King kämpft um sein Reich

Er wird grinsen. Er wird flotter quasseln und lauter rufen als andere. Doch Don King wird auch bangen, wenn am 20. Dezember Evander Holyfield und Nikolai Valuev im Hallenstadion in den Ring steigen.

Von Peter Hossli

king_valuev.jpgZürich könnte zur letzten Station der fabelhaften Karriere des Don King werden. Verliert Valuev, an dem er zusammen mit dem deutschen Boxstall Sauerland die Anteile hält, ist der legendäre Promoter beim nachfolgenden WM-Kampf der Schwergewichtler nicht mehr dabei – erstmals seit Jahrzehnten.

Wärs allein nach King gegangen, hätte er als Gegner von Valuev (34) nicht Holyfield (46) ausgewählt, sondern den Polen Andrew Golota (40), an dem er ebenfalls beteiligt ist. Wie üblich hätte er so nach dem Kampfan der Seite des Siegers seine Fähnchen schwingen können – egal, wer gewonnen hätte. Einst verdiente King mit Holyfield viel Geld. Jetzt gehen sie getrennte Wege. Am 20. Dezember in der ausverkauften Halle in Oerlikon geht es also auch um das mögliche Ende einer Legende.

King kommandiert die schweren Fighter. Aber seit dem Abtritt von Lennox Lewis 2003 wankt die Schwergewichtsdivision. Wendige Latinos und Extremringer locken vor allem in Amerika, dem grössten Sportmarkt, mehr Leute ins Stadion und vor den Fernseher. Deshalb weicht King nach Asien und Europa aus, veranstaltet Kämpfe in China -und nun in der Schweiz, in Zürich, «der Welthauptstadt des Boxens», wie US-Boxhistoriker Bert Randolph Sugar lakonisch bemerkt. «King geht nach Zürich, weil er dort noch Geld verdient, anderswo will keiner mehr Schwergewichtskämpfe sehen.»

Don King gibt nie auf. Talent, Witz und Fleiss trieben ihn aus dem Ghetto an die Spitze. Dort blieb er fast vierzig Jahre. «Das ist eine ausserordentliche Leistung», sagt Historiker Sugar. «Niemand arbeitet härter als King», erklärt er. «Er schläft nie, wuselt ständig, gehe ich in die Bar, arbeitet er weiter.» Als «blitzgescheit» bezeichnet ihn sein Biograf Jack Newfield King. «Er ist immer sechs Schritte voraus.»

Zur Welt kam Donald King 1931 mitten in der Depression in Cleveland, der Stahlstadt. Weisse wohnten im Westen, Schwarze im Osten. Jobs gab es kaum. Als er zehn war, fiel der Vater in einen Kessel mit glühendem Eisen und starb. Fortan verdiente der Junge das Geld. Der begabte Zahlenartist begann im Quartier Lotterielose zu verkaufen. Mit 19 kontrollierte er das illegale Glücksspiel in der Stadt. Das Studium brach er ab – denn auf der Strasse lag das Geld, lauerten aber auch Gefahren. Zwei Mordanschläge überlebte er. Bei einem streifte eine Kugel seinen Kopf. Sein Haus wurde in die Luft gejagt. 1954 versuchte ein Widersacher ihn auszurauben, King erschoss ihn. Statt auf Mord entschied die Jury auf Notwehr.

Fast ebenso viel Glück hatte King 1966, als er erneut die Magnum aus dem Pelzmantel zog und einen Rivalen aus dem Weg räumte. Totschlag, befand der Richter und gab ihm drei Jahre Knast. Hinter Gittern las King die Klassiker. Fehlerfrei zitiert er noch heute Goethe und Schiller, Shakespeare und Joyce.

Am Zuchthaustor holte ihn 1971 der Musikproduzent Lloyd Price ab. Kurz darauf gingen King und Price mit einem anderen Ex-Sträfling essen, der wegen Kriegsdienstverweigerung jahrelang nicht fighten durfte – Muhammad Ali, der begnadetste aller Boxer. Der schlaue King veranstaltete mit ihm einen Kampfabend. Ali schlug sich in Cleveland mit drei bedeutungslosen Gegnern. Ein Teil der Eintrittsgelder ging an ein lokales Spital. Die Medien waren begeistert. Ali war zurück. Von da an war King der Player. Ohne ihn ging nun kein wichtiger Schwergewichtskampf mehr über die Bühne. Er baute das moderne Boxgeschäft auf, handelte Verträge mit den Fernsehanstalten aus, mietete die Arenen, stieg in Boxkeller, suchte und fand Talente. 500 Boxer schickte er in Titelfights. Hundert will er zu Millionären gemacht haben.

king_alt.jpgDer Coup glückte ihm 1974, als er mit Hilfe des zentralafrikanischen Schergen Mobutu im damaligen Zaire den spektakulärsten Fight aller Zeiten einfädelte: den «Rumble in the Jungle» mit Muhammad Ali und George Foreman im Ring. Ein Jahr darauf der Kampf Ali gegen Joe Frazier in Manila – unter den Augen des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos. Don King stand im Zenit.

Er war dabei, als die schwarze amerikanische Mittelklasse nach der Bürgerrechtsbewegung der Sixties aufstieg, das schwarze Kino und mit diesem der Gangsterkult und die Motown-Musikblühten. Schwarze Fighter liessen sich nicht mehr von weissen Promotoren an der Nase herumführen. «Alle Schwarzen wollten für King boxen», sagt Sugar. «Seine Lieblingsfarbe wurde grün», die Farbe des amerikanischen Dollars.

Wie viel Geld King in all den Jahren verdient hat, sagt er nicht. «Wer weiss, wie viel Geld er hat, hat nicht genug», sagte er unlängst der deutschen Zeitung «taz». Schätzungen gehen von einem Vermögen von rund 200 Millionen Dollar aus. «King nimmt einen Dollar und gibt den Boxern 50 Cent», sagt Ex-Boxer Thom Jones.

Die perfekte Mischung aus Scharfsinn und Skrupellosigkeit machten ihn reich. Handelt er einen Deal aus, weiss das mathematische Genie bereits, wie viel dieser ihm einbringen wird. Boxer – selten schnelle Denker – nehmen ihn beim Wort. Bis er es bricht. Mit vielen Kämpen zog er vor Gericht. King, so der Vorwurf, zahle nach dem Fight weniger als davor vereinbart. Mit Ali einigte er sich aussergerichtlich, ebenso mit Lennox Lewis. Tyson musste er 14 Millionen Dollar nachzahlen. Ein von ihm angeheuerter Buchhalter deckte auf, wie er mit gefälschten Quittungen Profite versteckte. «Kein weisser Promotor hat so viele schwarze Boxer betrogen wie Don King», sagte einst Tyson. Experte Sugar verteidigt ihn. «King hat nichts getan, was andere Promotoren nicht auch tun – er tut es einfach lauter und lästiger als alle anderen.»

King, der Gaukler und Showman, der Fähnchen wedelt, Sprüche klopft und Faxen macht. «Er kann zwei unbekannte Boxer in den Ring stellen und macht daraus ein Spektakel», sagt Kalle Sauerland, 31, Mitveranstalter des Zürcher Kampfs. «Er beherrscht den Hype perfekt.» Dazu passt auch sein mittlerweile ergrautes Markenzeichen. Der Legende nach stehen ihm die Haare zu Berge, weil der Henker den elektrischen Stuhl, auf dem er schmoren sollte, im letzten Moment abdrehte. King schreibt seine Frisur dem wilden Sex mit der Frau zu, mit der er über 40 Jahren verheiratet ist.

Vermutlich stimmt, was Historiker Sugars behaupet: Price soll King vor der Begegnung mit Ali zum Stromhaar geraten haben. «Ali mag Exzentriker», sagte Price und hatte Recht. Ali amüsierte sich köstlich über Kings Schopf. Es begann eine der einträglichsten Partnerschaften der Sportwelt.

Seine grössten Kämpfe

1974: «Rumble in the Jungle»

Muhammad Ali besiegt in Kinshasa, im damaligen Zaire, George Foreman. King spannt mit Diktator Mobutu Sese Seko zusammen und garantiert die Rekordbörse von 10 Millionen Dollar.

1975: «Thrilla in Manila»

Auf den Philippinen veranstaltet King mit Hilfe von Diktator Ferdinand Marcos den dritten Fight zwischen Ali und Joe Frazier. Das Epos endet nach 14 Runden mit Alis Sieg.

1996: Tyson gegen Holyfield I.

In Las Vegas gelingt Evander Holyfield eine der grossten Überraschungen der Boxgeschichte. Nach zehn Runden verliert Favorit Mike Tyson.

1997: Tyson gegen Holyfield II.

Einen Umsatz von 150 Millionen Dollar erzielt der Fight in Las Vegas, bei dem Tyson in der dritten Runde ins Ohr von Holyfield beisst. Tyson wird disqualifiziert.