Levi Strauss dampft drastisch ein

Levi Strauss verkauft nur noch einen Schnitt der 501-Jeans. Die Sparmassnahme soll die seit langem anhaltende Krise beheben. Das Risiko: Wer zu dick oder zu dünn ist, kauft seine Hosen woanders.

Von Peter Hossli

levi.jpgHolländer sind länger als Portugiesen, Amerikaner rundlicher als Argentinier. Mit solch statistisch belegten Werten schneidern global auftretende Kleiderfirmen ihre Hemden und Hosen – damit die Roben überall passen.

Davon kommt Levi Strauss & Company nun ab. Künftig fabriziert der amerikanische Jeanskonzern das legendäre Modell 501 nur noch in einem Schnitt in verschiedenen Grössen. Vertrieben wird die Hose mit den Knöpfen im Schritt in 110 Ländern, in der Hoffnung, sie werde weltweit zur Uniform der schicken Jugend.

Bisher teuerste Werbekampagne

Die Welthose wird mit der teuersten und ersten wirklich globalen Werbekampagne von Levi Strauss angepriesen. Athletische junge Männer warfen sich für Hochglanzanzeigen in der kalifornischen Salzwüste in Pose. Sie gemahnen an James Dean, Marlon Brando und Paul Newman. Vier neue 501-Werbespots sind ab Spätsommer, mit poppigen Ohrwürmern unterlegt, weltweit in Kinos und am Fernsehen zu sehen. Hinzu kommen aufwändige Internet- und Plakatkampagnen. Kosten der pompösen Öffentlichkeitsarbeit: weit über hundert Millionen Dollar.

Das birgt Risiken. Levi Strauss, 1853 vom gleichnamigen bayerischen Einwanderer in San Francisco gegründet, gibt viel Geld aus, um noch mehr Geld zu sparen. Produziert der Konzern nur noch einen Schnitt, so das Kalkül, kann er auf weniger Maschinen mit weniger Personal Hosen nähen. Wer allerdings zu dünn, zu dick, zu klein oder zu gross ist für den universellen Schnitt, kauft Jeans woanders. Ein «elastischer Stoff» merze das Problem aus, reklamiert die Firma.

«Einheitskleider sind passé»

Gleichwohl: Weltweit neigen Konsumenten zu mehr Individualität. «Einheitskleider sind passé», sagt der Werber John Kottmann von McCann Erickson. Erfolgreiche Kleiderkonzerne wie Nike lassen Kunden auf interaktiven Websites längst Schuhe nach Mass kreieren. Sie wissen: Kleider machen Leute. Und wenn die Leute die Kleider selber machen und sie trotzdem für teures Geld erwerben, bringt das höhere Gewinnmargen. Kunden, die zu Designern werden, fühlen sich gut dabei.

Diesen Trend untergräbt nun Levi Strauss. Die Firma – mit der Marke Levi’s so bekannt wie Coca-Cola und in den Achtzigerjahren noch eine coole erotische Ikone – darbt und muss sparen. Um 8 Prozent ging im zweiten Quartal 2008 der weltweite Umsatz zurück, in den USA gar um einen Fünftel. Geradezu dramatisch fiel mit einem Minus von 98 Prozent der Gewinnrückgang aus. Wohl mit buchhalterischen Tricks schaffte die Privatfirma, die ihre Zahlen veröffentlicht, einen Gewinn von einer Million Dollar, bei einem Umsatz von fast einer Milliarde. Die Aussichten sind nicht rosig, zumal die Wirtschaftskrise die Ausgabefreude der Amerikaner drosselt.

Cowboy-Image wirkte altbacken

Zerschlagen ist die Hoffnung der letzten zwei Jahre, Levi Strauss schaffe das kommerzielle Comeback. Erstmals seit einem Jahrzehnt schrieb die Firma im Herbst 2005 wieder ein Umsatzplus. Kurz darauf setzte es sogar einen Gewinn ab. Analysten feierten das Ende der jahrelangen Durststrecke.

Allerdings war Levi Strauss mächtig geschrumpft. Erzielte der Jeansgigant in den Neunzigerjahren noch einen Umsatz von 7 Milliarden Dollar, sind es nun deren 4. Der Grund für den Absturz: Levi’s war nicht mehr en vogue und verlor in urbanen Zentren an Ansehen. Das Image des kernigen Cowboys wirkte altbacken. Zum Kleiderkauf verleitete vermehrt die Rap-Kultur. Weit teurere Edeljeans gruben Levi’s in den USA das obere Segment ab. Ausserhalb Amerikas hatte die Marke mit billigen Kopien und preiswerter Konkurrenz zu kämpfen. Noch bis in die Neunzigerjahre liess Levi Strauss einen Viertel der Hosen in den USA nähen. Just zu diesem Zeitpunkt kam chinesische Billigware auf.

Ende Neunzigerjahre setzte Levi Strauss mit Phil Marineau einen ehemaligen Pepsi-Manager auf den Chefposten, einen Marketingspezialisten ohne Bezug zu Blue Jeans. Er entliess Tausende von Arbeitern und schloss 2004 die letzte US-Fabrik in San Antonio, Texas. Die Produktion verlegte er nach Asien und Südamerika. Zudem führte er mit Signature eine Billiglinie ein, welche hauptsächlich im Discounter Wal-Mart verkauft wird.

Die Veränderungen zeigten anfänglich Erfolg. Letztes Jahr erhöhte die Ratingsagentur Moody’s den Trend von «stabil» zu «positiv». Allerdings liegt das Rating im Bereich von Junk Bonds. Zu sehr ist die Firma verschuldet.

Noch gehört Levi Strauss den direkten Abkömmlingen des Gründers. Der begann 1873 Jeans herzustellen. Der Schneider Jacob Davis verstärkte damals den Saum von Stoffhosen mit Kupfer. Da er zu wenig Geld hatte, um sie selbst zu nähen, verkaufte er die Hälfte des Patents an Strauss. Die reissfesten Beinkleider waren besonders bei Farmern, Arbeitern und Goldsuchern populär. Seit den Zwanzigerjahren fabriziert der Konzern moderne Jeans und findet weltweit Nachahmer. Noch heute führt Levi Strauss zahlreiche Klagen wegen Urheberrechtsverletzung.