Der Asphaltengpass

Mit staatlichen Bauprogrammen möchte der neue Präsident Barack Obama die US-Wirtschaft ankurbeln. Dabei droht er ein bestehendes Problem zu verschärfen. Der Baustoff Asphalt ist in den USA knapp geworden.

Von Peter Hossli

steamroller.jpgMit der Hand auf der Bibel lässt sich Barack Obama am Dienstag zum 44. Präsidenten der USA vereidigen. Abends tanzt er mit Gattin Michelle auf zehn verschiedenen glamourösen Bällen. Am Mittwoch wird es dann ernst. Mit einer kolossalen staatlichen Geldspritze gedenkt Obama das Land aus der prekärsten Wirtschaftskrise seit 75 Jahren zu ziehen. Heisst das Parlament seinen Plan gut, gibt Obama landesweit etwa eine Billion Dollar aus. 300 Milliarden Dollar davon fliessen in Bauprojekte.

Bereits wird fünf Prozent importiert

Erreichen will der neue Präsident zweierlei: Er hofft, den rasanten Verlust an Arbeitsplätzen zu stoppen und zugleich die Gemeinschaftseinrichtungen der USA zu stärken. Die Absicht ist richtig, der Bedarf riesig. Ame-rikas öffentliche Infrastruktur ist komplett überaltert und stammt grösstenteils aus der Zeit als Franklin D. Roosevelt in den 30er-Jahren mit einem ähnlichen Programm die USA aus der Grossen Depression zerrte. Dämme bersten. Brücken bröckeln. Autobahnen sind löchrig und führen jährlich zu Tausenden von Unfällen.

Nur: Der zentrale Baustoff für den Strassen- und den Hochbau ist in den USA knapp geworden. Täglich verbaute Amerika im letzten Jahr 20 000 Fass mehr Asphalt, als es herstellte. Das entspricht rund fünf Prozent des Bedarfs. Obamas Wirtschaftsankurbelungsprogramm dürfte den Engpass auf täglich 250 000 Fass flüssigen Asphalts erhöhen, schätzen Analysten. Fast 300 000 Fass zu wenig Asphalt erwartet der grösste amerikanische Asphaltproduzent NuStar Energy bis im Jahr 2012. Das entspricht 87 Kilometer Strasse, die jeden Tag unbelegt bleiben.

Löchriger noch werden die abgetakelten Autobahnen in New Jersey, unbefahrbar viele Strassen in den Metropolen. Seit Monaten warten etwa Automobilisten im Süden der texanischen Küstenstadt Corpus Christi auf einen neuen Belag. Abends und morgens stauen sich dort die Autos auf der Weber Road. «Wir haben nicht genügend Asphalt», verteidigte sich letzte Woche das texanische Strassenverkehrsamt.

Preis hat sich beinahe verdreifacht

Mit den hohen Treibstoffpreisen der vergangenen zwei Jahre lässt sich der Asphalt-Engpass erklären. Als die Benzin-, Diesel- und Kerosinpreise fast täglich neue Rekorde erklommen, stiessen viele amerikanische Raffinerien ihre Asphaltmaschinen ab. Stattdessen kauften sie so genannte Coker › bis zu einer Milliarde Dollar teure Apparate, die selbst aus schwerem und klobigem Rohöl Brennstoffe für Autos, Lastwagen und Jets erzeugen.

Drastisch reduziert hat sich dadurch der Anteil des Öls, der zu Baustoffen verarbeitet wird. Wurden in den Vereinigten Staaten zuvor durchschnittlich 40 Prozent jedes Fasses Erdöl zu Asphalt raffiniert, schrumpfte der Anteil innert Kürze auf rund 10 Prozent.

Verringert hat sich das Asphaltangebot überdies durch die gestiegene Nachfrage in China, Indien und Brasi-lien. Zumal schlossen jüngst zwei europäische Fabriken, die den Zusatz Polymer fertigten. Infolge verdreifachten sich im letzten Jahr die Preise für den Baustoff, von knapp 300 Dollar die Tonne auf über 800 Dollar. Hunderte von Gemeinden verschoben 2008 ihre Strassenbau-Projekte. Ein Trend, den Obamas Förderprogramm verstärken dürfte. «Weit höhere Asphaltpreise» erwartet Asphalt-Analyst Ben Teplitz von Platts, einer Firma, welche weltweit die Energiebranche beobachtet.

Tiefer Benzinpreis hemmt Produktion

Als «für die Asphaltindustrie gigantisch» beschreibt er Obamas Bauplan. Pro Jahr würden 18 Milliarden Dollar mehr für den bereits rar gewordenen Baustoff ausgegeben. «Akute Engpässe» sagt der Analyst für den Frühling voraus, wenn wärmeres Wetter wieder Strassenbau zulässt.

Da Asphalt für die meisten Raffinerien ein Nebenprodukt der Fertigung von Benzin, Diesel und Kerosin ist, verknappen paradoxerweise deren drastisch gefallenen Preise den Baustoff. Raffinerien erzielen derzeit kaum mehr Gewinne mit Benzin. Deshalb legen sie Teile ihrer Anlagen still. «Je weniger Benzin produziert wird, desto weniger Asphalt kommt auf den Markt», sagt Analyst Teplitz. Rasch ändern dürfte sich das nicht. In den nächsten drei Jahren nehmen amerikanische Raffinerien rund ein Dutzend der extrem teuren Coker in Betrieb. Statt Asphalt für Strassenbelege fertigen diese aus klobigem Öl dann Benzin.

Vom Notstand und höheren Preisen zu profitieren, hofft der börsenkotierte Konzern NuStar. Für 450 Millionen Dollar kaufte er letztes Jahr die beiden grössten Asphaltraffinerien Amerikas in New Jersey und Georgia. Zuvorkommen möchte NuStar, was Energieexperten voraussagen › dass sich die Asphaltimporte in die USA verzehnfachen. Trifft das ein, beflügelt der Wirtschaftsstimulus von Obama nicht die heimische Wirtschaft, sondern ausländische Asphaltfabrikanten.