Von Peter Hossli
Der Gang der US-Wirtschaft droht zu stoppen. Börsen bersten. Warenhäuser fürchten miserable Weihnachtsumsätze. Den Konsumenten ist die Kauflust vergangen. «Es ist richtig, richtig mies», drückt es Princeton-Ökonom Paul Krugman apokalyptisch aus.
Bei so viel Panik hilft es manchem, Schuldige anzuprangern. Auf die Deregulierung und den einstigen texanischen Senator Phil Gramm schiessen sich Medien und Finanzexperten ein. Als Vorsitzender der Bankenkommission des Senats hätte Senator Gramm gesetzliche Schranken niedergerissen, die zum Wildwuchs an der Wall Street führten. Das, wird betont, bescherte Gramm 2002 nach dem Rückzug aus der Politik einen Topjob bei der UBS.
Ein Arbeitsverhältnis, das dem angekratzten Image der UBS in den USA nicht förderlich ist. Egal, auf welchem Kanal › Presse, Funk und Fernsehen nennen Gramm und somit die UBS in einem Atemzug mit der Krise. Unverblümt schimpft Präsidentschaftskandidat Barack Obama den UBS-Banker als «Architekt der Finanzkrise». Andere sind harscher. Die US-Wirtschaft sei von Gramm «bösartig sabotiert» worden, sagte Kommentator Bob Scheer in der landesweit ausgestrahlten Radioshow «Left, Right & Center». Was der 66-jährige Gramm heute tue, reicht Scheer hämisch nach: «Er hängt bei der Schweizer Bank UBS rum und kassiert dort eine enorme Stange Geld.»
Populistisches Sticheln gegen UBS
Seit Monaten stempeln Kolumnisten der «New York Times» den Reagonomics-Verfechter zum Bösewicht. Erst letzte Woche nahm Bob Herbert eine Breitseite gegen Gramm zum Anlass, populistisch gegen die UBS zu sticheln. «Das ist die Schweizer Bank, die ein lukratives Geschäft hat, um Reichtümer von Amerikas Millionären und Milliardären zu verwalten.»
Doch was hat Gramm getan? «Er hat als Senator zwei Gesetze vorangetrieben, die mitverantwortlich sind für die Krise», sagt John Coffee, Rechtsprofessor der Columbia University. Der erste Coup gelang Gramm 1999. Er drückte ein Gesetz durch, das die seit 1933 bestehenden Schranken zwischen Geschäftsbanken und Wertschriftenbrokern aufbrach. Darauf folgte eine Welle von Fusionen. Gramms künftiger Arbeitgeber UBS leibte sich den Vermögensverwalter Paine Webber ein.
Einen weit windigeren Trick wickelte der Kahlkopf kurz vor Weihnachten 2000 ab. Fast unbemerkt hängte er den 262 Seiten umfassenden «Commodity Futures Modernization Act» einer routinemässigen Abstimmung an. Kaum jemand verstand das komplexe, von der Hochfinanz angeregte Gesetz. Es entzog Derivate und neue Finanzinstrumente fast ganz der staatlichen Aufsicht. Fortan konnten Finanzhäuser weit risikofreier kreditunwürdigen Personen Kredite geben und gefährliche Investitionen tätigen. Sie sicherten sie mit so genannten Credit Default Swaps (CDS) ab. Diese wurden neu verpackt und an andere weitergereicht, welche sie wiederum weitergaben. Gramms Gesetz schuf ein Pyramidensystem.
Von McCain als Berater entlassen
Da das Geschäft nicht reguliert ist, griff niemand schützend ein. «Die grössten Player an der Wall Street, die dank Gramms Deregulierung auch Sparbücher und Pensionskassen hüten, betreiben ein geheimes Kasino», schrieb das Magazin «Mother Jones». Bis das Kartenhaus einbrach. Paradox: Gramms Arbeitgeber UBS gehört zu den Meistbetroffenen der Finanzkrise. Dazu geäussert hat sich Gramm erst einmal. «Nichts mit der Krise» hätten seine Gesetze zu tun, sagte er im «Wall Street Journal». Die Leute, die ihn angriffen, «haben immer nur eine Lösung parat, sie verlangen noch mehr staatliche Eingriffe».
Bei der UBS gibt man sich bedeckt und nimmt offiziell nicht Stellung zum angeschuldigten Angestellten. Die Medien, nicht Kunden würden sich an Gramm stören. Letztere seien besorgter über den Kollaps der Auction Rates Securities. «Die UBS hat grössere Probleme als Gramm», resümiert Professor Coffee. Anders denkt Präsidentschaftskandidat John McCain. Ihm diente Gramm als Berater – bis er jene Amerikaner als «Jammerer» beschimpfte, die den schleppenden Gang der Wirtschaft beklagen. Prompt entliess McCain den UBS-Banker. Das erachtet die UBS nicht für nötig.
Es ist immer einfach sich auf einen schuldigen einzuschießen. Hier wie dort das gleiche Bild.
Versagt hat jedoch das gesamte System. Diesmal war es nicht die Blase der kleinen Anleger die alle zu Millionären werden wollten, sondern die Blase der Banker die mittels Renditen zu Multimillionären aufsteigen wollten.
Leider ist jedoch das Resultat identisch : Letztendlich zahlt die Zeche der Steuerzahler. Letztes mal direkt durch Wertverlust seiner Anlangen, diesmal indirekt durch die nötigen Finanzspritzen.
Eigentlich wäre es richtig, dass alle Mitwirkenden persönlich haftbar gemacht werden. Nahezu die gesamte Welt so nah an den Abgrund zu bringen ist schon nicht mehr als fahrlässig einzustufen.
Nur helfen würden die wenigen Millionen in diesem Fall wohl auch nicht mehr.