Wehrlos

Seit einem Jahr brodelt der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA. Ohne öffentliche Gegenwehr der Schweiz.

Von Peter Hossli

bundesrat.jpgModerne Kriege gewinnt, wer besser kommuniziert. Demnach verliert die Schweiz den von Finma-Chef Eugen Haltiner als «Wirtschaftskrieg» benannten Steuerstreit mit den USA.

Regelmässig legen die «New York Times» und das «Wall Street Journal» seit bald einem Jahr Fakten und Drohungen der amerikanischen Behörden gegen die UBS und den schweizerischen Finanzplatz vor. Als seien die Zeitungen Sprachrohre des Justizministerium, geben sie gezielt gestreute Aussagen der Ankläger weiter. Oft mit grosser Wirkung und stets ohne schweizerische Sichtweise.

So wusste die «New York Times» am Donnerstag, die UBS müsse dem amerikanischen Finanzdepartment weitere 800 Millionen Dollar an Quellensteuer zurückzahlen. Anfang Februar berichtete das Blatt, würde die UBS die Namen von betrügerischen Kunden nicht herausrücken, drohe ihr eine unheilvolle Strafanzeige. Quelle: Ein US-Regierungsvertreter. Zwei Wochen später wurde das Gerücht Fakt. Die UBS lieferte Kundendaten aus.

Die offizielle Schweiz selbst schweigt in den USA, als sei ihr in Bern ein Knebel verpasst worden – obwohl sie in der grössten Krise mit Amerika seit der Debatte über nachrichtenlose Konten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs steckt. Zwar sorgt das Thema in den USA für weniger Aufsehen als in der Schweiz. Aber: «Es fehlt an einer klaren Strategie aus Bern, deshalb können wir in den USA gar nicht richtig kommunizieren», tönt es frustriert aus diplomatischen Kreisen.

Je ein Botschafter vertritt die Schweiz in Washington und in New York. Ihre Hände scheinen gebunden. Ohne Gegenwehr sehen sie zu, wie US-Beamte die US-Medien gezielt mit Informationen bedienen. Sie selbst nehmen an der in den USA so wichtigen öffentlichen Debatte nicht teil. Botschafter anderer Länder hofieren US-Journalisten. Hat ein Land ein bilaterales Problem mit Amerika, räumt die «New York Times» deren Präsidenten schon Mal Platz auf der Meinungsseite ein. Davon Gebrauch machten weder Finanzminister Hans-Rudolf Merz noch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Zuviel Misstrauen herrsche untereinander, ist aus Bern zu hören.

Zwar sagte die Schweiz ihre Teilnahme an einem nächste Woche abgehaltenen Senatshearing zu Steueroasen in Washington mit der Faust im Sack ab. Warum? Das kommuniziert sie in den USA nicht, was den Eindruck verstärkt, die Schweiz hätte etwas zu verbergen.

Ruft ein Reporter in New York in Sachen UBS beim Generalkonsulat an, wird er nach Washington verwiesen. Washington verweist nach Bern. Das EDA verweist ans EFD. Alle sagen dasselbe: «Wir können nichts sagen.» Oder: «Wir wissen nichts.» Der Standardsatz: «Die Kommunikationshoheit liegt beim EFD.» Zuweilen löst das kollektive Schweigen Kopfschütteln aus. «Die Schweiz verhält sich wie während der Holocaust-Debatte», sagt ein ehemaliger Sprecher des Bundes. «Ohne zu lernen, sind alle etwas älter geworden.»

Hinter vorgehaltener Hand wird von «Eifersüchteleien zwischen den Departements» geredet, vor allem zwischen den Mitarbeitern von Merz und Calmy-Rey. Es sei «wichtiger, den anderen reinzulegen, als etwas zu erreichen», sagt eine dem EDA nah stehenden Person. «Der Dauerstreit zwischen den sieben Bundesräten hat zu einer Lähmung in Sachen USA geführt.» Erneut erwies sich die Konkordanz als unfähig, die Schweiz im Ausland geschlossen zu vertreten. Wohl deshalb wurde die Taskforce erst jetzt eingesetzt, obwohl der Konflikt seit langem brodelt.

Lang hielt sich auch die Schweizerische Bankiervereinigung zurück. Sie vertrete den Finanzplatz als Ganzes und nicht die UBS, sagt Sprecher Jean-Marc Felix. «Der Steuerstreit ist ein Thema der UBS und des Bundes, uns fehlten die Informationen, darüber zu informieren.» Passiv blieb die Bankiervereinigung nicht. Drei bis vier Mal jährlich reist sie in die USA. Dabei informiert sie die amerikanischen Behörden und Medien über die Gepflogenheiten des Finanzplatzes, die Arbeit der Schweizer Banken bei der Terrorbekämpfung und über das Bankkundengeheimnis.

Seit nun Kundendaten in die USA überstellt wurden, nimmt die Bankiervereinigung das Thema ernst, sagt Sprecher Felix. Es betrifft jetzt den ganzen Finanzplatz. Aktiv führt sie Gespräche mit den Schweiz- und Europa-Korrespondenten wichtiger amerikanischer Zeitungen.

Immerhin publizierte das «Wall Street Journal» letzte Woche einen Leitartikel, der mit dem unilateralen Vorgang gegen die UBS und die Schweiz hart ins Gericht geht.