“Es war ein Kniefall”

UBS-Banker Mark Branson räumte vor dem amerikanischen Senatsausschuss grobe Fehler der Grossbank ein. Das Kontrollsystem habe versagt.

Interview: Peter Hossli

mark_branson.jpgMister Branson, was ging in Ihnen vor, als Sie letzte Woche vor dem Senatsausschuss die Hand zum Schwur erhoben?
Mark Branson:
Der Moment war eindrücklich. Unabhängig vom Schwur war klar, wie bedeutend der Auftritt ist. Mein Fokus lag aber auf dem, was danach kam.

Sie vertraten die UBS. Die Bank nahm freiwillig am Verhör teil. Warum?
Branson: Es ist in solchen Situationen sehr wichtig, hinzustehen und sich zu erklären. Wir haben eine globale Reichweite, unter anderem 30000 Mitarbeiter allein in den USA, und weltweit Kunden. Daher wäre es für uns undenkbar gewesen, nicht teilzunehmen.

Nutzte die UBS das Verhör, um besorgte Kunden zu beruhigen?
Branson: Zuallererst erklärten wir uns gegenüber dem Senatsausschuss, der uns untersucht und eben einen Bericht vorgelegt hat. Darin werden Fragen aufgeworfen, die wir selbst beantworten wollten.

Wann entschied sich die UBS auszusagen?
Branson: Die Anfrage traf zehn Tage vor dem Termin ein. Es stand nie zur Diskussion, nicht daran teilzunehmen.

Sie sind nicht das bekannteste Gesicht der UBS. Warum traten Sie an?
Branson: Der Ausschuss verlangte ein Mitglied des Senior Managements. Es sollte jemand sein, der in der Schweiz arbeitet, und zwar im Bereich Wealth Management, der von den Untersuchungen betroffen ist. Zudem ist es von Vorteil, jemand in ein solches Forum zu entsenden, dessen Muttersprache Englisch ist.

Der Ausschuss erhebt den Vorwurf, die UBS habe amerikanischen Kunden mit internationalen Kapitaltransfers zur Steuerflucht verholfen. Worum ging es bei Ihrem Auftritt?
Branson: Wir wollten Klarheit schaffen und aufzeigen, was genau schiefgegangen ist und was wir dagegen tun werden. Zudem war es mir wichtig, zu sagen, dass das Geschäft, das untersucht wird und das wir nun aufgeben, ein legales Geschäft war. Es wurden aber Regeln verletzt, was wir sehr bedauern.

Demut gehört selten zur hart umkämpften Welt eines Bankiers. Wie schwierig ist es, öffentlich Reue zu zeigen?
Branson: Es fiel mir leicht, Reue zu zeigen. Ich trat als Vertreter einer Firma auf, die Fehler gemacht hat. Ich kann mir keinen anderen Ton vorstellen, als ehrlich darzustellen, wie andere UBS-Manager und ich die Sache beurteilen.

Senator Carl Levin schien erstaunt. Hat er Ihre Rede vorab gesehen?
Branson: Nein.

Levin sagte danach, die Reaktion der UBS sei ein Lehrstück für andere Banken. Dann war es ein Kniefall vor den Amerikanern?
Branson: Es war ein Kniefall, aber nicht spezifisch vor den Amerikanern. Firmen entschuldigen sich zu selten für Dinge, die nicht sauber abliefen. Kommunikation bedeutet, nicht nur über Erfolge, sondern auch offen über Fehler zu reden. Unser Personal verfolgt diesen Fall intensiv. Für die Beschäftigten ist es wichtig, dass wir Probleme ehrlich und aufrichtig angehen.

Dann hat die Untersuchung der Moral der Angestellten zugesetzt?
Branson: Ja. In den letzten zwölf Monaten wurden die Kompetenz und die Integrität der Firma von vielen Seiten in Frage gestellt. Das setzte vielen Mitarbeitern zu.

Bringen Sie der UBS den ersehnten Wendepunkt?
Branson: Mit dem Auftritt vor dem Senatsausschuss gelang es uns, zumindest einem Problem etwas Druck zu nehmen. Doch dies als Wendepunkt zu bezeichnen, wäre anmassend.

Die UBS sass in einer Zwickmühle: Entweder hat die Bank systematisch Regeln verletzt und Gesetze gebrochen, oder aber die Aufsicht hat versagt. Nun sagen Sie, es gab Probleme bei der Aufsicht. Wie war das möglich?
Branson: Da die Untersuchung noch läuft, kann ich nicht über Details reden. Aber es ist klar, dass unser Kontrollsystem nicht so funktioniert hat, wie es hätte funktionieren sollen. Wir haben Leitlinien, aber diese wurden nicht immer umgesetzt. Jetzt müssen wir herausfinden, warum.

Die Antwort liegt auf der Hand. Es gab UBS-Kundenberater, die illegal handelten. Bisher ist der Fall Bradley Birkenfeld bekannt. Wie viele Birkenfelds gibt es noch?
Branson: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wenn wir weitere Leute identifizieren, welche die Standards und Vorschriften der UBS oder Gesetze verletzt haben, werden wir die nötigen Massnahmen treffen.

Das kommt etwas spät. Birkenfeld hat fast fünf Jahre bei der UBS gearbeitet. Warum blieb er so lange unentdeckt?
Branson: Genau dieser Frage wollen wir auf den Grund gehen – bestimmt dringender als sonst jemand.

Sie arbeiten mit dem Justizdepartement und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC an einer Vereinbarung, die einen Schlussstrich unter die Angelegenheit setzen soll. Wann ist diese zu erwarten?
Branson: Die Untersuchungen laufen noch. Ich möchte keine und darf auch keine Ergebnisse vorwegnehmen. Wenn alle Fragen beantwortet sind, können wir mit allen Parteien eine Lösung finden. Die Sache ist kompliziert und reicht etliche Jahre zurück. Es ist unmöglich, über Nacht alle Fakten auf den Tisch zu legen. Bei uns läuft eine umfangreiche Untersuchung, an der viele Leute beteiligt sind. Dazu kommt, dass sowohl in den USA als auch in der Schweiz zahlreiche Behörden involviert sind, welche den Lauf der Untersuchung und den Zeitplan bestimmen.

Sie haben angekündigt, künftig amerikanische Kunden nur noch über SEC-lizenzierte Banken zu betreuen. Wie schmerzhaft ist es für die UBS, das US-Geschäft von der Schweiz aus aufzugeben
Branson: Es ist die richtige Entscheidung, angesichts der vielen Restriktionen, unter denen dieses Geschäft abgewickelt werden muss. Es war zuletzt nicht mehr möglich, mit Kunden angemessen in Kontakt zu treten und ihnen das volle Angebot der UBS zu offerieren. Daher ist der Rückzug zu verkraften.

Fast 20000 amerikanische Kunden verlieren den Vorteil, in der Schweiz Bankgeschäfte zu tätigen. Was passiert mit ihnen?
Branson: Sie haben die Möglichkeit, ihre Anlagen zu einer unserer SEC-lizenzierten Einheiten zu transferieren, sei es in den USA oder bei der UBS in der Schweiz. Wir haben zudem eine kleine, von der SEC anerkannte Einheit in Hongkong. Wer keines dieser Angebote nutzen will, muss die Beziehungen zu uns abbrechen.

Sie waren früher Kommunikationschef der UBS. Die Affäre Birkenfeld hat das Image der UBS arg ramponiert. Können Sie das korrigieren?
Branson: Allein mit PR lässt sich ein solches Problem nicht beseitigen. Wir haben zugegeben, dass Dinge falsch liefen, und versprochen, dass wir sie berichtigen. Das war ein erster Schritt. Nun müssen wir die Probleme auch wirklich beheben und nach vorne schauen. Es war wichtig, am Verhör teilzunehmen und Aussagen zu machen, die viele Leute erreichten. Unsere Angestellten sollen wissen, dass die Ethik des Konzerns ihrer Ethik entspricht.

Wie ernst nimmt die UBS die Untersuchung?
Branson: Da es um die Art geht, wie wir unser Geschäft tätigen, nehmen wir die Untersuchung
extrem ernst. Die USA sind ein sehr wichtiger Markt für die UBS.

Vor dem Senatsausschuss trat auch der UBS-Banker Martin Liechti auf. Doch er verweigerte die Aussage. Warum?
Branson: Es wäre nicht angemessen, wenn ich das kommentieren würde.

Was haben Sie nach dem Verhör getan?
Branson: Ich bin aus dem Saal getreten und hatte keine Ahnung, wie ich zurück ins Büro finde. Draussen war es extrem heisst. Am selben Abend flog ich nach Zürich zurück.

Mit einer Linienmaschine oder im Firmenjet?
Branson: Ich war auf dem Linienflug.

Ihr Auftritt erntete viel Applaus. Sind Sie der neue starke Mann bei der UBS?
Branson: Nein.

Mark Branson, 39, ist Brite und Finanzchef des Global Wealth Management & Business Banking sowie Mitglied des UBS Group Managing Board. Er arbeitet seit zehn Jahren in verschiedenen Positionen für die UBS.