Weisser Kragen, dreiste Deals

Der Fall von Blender Bernard Madoff verblüfft. Warum betrügen reiche und angesehene Menschen? Zwei Weisskragenkriminelle denken hinter Gittern darüber nach.

Von Peter Hossli

kozlowski3.jpgBernard Madoff hatte, was es braucht. Eine glückliche Ehe, zwei erfolgreiche Söhne, einflussreiche Freunde, Geld. Vorletzte Woche verhaftete das FBI den New Yorker Anlageberater. Madoff, 70, ist geständig, mit einem cleveren Schneeballsystem 50 Mrd. Dollar von Hedge-Funds-Kunden verpufft zu haben. Sein Leben, sagt er, «war eine grosse Lüge».

Offen bleibt, was einen, der alles hat, zum Finanzbetrug treibt. Madoff schweigt. «Viele klauen wegen Mätressen, Ehefrauen verpfeifen sie», sagt David Novak. Der Berater hilft straffälligen Bankern und CEOs, im Gefängnis klarzukommen. «Sie glauben, sie seien unverletzlich.» Bis sie erwischt werden.«Im Knast ist es für sie besonders schwierig zu akzeptieren, keine Macht mehr zu haben.»

Der Tyco-Chef fasste 25 Jahre Haft

Antworten liefern auch zwei Weisskragenkriminelle, die dieser Reporter 2003 und letzten Januar in US-Gefängnissen besucht hat. Als «aggressivsten CEO Amerikas» feierte das Magazin «Business Week» einst Dennis Kozlowski, Chef des Mischkonzerns Tyco. 200 Firmen kaufte er jährlich auf. 2005 fasste Kozlowski 25 Jahre Haft. Er hatte mit ausgeklügelten Tricks 400 Mio. Dollar gestohlen. Jetzt sitzt der stattliche Kerl mit dem runden Kahlkopf eingeknickt an einem Tisch im Besuchssaal eines Kerkers nördlich von New York. Seine Einzelzelle ist zwei Meter breit, drei Meter lang. Früher flog er per Helikopter ins Büro.

Kozlowski wuchs in einem Arbeiterviertel in New Jersey auf. Geld veränderte ihn, sagt er. «Mein Jahreseinkommen hat bestimmt, wer ich war.» Je mehr er kassierte, desto besser fühlte er sich. «Mit Geld habe ich meinen Erfolg gemessen.» Stieg das Glück? «Ich war arm, und ich war reich», sagt er. «Reich war ich glücklicher als arm.» Plötzlich steht er auf. «Darf ich rasch auf die Toilette?», fragt der Ex-Chef des 100-Milliarden-Dollar-Konzerns. Das WC im Besucherraum darf er nicht benutzen, zum Pinkeln eilt der 62-Jährige in die Zelle.

Skrupel hätte er nie gehabt. «Der Verwaltungsrat bewilligte die Saläre.» Eine Jury hingegen befand, er hätte Zuwendung von über 100 Mio. Dollar jährlich ergaunert. Nun wäscht er Leintücher und verdient wöchentlich 2 Dollar und 67 Cents. Einst besass er «Hunderte von Millionen», wie Kozlowski sagt. «Ich bin nie hin gesessen und habe mein Geld gezählt.»

Das Vermögen bescherte dem Arbeitersohn, was er nie hatte: Anerkennung in der High Society. Er feierte Feste, kaufte Kunst, genoss Frauen. Auf dem Zenit der Karriere verliess er seine Ehefrau und Mutter beider Töchter. «Damals verliebten sich die Frauen schnell in mich», sagt er. Just heiratete er eine jüngere und schönere. «Wäre ich ein Bauarbeiter oder ein armer Reporter gewesen, hätte sie sich nicht für mich interessiert.» Heute will sie ihn nicht mehr sehen. «Sie verliess mich, weil ich kein reicher und mächtiger CEO mehr bin.» Zuletzt blitzt etwas Reue auf. «Ich will hier lebend rauskommen und eines Tages etwas Positives für die Gesellschaft leisten.»

UBS-Banker baut Luftschlösser

peterhossliwalder_small.jpgWährend 20 Jahren erschlich Hanspeter Walder 75 Mio. Dollar von der UBS in New York, seinem Arbeitgeber. Der Privatbanker beantragte Kredite für Kunden, ohne es ihnen zu sagen. Als Sicherheit dienten deren hinterlegte Anlagen. Er zahlte Kredite mit neuen Krediten zurück. Da Kredite und Anlagen auf unterschiedlichen Konten geführt wurden, fiel es niemandem auf. Mit der Beute kaufte er in der Nähe von New York ein Schloss und baute es zum Luxushotel um.

Der angesehene Banker arbeitete in Zürich, Paris und Kairo. Als junger Vater kam er 1982 nach New York. Der Anfangslohn reichte nicht, denselben Lebensstil zu führen wie in Ägypten. Er begann zu klauen. Als es keiner merkte – «die Bank handelte fahrlässig», sagt er – stiegen die Beträge. Er kaufte das Schloss in der Absicht, es mit Gewinn abzustossen und mit dem Erlös den letzten Kredit zu decken. Nie sollte der Schwindel auffliegen.

Der Plan missriet. Die Renovation war teurer als erhofft. Als Walder sein Scheitern realisierte, «hiess es für mich, das Projekt um jeden Preis so luxuriös wie möglich fertig zu stellen». Unaufhörlich lagerte er Millionen um. «Ich wollte das Schloss und das daraus gewonnene Ansehen so lange wie möglich geniessen.» Er klotzte. «Ich wollte zeigen, dass man mit einem erstklassigen Produkt erfolgreich sein kann.» Stimme die Qualität, verziehe ihm die UBS, dachte er naiv. «Wahrscheinlich litt ich unter Grössenwahn.» Ein «Mischler und Spieler» sei er gewesen, sagt seine am Raub unbeteiligte Frau. Einer, der auf Festen die Reden hielt und mit Charme bezirzte.

Acht Jahre kriegte er. Er kommt 2009 raus – als 68-Jähriger. Was will er noch? «Versöhnung mit meiner Familie und inneren Frieden.» Er verspüre Bedauern, Resignation – und ein bisschen Stolz: «Ich habe ein Schloss zum Leben erweckt.»