Von Peter Hossli
Zwei Tage Ruhe gönnte sich Barack Obama. Dann begann der frischgewählte Präsident wie versprochen Amerika zu wandeln – mit altbekannten Gesichtern. Zum Stabschef ernannte er Rahm Emanuel (48), einen Parlamentarier, dessen politische Karriere unter Bill Clinton begann. Den Übergang von George W. Bush zu Obama koordiniert John Podesta, ein Getreuer Clintons und dessen letzter Stabschef. Vor kurzem noch leitete er das Center for American Progress, eine einflussreiche Denkfabrik, die als Schattenkabinett von Hillary Clinton galt. Zu Podestas Team gehören hauptsächlich Clinton-Leute.
Am Freitag und Samstag traf sich Obama mit seinen Wirtschaftsberatern. Sie besprachen die dringlichsten Ideen zur Linderung der Finanzkrise. Angeführt wird die Gruppe von Robert Rubin und Lawrence Sumners, beides Finanzminister unter Clinton. Sumners wird dasselbe Amt wohl unter Obama bekleiden.
Bei so viel Clinton belächeln Republikaner und politische Kommentatoren Obamas Regentschaft bereits als «Clintons dritte Amtszeit». Dabei macht der Spagat Sinn: «Um Washington zu ändern, braucht Obama Leute, die Washington verstehen», sagt der einstige Clinton-Berater Paul Begala.
Der ehemalige Präsident Bill Clinton umgab sich anfänglich mit Novizen und brachte eine Entourage aus Arkansas mit ins Weisse Haus. Zum ersten Stabschef ernannte er einen Jugendfreund. Die jungen Wilden richteten ein mittlerweile legendäres Chaos an. Die Unruhe kostete den Demokraten bald darauf die Mehrheit im Parlament. Clinton war gezwungen, mit den Republikanern zu kooperieren.
Solch naive Anfängerfehler möchte der Neuling Obama mit einem knüppelharten Stabschef verhindern. Als «Arschloch an der Seite des Präsidenten» beschrieb einst Richard Nixons Stabschef sein Amt. Ein Stabschef hält dem Präsidenten den Rücken frei und hilft, dessen Gesetze durchs Parlament zu drücken. Mit Rahm Emanuel holt Obama einen skrupellosen Pragmatiker an seine Seite. Einer, der bestens vernetzt ist und zielorientiert politisiert. Emanuel trägt den Übernamen «Rahmbo». Clinton-Berater Begala beschreibt ihn als «Mischung aus Hämorrhoide und faulem Zahn», was durchaus als Kompliment gedacht ist. «Er ist einer, der nicht aufhört zu nörgeln, bis er am Ziel ist.»
Genau das braucht Obama, zumal die USA mit der grössten Wirtschaftskrise seit der Depression der Dreissigerjahre konfrontiert sind. Der neue Präsident hat keine Zeit, wie Clinton Debütanten nach Washington zu holen, die das Regieren erst lernen müssen. Daher orientiert er sich an der ersten Amtszeit von Franklin D. Roosevelt, der 1933 mitten in der Depression ins Weisse Haus kam. Roosevelt umgab sich mit den erfahrensten und emsigsten Leuten seiner Zeit.
Wie Obama hatte Roosevelt die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Hemmungslos nutzte er sie. Dutzende von neuen Gesetzen schickte er ans Parlament. Alle kamen durch. Rasch begann die Konjunktur zu drehen. Roosevelts erste 100 Tage gelten als eine der effektivsten Perioden eines Präsidenten.
Obama möchte sie überbieten. Deshalb will er sein Kabinett mit einer weiteren mächtigen demokratischen Dynastie bestücken – den Kennedys. Die beständig gut informierte «New York Post» will wissen, dass Obama Robert F. Kennedy Jr. zum Vorsteher der Umweltbehörde ernennen will. Der Sohn des 1968 ermordeten, gleichnamigen US-Justizministers gilt als versierter Grüner. Dass Kennedy in den Vorwahlen Hillary Clinton unterstützte, bestärkt Obamas Absicht, die zerstrittene Partei zu einen.
Kennedys Cousine Caroline Kennedy half Obama bei der Wahl des Vizepräsidenten. Der Tochter des 1963 erschossenen Präsidenten John F. Kennedy sollen zwei Botschafterposten offenstehen. Wenn sie wolle, könne sie die USA als Gesandte bei den Vereinten Nationen in New York oder in London vertreten. Nimmt sie an, gelänge Obama wohl, was kein Demokrat vor ihm schaffte: die mächtigen Flügel der Partei einzubeziehen.