Im Olymp der Topverdiener

Der amerikanische Schwimmer Michael Phelps gewann in Peking achtmal Gold. Nun stehen Firmen Schlange, um ihn als Sympathieträger anzuheuern. Das treibt Phelps in den Olymp der sportlichen Topverdiener.

Von Peter Hossli

phelps.jpgEin rascher Zapp durch amerikanische Fernsehkanäle rückt auffallend häufig dieselben schiefen Zähne, abstehenden Ohren und imposanten Muskeln in die Bildmitte. Michael Phelps, 23, wirbt in einer Reklame für Frühstücksflocken, in einer anderen für eine Kreditkarte. Fast nackig wirbt er in einer dritten für Badehosen. Nur die beiden Kandidaten für das Weisse Haus sind am amerikanischen Fernsehen zahlreicher zu sehen als Phelps.

«In den Himmel katapultiert»

Achtmal sprang der schlaksige Athlet bei den Olympischen Spielen in Peking in einem Schwimmfinal vom Startbock. Achtmal verliess er das Becken als Sieger › so häufig wie kein Athlet vor ihm an olympischen Wettkämpfen. Diesen Rekord lässt sich Phelps nun fürstlich vergolden. Geradezu «in den Himmel katapultiert» hätten die Erfolge den Marktwert von Phelps, sagt Scott Sanford, Direktor bei Davie-Brown, einer Firma, die weltweit Stars vermarktet. «Phelps ist ein Superstar», sagt Sanford. Jemand, der allein mit Werbeverträgen bald ein «Einkommen zwischen 30 und 50 Millionen Dollar pro Jahr» erzielen werde, glaubt David Harrow von der National Sports Lawyers Association.

Hinter Tiger Woods, aber noch vor David Beckham

Weit mehr als die 5 Millionen Dollar jährlich, die Phelps bisher mit Werbung verdient hatte. Hinter dem Golfer Tiger Woods, der 2007 fast 90 Millionen Dollar verdiente, stünde Phelps an zweiter Stelle der bestverdienenden Sportler der Welt, noch vor Fussballer David Beckham oder Autorennfahrer Kimi Räikkönen. Sein Agent dämpft die Erwartungen und schätzt den Wert des olympischen Efforts auf insgesamt 100 Millionen Dollar, «verteilt auf sein ganzes Leben».

Unmittelbar nach den Olympischen Spielen erhielt Phelps gemäss Angaben des «Wall Street Journal» täglich 50 Anfragen. Regisseure wollen Filme über ihn drehen, Autoren Bücher schreiben und Bildhauer seinen muskulösen Torso in Stein meisseln. Globale Konzerne wie die Kreditkartenfirma Visa, der Telekom-Riese AT&T, ein chinesischer Hersteller von Musikplayern oder der Uhrenhersteller Omega wollen bestehende Verträge verlängern oder gar versüssen. Aus gu-tem Grund. «Phelps ist eine globale Legende geworden», sagt Omega-Präsident Stephen Urquhart. «Wir haben grosse Pläne mit Michael und werden mit ihm vor allem in China werben.» Wie viel Phelps von Omega jährlich erhält, sagt Urquhart nicht. «Es ist ein vernünftiger Vertrag, von dem beide profitieren.»

Multis in Phelps’ Visier

Phelps setzt auf globale Konzerne. Ende August besuchte er ein gläsernes Hochhaus in New York, in dem die Bank JP Morgan Chase ihren Hauptsitz hat. 150 Banker hatten das Privileg, dem Schwimmer zuzuhören und ihm Fragen zu stellen. Über 100 000 Dollar plus Spesen soll er für den 45 Minuten dauernden Auftritt erhalten haben. Speedo, der Badehosefabrikant, zahlte Phelps nach dem achten Sieg eine Prämie von einer Million Dollar › obwohl Schwimmen nur alle vier Jahre während der Olympischen Spiele ins öffentliche Bewusstsein rückt. Zum einen bedankt sich Speedo bei Phelps für die enorme Umsatzzunahme. Bringt eine herkömmliche Olympiade ein Plus von 5 bis 6 Prozent bei den Badehosenverkäufen, rechnet Speedo heuer mit einer Absatzsteigerung von bis zu 30 Prozent.

Überdies fürchtet Speedo um seinen besten Werbeträger. Nike habe Phelps einen lukrativen Vertrag vorgelegt, heisst es. Bis zu 40 Millionen Dollar jährlich könnte der Sportartikelriese ausgeben, um mit einer eigenen Phelps-Linie ins Schwimmgeschäft vorzupreschen. Nahe käme der 193 Zentimeter lange Schwimmer seinem Vorbild Michael Jordan. Jährlich 45 Millionen Dollar an Lizenzgebühr zahlt Nike dem ehemaligen Basketballstar. Unter Jordans Namen vertreibt Nike Turnschuhe und Basketballleibchen. «Ich möchte für den Schwimmsport erreichen, was Jordan für Basketball erreicht hat», sagte der Schwimmer zu Bloomberg Radio. «Schwimmen soll zum Massensport werden.»

Es könnte gelingen. Phelps ist ein perfekter Werbeträger. Alle mögen ihn. Er ist eine sportliche Ausnahmeerscheinung ohne Allüren. Den Erfolg schreibt er seiner Mutter und seinen zwei Schwestern zu. Er lebt bescheiden in seiner Heimatstadt Baltimore. Morgens steht er ungern auf. Nach den Olympischen Spielen in Athen erwischte ihn die Polizei betrunken am Steuer. Phelps entschuldigte sich und leistete Sozialdienst.

Mark Spitz referiert gut bezahlt

Die wenigsten Olympiasieger kassieren, wie Phelps kassiert. Viele gehen vergessen. Mark Spitz, mit 9 Goldmedaillen dritterfolgreichster Olympionike, tritt noch immer in Werbespots auf. Für Reden kriegt er 15 000 Dollar. Selbst für Presseinterviews langt Spitz zu. Sprinter Carl Lewis, ebenfalls neunfacher Sieger, verlangt für Vorträge 50 000 Dollar. Werbung macht er kaum mehr.

Ein Schwimmer überragt noch immer alle. Johnny Weissmüller, 1924 und 1928 fünffacher Olympiasieger, heuerte nach seinen Siegen im Becken gut bezahlt in Hollywood an – als Tarzan. Zwölfmal verkörperte er im Kino den Dschungelmenschen.