Amerikas Vorliebe fürs Banale

Der amerikanische Wahlkampf ist in der Endphase, das Niveau ist gesunken. Barack Obama und seine Kampagne geraten deshalb ins Schlingern. Der Demokrat ist vielen zu intellektuell fürs Weisse Haus.

Von Peter Hossli

obama_maccain.jpgSeit Tagen diskutiert Amerika, ob ein herbes Sprichwort von Barack Obama ein sexistischer Ausrutscher war oder eben nur ein herbes Sprichwort. Ein Schwein mit Lippenstift bleibe ein Schwein, sagte der schwarze Senator in einer Rede. Damit habe er Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin verunglimpft, mäkeln republikanische Spinmeister. Schliesslich hatte sich Palin kürzlich zum «Pitbull mit Lippenstift» erklärt.

Zuerst war Obama überrascht von der Aufregung um die Sauerei. Konservative Ideen hätte er damit kritisieren wollen. Dann fiel er von der Rolle. Statt eigene Ideen anzupreisen, griff er Palin frontal an. Betreten beklagte er sich bei TV-Komiker David Letterman über die «alberne Saison», die nun anfange. «Das nimmt keiner ernst.»

Ein Fehlschluss. Denn je näher der Wahltag rückt, desto dümmlicher wird die politische Debatte. Wie man Elche fachgerecht filetiert, steht nun im Rampenlicht, nicht das Riesenloch im Staatshaushalt. Sichtlich unwohl fühlt sich dabei der blitzgescheite Obama, war er doch angetreten, mit den hellsten Köpfen Amerikas das Land zu reformieren.

Seit nunmehr zwei Wochen scheint der Harvard-Absolvent dazu nicht mehr fähig. Palin, an drittklassigen Universitäten geschult, lähmt ihn mit plumpem Fischerlatein und gezielt gestreutem Unwissen. Sie wisse nicht, was die Bush-Doktrin sei, sagte sie etwa in ihrem ers-ten grossen TV-Interview.

Das US-Wahlsystem fördert solch dummen Diskurs. Nicht die Mehrheit des Volkes kürt den Präsidenten, sondern die Wahlleute vieler kleiner Staaten. Nicht auf weltgewandte Princeton-Professorinnen oder vife Banker in New York sind Kampagnen zugeschnitten. Wer ins Weisse Haus will, muss die Sprache der Unentschiedenen in der weltfremden Mitte Amerikas sprechen.

Dort leben Menschen, die Obama nicht versteht und die ihn nicht verstehen. Lange vor der Lippenstift-Entgleisung mokierte er sich über das arme, waffennärrische und religiöse Amerika in einer Rede in San Francisco – ausgerechnet im Epizentrum der aufgeklärten USA. Das festigte den Ruf des Elitären, der von der besten Privatschule Hawaiis zum Harvard-Juristen aufstieg. Wenig hilft da Obamas Abscheu vor fetttriefenden Mahlzeiten, wie sie auf dem Land verzehrt werden.

Dort ist der Antiintellektualismus zudem besonders verbreitet. Dessen Wurzeln ortet der Historiker Richard Hofstadter im Anfang der Nation. Die Gründer seien vornehmlich aufs Prosperieren bedacht gewesen und hätten das Lernen als «Privileg der unbrauchbaren Aristokratie» verleumdet. Fortan gestaltete sich die US-Politik öfter als Wetteifern der Einfalt. Während der Fünfzigerjahre etwa galten kritische Geister als Kommunisten. 1952 schlug der biedere General Dwight D. Eisenhower den geist-reichen Demokraten Adlai Stevenson. «Es besteht eine grosse und ungesunde Lücke zwischen dem intellektuellen Amerika und dem Volk», stellte «Time» damals fest. Kritische Militärs und Politiker beschuldigten Studenten und Professoren für das Vietnam-Debakel.

Vortrefflich nutzten Ronald Reagan und die Bush-Dynastie Amerikas Vorliebe für Dumme. Reagan pflegte das Image des unbedarften Schauspielers. Nach dessen Tod enthüllten Historiker in privaten Briefen seine Brillanz. George Bush senior lernte sogar, absichtlich fehlerhaft zu reden – und schlug so 1988 den gebildeten Michael Dukakis. Sohn George W. war der englischen Grammatik nicht mächtig und triumphierte über Al Gore. Dem scharfsinnigen Vizepräsidenten haftete das Label des Neunmalklugen an. 2004 brandmarkte Bush seinen Widersacher John Kerry als elitär.

Eine Strategie, die der grobschlächtige Ex-Soldat John McCain mit Palins Beistand wirksam imitiert. Das flapsige republikanische Duo verfemt Obama und Vizekandidat Joe Biden zu hintersinnigen Grüblern. Um doch als Sieger hervorzugehen, müsste Obama den beachtlichen Intellekt verstecken und auf Volksnähe absteigen. Das gelang in den letzten vierzig Jahren nur einem Demokraten: Bill Clinton – und der ist ein Jahrhunderttalent.

Obama hat Geldsorgen

Als «extrem anämisch» beschreiben die Buchhalter von Barack Obama die jüngsten Einkünfte des Präsidentschaftskandidaten. Stellte der Demokrat einst Spendenrekorde auf, liegen seine Einkünfte nun unter Budget. Viele Anhänger von Hillary Clinton sind knausrig und geben ihm weniger als die erlaubten 2300 Dollar. Künftig wird Obama vermehrt auf Betteltour gehen müssen.