Sieg Obamas wäre “riskant für den Aktienmarkt”

Nichts erscheint US-Wählern wichtiger als der schleppende Gang der heimischen Wirtschaft. Paradox daher, dass sie zwei wirtschaftliche Novizen ins Rennen um das Weisse Haus schicken.

Von Peter Hossli

mccainobama.jpg«Veränderung» lautete die Botschaft Barack Obamas in Denver. Als er in seiner Rede eine Liste wirtschaftlicher Ideen herunterlas, ging ihm die sonst übliche eloquente Brillanz sichtlich abhanden. «Country First», predigt der Republikaner John McCain nächste Woche patriotisch, zuallererst komme die Heimat. Hämisch bezeichnet daher das «Wall Street Journal» die beiden Senatoren als «wirtschaftspolitische Leichtgewichte».

Eher unbedarft beantworten beide Fragen, ob die US-Notenbank illiquide Banken retten soll. Grundsätzlich, sagen sie nur, müssten die Finanzmärkte «stabil» sein. Sie legen sich nicht fest, ob der Staat säumige Hausbesitzer oder Hypothekenbanken auffangen muss. Beide schwänzten eine diesbezügliche Abstimmung im Senat.

Traditionell erzielt das Steuerprogramm eines Präsidenten die nachhaltigste Wirkung. Obama stellte Kürzungen für den Mittelstand in Aussicht, möchte aber den Steuersatz der Topverdiener von 35 auf 39,6 Prozent anheben. McCain hingegen gedenkt, Steuern noch aggressiver zu kürzen als George W. Bush. Firmen sollen nur noch 25 statt wie bisher 35 Prozent ihres Gewinns dem Fiskus abliefern. Obama sieht für Konzerne keine Kürzungen vor. Die Kapitalgewinnsteuer, die McCain langfristig abschaffen will, möchte er von 15 auf 28 Prozent steigern. Da 10 Prozent der Amerikaner 73 Prozent der Einkommenssteuer leisten, flösse unter Präsident Obama mehr Kapital zum Fiskus, weg von der Börse.

McCain «weniger feindlich»

Zur «wichtigsten Wahl seit 1980 für Anleger» werde daher die Entscheidung im November, schreibt UBS-Analyst Thomas Doerflinger. Er rechnet mit einem Wahlsieg Obamas und nennt dessen Pläne «riskant für den Aktienmarkt». Höhere Steuern für Investoren dürften die Anlegelust dämpfen. McCains Kürzungen für Reiche würden die Märkte beflügeln. Gegenüber der Finanzindustrie sei «McCain weniger feindlich eingestellt als Obama», so Doerflinger. Der Demokrat will das Hypothekengeschäft und Kreditkartenfirmen strenger als bisher regulieren und gegen Steueroasen vorgehen. Das Bankrott-Gesetz möchte er abändern, sodass die Löhne der Arbeiter, nicht aber die Kredite der Banken gesichert sind. Gemäss dem UBS-Analysten würden unter Obama spezialisierte Banken und grosse Finanzhäuser leiden. Bei beiden Kandidaten erwartet Doerflinger ein noch grösseres Loch im Staatshaushalt. Zwar will McCain die Ausgaben drosseln, doch Steuerkürzungen würden die Erträge rascher mindern. Bei Obama sieht er ein umgekehrtes Szenario mit gleichem Resultat: höhere Steuererträge, gepaart mit weit höheren Ausgaben.

McCain rühmt sich als Fürsprecher des Freihandels. Wie Bush möchte er weltweit Schutzzölle abbauen. Obama hingegen hat angekündigt, das Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko neu zu verhandeln. Um jeden Preis will er amerikanische Arbeitsplätze schützen. Der Staat soll die in den USA besonders hohen Preise für Medikamente regulieren. An Schwung verlieren könnte unter Obama der Freihandel bei Lebensmitteln. Den Mindestlohn will Obama auf 9.50 Dollar die Stunde anheben und automatisch der Inflation anpassen. McCain erachtet 7.25 Dollar für genug, egal wie sich die Teuerung entwickelt. Geht es nach Obama, verringert erneuerbare Energie die Abhängigkeit der USA von Ölimporten. 150 Milliarden Dollar stellt er dafür in Aussicht, ohne zu sagen, woher sie kommen. Zum Verdruss von Umweltschützern möchte McCain das Ölförderverbot in Küstennähe aufheben und rasch 45 neue Kernkraftwerke bauen lassen.

Sind bei den Steuern die grössten Unterschiede auszumachen, gibt es durchaus Konsens: Beide wollen die Biotechnologie sowie High Tech fördern. Liess sich Bush von christlichen Prinzipien leiten, ist McCain wissenschaftsfreundlicher und wie Obama der Stammzellenforschung zugeneigt.

Weiterlesen:

Risiko Obama, Bilanz, 20. Juni, 2008