Von Peter Hossli
Der Zementfabrikant Pretech in Kansas City ist ein amerikanischer Musterbetrieb. Seit fünfzehn Jahren hat die Firma niemanden entlassen. Letzten Oktober drohte dieser Trend abrupt zu enden. Drastisch brachen im Zuge der Rezession die Aufträge ein. Just entschied der Pretech-Chef, Überstunden nicht mehr zu bezahlen. Die Weihnachtsfeier wurde abgesagt. Statt fünf Tage die Woche dampfen die Maschinen nur noch deren vier. Das Resultat: Pretech entlässt niemanden.
Pretech ist kein Einzelfall. Ob in Bürotürmen in Manhattan, Fabriken im Rostgürtel des Mittleren Westens oder in High-Tech-Bauten im Silicon Valley – überall mindern US-Firmen Arbeitskosten, damit sie möglichst viele Arbeiter auf den Lohnlisten behalten können.
Die drei US-Autohersteller legen ihre Fabriken Ende Jahr zwei Wochen lang still. Chrysler schliesst heuer einen Monat alle dreissig Werkstätten. Ford hat den Zwangsurlaub von zwei auf drei Wochen verlängert. Zehntausende von Arbeitern drehen auch bei Reifen- und Ersatzteilherstellern Daumen. Von den zwei Wochen, während deren die Fabrik des Wohnmobilherstellers Winnebago stillsteht, erhalten die Arbeiter nur eine Woche Lohn. Der Rektor der Brandeis University in Boston schlug noch im Dezember vor, 300 Professoren sollen auf 1 Prozent ihres Salärs verzichten. Relativ schmerzlos könnten alle Stellen in der Verwaltung bewahrt werden. Bisher haben 30 Prozent den Plan gutgeheissen.
Zumindest verlangsamen sollen solche Initiativen den kolossalen Stellenabbau, den Amerika derzeit erlebt. Mehr als 2 Millionen Jobs gingen im Jahr 2008 verloren. Letzten November waren es über eine halbe Million. Ökonomen erwarten für Dezember und Januar 2009 noch trübere Zahlen. Zumal die Weihnachtsumsätze geringer als befürchtet ausfielen. Die von Barack Obama in Aussicht gestellten staatlichen Ankurbelungsprogramme reichen kaum, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Gefragt sind Opfer, nicht nur im Privatsektor. Polizisten und Feuerwehrleute der texanischen Stadt Galveston etwa stimmten Gehaltseinbussen von 3 Prozent zu. Die Stadt am Golf von Mexiko verhindert so Kündigungen.
Das Konzept landesweiter Kurzarbeit geht auf die Zeit der Grossen Depression zurück, als die Arbeitslosigkeit auf 25 Prozent hochschnellte. Ein Senator aus Alabama regte damals an, Unternehmen den zwischenstaatlichen Handel zu untersagen, deren Arbeiter länger als dreissig Stunden wöchentlich schuften. Der Vorschlag scheiterte, da sich Amerikaner vom Staat ungern befehlen lassen, wie hart sie arbeiten dürfen. Allerdings nahmen etliche Firmen die Idee auf und reduzierten die bezahlte Arbeitszeit freiwillig. Die meisten Amerikaner sind auch heute zu Konzessionen bereit, falls Stellen gesichert werden und auch die Chefs den Zahltag verringern. Diese nehmen nun oft die höchsten Einbussen in Kauf.
Bei Motorola verzichten die zwei Co-CEOs Greg Brown und Sanjay Jha freiwillig auf 25 Prozent des Lohns. Den Bonus für 2008 streichen sie sich ans Bein. Je höher der Rang eines Angestellten beim Transportunternehmen Fed Ex ist, desto höher fällt die Kürzung aus. Der Chef, Fred Smith, verzichtet 2009 auf 20 Prozent seines Einkommens. Mitglieder des Managements erhalten 10 Prozent weniger, der Rest des Personals 5 Prozent. Fed Ex kommt einem zu erwartenden Auftragsrückgang zuvor. Sogar um 50 Prozent kappt der Baumaschinenhersteller Caterpillar die luftigen Saläre der Chefetage.
Ohnehin schrumpft in wirtschaftlichen Schieflagen die Lohnsumme in den USA. Gemäss dem Ökonomen Richard Freeman von der Harvard University geht das totale Einkommen der Amerikaner in Rezessionen jeweils bis um 50 Prozent zurück. Grund: Ein beachtlicher Teil der Gehälter besteht aus Boni und Aktienoptionen. Diese fallen geringer aus, wenn Börse und Wirtschaft schwächeln.
Personalkosten vermindern US-Konzerne zusätzlich, indem sie Pensionskassenbeiträge aussetzen. Damit spart Unisys dieses Jahr 50 Millionen Dollar. Motorola setzt die Zahlungen aus, ebenso General Motors. Der für hervorragende Sozialleistungen bekannte Kaffeebrauer Starbucks teilte dem Personal Ende Jahr mit, 2009 könnten die Pensionskassenbeiträge nicht mehr angeglichen werden.
Laut der Beraterfirma Watson Wyatt haben bereits 2 Prozent aller US-Firmen ihre Beitragsleistungen gestoppt. Dieses Jahr sollen noch einmal 4 Prozent hinzukommen. Die Massnahmen scheinen bereits zu fruchten. Ende November gaben laut Watson Wyatt 23 Prozent der US-Firmen an, sie entliessen im Jahr 2009 Personal. Ein Monat zuvor waren es noch 26 Prozent gewesen.