wettbewerbsnachteil. Die Klage kommt ungelegen. Microsofts Marktanteil bei Browsern ist bereits stark gebröckelt. So surften im vergangenen Januar 68 Prozent der Internetnutzer mittels Internet Explorer. 2007 waren es 80 Prozent, vor zehn Jahren 95 Prozent gewesen.
Indes wagt Microsoft einen Schritt nach vorne. Ähnlich wie das Apple sei Jahren tut, will Microsoft in schicken Geschäften Produkte darbieten. Das zu einem Zeitpunkt, während dessen landesweit die Computergeschäfte massenhaft dichtmachen.