Von Peter Hossli
Aufgekratzt eilt die Frau im dunklen Anzug durch den sich leerenden Saal 106 des US-Senats. «Haben Sie die Branson-Rede?», fragt sie die Reporter und wedelt mit bedruckten Blättern. Es riecht eisig-metallen nach Klimaanlage. Wer sich ein Papier schnappt, wird just von einem Pressesprecher der UBS angegangen. Sichtlich erleichtert gibt er Auskunft. «Wir sind überrascht, wie gut es gegangen ist.»
Eben hatte UBS-Manager Mark Branson brilliert. Fehler gestand der 39-jährige Banker letzte Woche vor einem Senatsausschuss in Washington ein. Er entschuldigte sich und versprach baldige Besserung. Mit britischer Coolness erklärte er zwei amerikanischen Senatoren das Schweizer Bankgeheimnis. Selbstsicher, aber nie arrogant betonte er die Legalität des nun angeprangerten Geschäfts mit internationalen Geldtransfers.
Bransons Demut gefiel. Senator Carl Levin, der das Verhör eher teilnahmslos leitete, horchte auf. Ein Raunen ging durch den prall gefüllten und mit Holz verkleideten Raum. Es war still, als der Banker sanft ins Mikrofon sprach. Nachher bedankte sich der ergraute Levin bei Branson geradezu väterlich, so als wollte er sagen: Gut gemacht, mein Sohn. «Klar, es hat mich überrascht, was die UBS heute getan hat», sagte Levin danach den Reportern. «Das habe ich nicht erwartet.»
Für die UBS ist der Auftritt ein Wendepunkt in einem komplexen Drehbuch, das seit Januar laufend weiterentwickelt wird. Das Justizdepartement begann damals zu untersuchen, ob die UBS ihren amerikanischen Kunden bei Fällen von Steuerflucht behilflich war. Und die Börsenaufsicht SEC will wissen, ob die Bank in den USA ohne Lizenz Anlagetipps abgab.
Nun müsste das Ziel lauten: Deferred Prosecution Agreement, ein Abkommen, das die UBS vor einer Strafanklage bewahrt. Damit das klappt, arbeiten je nach Aktualität zwischen fünfzig und hundert UBS-Leute am Dossier. Eine externe Kanzlei besorgt die forensische Arbeit. Um straffrei zu bleiben, kooperiert die UBS mit den Behörden. Die Bank erstellt einen Bericht, der abtrünniges Verhalten und allenfalls kriminelle Kundenberater offenlegt. Sie klärt auch auf, welche der von ihr für US-Kunden konstruierten 215 Offshore- Gesellschaften dubios waren und ob es neben dem geständigen Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld noch weitere Missetäter gibt.
Ein Verdacht fällt auf Martin Liechti, einst Birkenfelds Chef und seit Ende April in den USA als Zeuge festgehalten. Vor dem Senat verweigerte er eine Aussage – ein Entscheid, den er allein mit seinem Anwalt getroffen hatte. Erst kurz davor erfuhr es die UBS.
Ebenfalls Teil der UBS-Strategie: Künftig betreut die Bank US-Kunden nur noch über SEC-lizenzierte, also dem amerikanischen Recht unterstellte Banken. Ein Dekret, das durch die Weltpresse ging, das die Bank aber im Grundsatz bereits im letzten Herbst erliess. Als «legacy», als Vermächtnis sozusagen, wird der Schweizer Service für reiche Amerikaner auch intern beschrieben.
Grösstenteils dürfte es sich um Familiengeld handeln, also um «old money», das von Kunden stammt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA kamen und es dort nie deklarierten. Zuletzt wuchs dieses Geschäft kaum mehr. Bloss 20 000 Kunden mit 20 Milliarden Dollar Vermögen in der Schweiz stehen 2 Millionen Kunden in den USA mit über 700 Milliarden Dollar gegenüber.
Bransons Auftritt war riskant. Mächtige Senatoren stellen Zeugen gerne bloss. Das gelang ihnen bei Liechti, den sie anhielten, deutlicher ins Mikrofon zu sprechen. Sein Schweigen bestärkt indessen das Klischee des verschlossenen Schweizer Bankers. Der jugendliche Branson hingegen steht für einen modernen Typ, der weder bunkert noch kauert.
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