McCain spielt die Rassenkarte

In Umfragen liegt John McCain klar hinter Barack Obama. Deshalb setzt der Republikaner nun auf rassistische Angriffe. Seine Berater wissen: Ruppige Politik kann erfolgreich sein.

Von Peter Hossli

maccain.jpgWie die Unschuld vom Land, ganz in weiss gekleidet, stand Sarah Palin letzte Woche am Rednerpult in Colorado. Bissig schwärzte sie Barack Obama an. «Er kann Amerika nicht leiden, deshalb hält er es für statthaft, mit Terroristen rumzuhängen.» Die fast ausschliesslich weisse Menge johlte Palin zu und buhte Obama aus. Prompt doppelte die Vizepräsidentschaftskandidatin nach. «Obama sieht Amerika anders als ihr und ich.» Er sei gefährlich, und er sei schwarz, wollte sie damit sagen.

Rassistische Ausfälle und Anspielungen häufen sich in der Endphase des US-Wahlkampfs. Zumal sich ein Sieg Obamas abzeichnet. Der Demokrat liegt bei Umfragen national und in den entscheidenden Bundesstaaten vorne. Seine Strategie, den verunsicherten Amerikanern Wandel zu versprechen, scheint aufzugehen – zumal die Finanzkrise ihm zusätzlich hilft.

Doch trotz dem beachtlichen Vorsprung: Die Wahl sei nicht entschieden, sagt Harvard-Professor David Gergen. «Es ist zu früh, Obama zum Sieger zu erklären.» Warum? «Weil er schwarz ist.» Noch sei offen, ob jene, die in Umfragen für Obama votieren, ihm bei der geheimen Wahl wirklich ihre Stimme geben.

Diese Chance verführt den republikanischen Kandidaten John McCain zu barschen persönlichen Attacken. Weg von Themen will er die Debatte führen. Stattdessen dreht er sie zum Referendum über die Glaubwürdigkeit seines Konkurrenten. «Wer ist Obama wirklich?», fragt McCain. Seine Werbespots liefern angsteinflössende Antworten: ein böser, schwarzer Mann. Sie zeigen Obama dunkler, als er ist. Worte wie «er lügt», «gefährlich» oder «Heuchler» huschen über den Bildschirm.

«Das ist rassistische Angstmacherei», sagt der demokratische Parlamentarier Gregory Meeks. «Mit Politik können McCain und Palin nicht gewinnen, nun werfen sie mit Dreck.» Das Online-Magazin «Salon» sieht in den Spots eine unterschwellige Botschaft: «Obama ist furchterregend, schwarz, unbekannt, schwarz, anders, schwarz, unamerikanisch, schwarz.»

Seit Wochen schon verbreiten McCains Gehilfen insbesondere in Florida das Gerücht, Obama sei ein Muslim. «Denkt daran, wie ihr euch fühlen würdet, wenn am 5. November Barack Hussein Obama euer Präsident ist», stellte ein lokaler Politiker in Pennsylvania das Duo McCain/Palin vor – mit Betonung auf Obamas arabischen Mittelnamen. Der konservative Radio- und Fernseh-Talker Sean Hannity stellte Obamas Sozialdienst in Chicago gar als «Vorbereitung für einen radikalen Umsturz der Regierung» dar.

Kein Tag verging letzte Woche, an dem Sarah Palin den demokratischen Präsidentschaftskandidaten nicht als «Freund» von William Ayers gescholten hat. Ayers hatte 1969 die linksradikale Organisation Weather Underground gegründet, die mit Bombenattentaten auf staatliche Einrichtungen gegen den Vietnamkrieg antrat. Obama war damals acht Jahre alt. Jahrzehnte später begegnete der aufstrebende Jungpolitiker dem geläuterten und zum Erziehungsspezialisten gewandelten Ayers in Chicago. Beide bekämpften Armut. Grund genug für Palin, Obama zum «Terroristen-Freund» zu stempeln.

Fraglos würden McCain und Palin die «niederträchtigste Wahlkampagne» aller Zeiten betreiben, schreibt die «New York Times». Wohl weil eine derart fiese Taktik schon oft aufgegangen ist: Steve Schmidt, McCains Kampagnenleiter, gelang es vor vier Jahren, den dekorierten Veteranen und demokratischen Präsidentschaftsbewerber John Kerry als Verräter abzustempeln. Wegen des Gerüchts, John McCains Adoptivtochter aus Bangladesch sei ein uneheliches Kind von ihm und einer schwarzen Frau, gewann George W. Bush im Jahr 2000 die Vorwahlen.

Dem Demokraten Michael Dukakis wurde 1988 gar die Schuld an einem Raub und einer Vergewaltigung angehängt – Taten, die in Wahrheit der verurteilte Mörder Willie Horten im Hafturlaub beging. «Ayers ist Obamas Horton», unken nun republikanische Strategen.

Auf Distanz
Führende republikanische Denker beginnen, die Chancen von John McCain anzuzweifeln. «Sarah Palin ist der Krebs der republikanischen Partei», sagte letzte Woche der konservative Autor David Brooks über die Kandidatin fürs Amt der Vizepräsidentin. Wie bereits George W. Bush repräsentiere sie den anti-intellektuellen Flügel der Partei. «Sie ist nicht fähig, Vizepräsidentin zu sein.» Der Architekt von Bushs politischer Laufbahn prophezeit ebenfalls einen Wahlsieg Obamas. Karl Rove geht von 273 Wahlmännerstimmen für den Demokraten aus, drei mehr als nötig, «wenn die Wahlen heute wären», schränkt Rove ein. «Noch kann einiges passieren.»

Fiktive Spenden für Barack Obama?
Seit Wochen verbreiten republikanische Meinungsmacher das Gerücht, Barack Obama hätte Millionen von Wahlkampfspenden von Ausländern erhalten. Fans in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz würden ihm Geld geben – was illegal ist. Kandidaten für politische Ämter dürfen in den USA nur Geld von amerikanischen Bürgern oder Besitzern von Green Cards nehmen. Nun hat die «New York Times» über 3000 Spenden an Obama ausgemacht, welche von fiktiven Adressen oder unter fiktiven Namen getätigt wurden. 1100 Dollar spendeten etwa «Derty West» und «Derty Poiiuy» an Obama. Sie gaben als Wohnadresse «rewq, Man.