Vorteil McCain

Nach den Parteitagen liegen die Kandidaten Barack Obama und John McCain liegen bei Umfragen gleichauf. Obama hat seinen Vorsprung eingebüsst. Ein Kommentar.

Von Peter Hossli

Amerikaner mögen gute Geschichten. Meist zieht ins Weisse Haus, wer die bessere erzählt. John McCain hat eine fabelhafte Geschichte. Fünf Jahre lang harrte der einstige Marinepilot in vietnamesischer Gefangenschaft. Er erduldete Folter und Erniedrigung. Sein Land aber verriet er nie.

Letzte Woche war diese Geschichte am Parteitag der Republikaner allabendlich zu hören. Wortgewaltig erzählte sie Schauspieler Fred Thompson, feinfühlig McCains Gattin Cindy. Zuletzt griff der Veteran selbst zum Mikrofon. Der Dschungelknast hätte ihn zum Patrioten gestählt, erläuterte er.

Das kommt an bei US-Wählern. Besser als eine Liste mit Ideen, die Amerikas Probleme lösen sollen. Eine solche präsentierten die Demokraten und Kandidat Barack Obama auf ihrem Parteitag. Sie lieferten Substanz. Die Republikaner aber rückten ein riesiges Sternenbanner in die Bildmitte. Zu viele Ideen, wissen sie, strafen Wähler mit Verachtung ab.

Vieles hat McCain am Parteitag besser gemacht als Obama. Seine Redner erwiesen sich als angriffig und aggressiv, die Demokraten als gutherzig und detailversessen. Das ist ehrenhaft. Eine bereits gehässige Wahlschlacht ist damit nicht zu gewinnen. Arglistig nutzte McCain den Orkan Gustav, um den unbeliebten Präsidenten George W. Bush abzuwimmeln.

Mit Alaskas Gouverneurin Sarah Palin hat er eine Frau als Vizepräsidentin nominiert, die einen Keil zwischen die Anhängerinnen von Hillary Clinton treibt. Palin provoziert wüste und sexistische Angriffe von links, was ihr und somit McCain viel Sympathie einträgt. Ebenso wichtig: Die fromme Waffennärrin Sarah Palin begeistert Amerikas Frommen und Waffennarren. Das vereint die Republikaner und sichert ihnen eine hohe Wahlbeteiligung.

Vor allem in jenen drei Staaten, die über den Einzug ins Weisse Haus entscheiden: Ohio, Virginia und Colorado. Dort schlug Bush 2004 jeweils Herausforderer John Kerry. Um Präsident zu werden, muss Obama einen dieser Staaten gewinnen. Dort leben jedoch besonders viele von Palin motivierte Christen.

Einen kolossalen Fehler beging Obama, als er das Vizeamt Senator Joe Biden statt Hillary Clinton anbot. Nicht mit einem «dream team» treten die Demokraten nun an. Es sind zwei Männer mit faden Geschichten.